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Kehrtwende im Infinus-Prozess?

Das Finanzamt Dresden sieht offenbar kein Schneeballsystem bei der Anlagefirma. Das stärkt die Position der Angeklagten.

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© Robert Michael

Von Ulrich Wolf

Dresden. Die Staatsanwaltschaft Dresden gerät in Sachsens bislang längstem Strafprozess unter Druck. Den Vorwurf der Ankläger, der Dresdner Finanzdienstleister Infinus habe ein betrügerisches Geldanlagesystem betrieben, teilt das Finanzamt Dresden offensichtlich nicht. Das geht aus einem Zwischenbericht des Juristen Bruno Kübler hervor. Er vertritt als Insolvenzverwalter die Interessen der Gläubiger.

In dieser Funktion verlangt Kübler vom Finanzamt Dresden 17,1 Millionen Euro zurück, die Infinus von 2009 bis 2012 überwiesen hat. Inklusive Verzugszinsen dürften sogar mehr als 20 Millionen Euro zusammenkommen. Offenbar aber beißt Kübler mit seinem Ansinnen auf Granit.

In seinem Zwischenbericht an das Insolvenzgericht Dresden von Ende Juni 2017 schreibt er, das Finanzamt Dresden habe „seine vormalige Rechtsauffassung revidiert“. Nun halte der Fiskus das Geschäftsmodell von Infinus für „tragfähig“. Es sehe in den Steuererklärungen keinen Korrekturbedarf. Kübler hingegen hält – analog der Linie der Staatsanwaltschaft – die Infinus-Bilanzen der Jahre 2009 bis 2012 für falsch. Der Insolvenzverwalter erwartet nun einen „langen und kostenintensiven Rechtsstreit“ mit der Finanzbehörde.

Deren Leiter Reinhard Göllner sagte, er könne Küblers Behauptung nicht ganz einordnen. „Wir sind noch in der Findung.“ Infinus sei ein Fall mit herausragender Bedeutung. Man stimme sich dazu natürlich mit übergeordneten Behörden ab.

Das Landesamt für Steuern und Finanzen gibt dazu keine Auskunft und verweist auf das Steuergeheimnis, ebenso das sächsische Finanzministerium. Die Landesdirektion Sachsen teilte mit, ihr sei der Vorgang nicht bekannt. Die Stadt Dresden bat um Verständnis, sich zu diesem Fall nicht zu äußern.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft betonte, das Vorgehen des Finanzamts habe keine Bedeutung für das seit November 2015 laufende Strafverfahren. Der Fiskus verfolge seine eigenen Interessen. Die Formulierung „ein aus fiskalischer Sicht tragfähiges Geschäftsmodell“ heiße wohl lediglich, „dass man freiwillig erst einmal keine Steuern zurückzahlen und lieber den Ausgang des Strafverfahrens abwarten will“.

Der Prozess vor dem Landgericht Dresden läuft seit 2015 und hat schon mehr als 130 Verhandlungstage hinter sich. Angeklagt sind sechs Infinus-Manager. Sie sollen Zehntausende Anleger um ihr Geld betrogen haben, unter anderem mit Scheingeschäften und aufgeblähten Bilanzen.

Sollte sich die Staatsanwaltschaft mit dieser Ansicht vor Gericht nicht durchsetzen, könnten auf die sächsische Justiz Schadenersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe zukommen.