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Kaugummiautomat gesprengt

Der Angeklagte will es nicht gewesen sein. Beweise gibt es nicht, nur ein Indiz. Dennoch wird er nicht freigesprochen

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© Jürgen Müller

Von Jürgen Müller

Meißen. Der Angeklagte liebt Kaugummi. Und so erscheint der 35-jährige Meißner auch kaugummikauend auf der Anklagebank. Richterin Ute Wehner verbittet sich das. Der Mann entschuldigt sich. Er habe keine Erfahrungen vor Gericht, sagt er. Dass man bei einer Verhandlung nicht wiederkäuend auf der Anklagebank sitzt, kann man auch ohne Gerichtserfahrung wissen.

Mit Kaugummi hat auch die angeklagte Tat, eine Sachbeschädigung zu tun. In der Silvesternacht 2015 wird an der Brücke Siebeneichener Straße in Meißen ein Kaugummiautomat mit einer Schreckschusspistole gesprengt. Es entstehen 500 Euro Sachschaden. Verantwortlich dafür soll der Meißner sein, der - jetzt ohne Kaufgummi - vor der Richterin sitzt. Doch die Beweislage ist dünn. Zwar findet die Polizei bei dem Mann einen Aufsatz für eine Schreckschusspistole, mit dem man Töpfe für Schreckschussmunition abschießen kann, doch eine Pistole finden die Polizisten nicht und auch keine Munition. Der Angeklagte bestreitet jedenfalls die ihm vorgeworfene Tat. „Ich war 20, 30 Meter von dem Automaten entfernt, sah, wie Kinder bunte Kaugummikugeln aufsammelten“, sagt er. Den Aufsatz für die Schreckschusspistole habe er vor einer Bank gefunden und einfach eingesteckt. „So sind Männer nun mal, die heben alles auf“, sagt er. Das Aufheben bringt ihm ein weiteres Verfahren wegen Besitzes einer verbotenen Waffe ein. Denn auch der Aufsatz ist Teil einer Waffe, für die man einen kleinen Waffenschein braucht. Dieses Verfahren wurde allerdings schon eingestellt.

Sechs Zeugen sind geladen und auch alle erschienen. Zu ihren Vernehmungen bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft waren sie nicht gekommen. Die Richterin rügt dieses Verhalten. Diesmal sind sie da, doch bis auf einen Polizisten wird keiner von den Zeugen vernommen.

Als die Polizei eintrifft, sind nicht nur viele Erwachsene in dieser Silvesternacht vor Ort, sondern auch einige Kinder. Eines sagt zu dem Polizisten Bemerkenswertes: „Sie suchen an der falschen Stelle. Der Mann mit der Pistole ist schon weg.“ Eine klare Entlastung für den Angeklagten, doch die Polizei versäumt es, die Personalien des Kindes festzustellen. Möglicherweise war es der Sohn des Angeklagten. Dieser könnte zwar als Zeuge geladen werden, doch das ist kompliziert. Das Gericht hätte erst einen Verfahrenspfleger einschalten müssen. Doch auch dann hätte der Sohn ein Zeugnisverweigerungsrecht gehabt, weil sein Vater der Angeklagte ist. Denn Verwandte müssen sich nicht gegenseitig vor Gericht belasten.

Licht ins Dunkel hätten möglicherweise die Zeugen bringen können, doch die Richterin hört sie nicht an. Aufgeklärt wird die Tat so nicht. Stattdessen schlägt die Richterin vor, das Verfahren gegen eine Geldauflage einzustellen. Nach kurzer Beratung willigt der Angeklagte ein, aber vor allem deshalb, weil er seinem zwölfjährigen Sohn einen Auftritt vor Gericht ersparen will.

So muss er nun 100 Euro zahlen für eine Tat, die er möglicherweise gar nicht begangen hat. Wären die Zeugen gehört worden, hätte er wahrscheinlich freigesprochen werden müssen. Denn keiner hat ihn mit einer Schreckschusspistole gesehen. Und auch sonst gibt es keine Beweise für seine Täterschaft, nur ein Indiz. Das ist der Besitz des Aufsatzes. Seine Behauptung, dass er ihn gefunden habe, kann nicht widerlegt werden.