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Katerstimmung an der „Grimmschen“

Die Hauptstraße durch Reinhardtsgrimma wird saniert. Das bringt Umwege mit sich. Händlern bleiben Kunden aus.

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© Frank Baldauf

Von Jane Jannke

Reinhardtsgrimma. Gut, dass hier endlich was passiert. Darin sind sich fast alle in Reinhardtsgrimma einig. Sogar Bärbel Geisdorf sagt das. Und das, obwohl sie mit am härtesten von der derzeitigen teilweisen Vollsperrung der Grimmschen Hauptstraße betroffen ist. Wie ein Bollwerk teilt die Baustelle zwischen Schlossgasse und Ortsausgang nach Kreischa den Ort. Wer im Zentrum wohnt und in Bärbel Geisdorfs Gärtnerei in der Grimmschen Hauptstraße 5 will, der muss derzeit einen zehn Kilometer langen Umweg über Lungkwitz und Hausdorf fahren. Denn 100 Meter ortseinwärts hinter ihrem Grundstück beginnt die Baustelle. Der einzige direkte Zufahrtsweg zur Gärtnerei – gekappt. „Wer fährt aber schon 15 oder 20 Minuten mit dem Auto für einen Strauß Blumen?“, fragt die Gärtnerin leise. Sie kennt die Antwort. Denn schon jetzt, nach gut eineinhalb Monaten Bauzeit, kann sie diese am Geldbeutel ablesen: „Die Umsätze sind merklich zurückgegangen, seit die Baustelle da ist.“

Kunden von Gewerbetreibenden wie Bärbel Geisdorf (links) und Grit Petersohn können Reinhardtsgrimma und die Geschäfte in der Bauzeit erreichen.
Kunden von Gewerbetreibenden wie Bärbel Geisdorf (links) und Grit Petersohn können Reinhardtsgrimma und die Geschäfte in der Bauzeit erreichen. © J. Jannke

Für ein paar Wochen weniger Umsatz überbrücken, wäre für Bärbel Geisdorf zu verkraften gewesen. Doch allein die Sanierung des ersten, rund 420 Meter langen Teilstückes zwischen Kirchberg und Ortsausgang Kreischa wird nach Auskunft des sächsischen Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) bis August 2017 dauern. In fünf Teilabschnitten wird die Baustelle in diesem Bereich weiterwandern. Es ist diese lange Zeitspanne, die Bärbel Geisdorf Sorgen macht. Alternative Absatzwege gibt es für sie nicht, denn sie bewirtschaftet die Gärtnerei allein. „Im Moment kommt man maximal zu Fuß zu mir durch.“ Schwere Blumenkübel wollten aber die wenigsten durch die aufgerissene Straße balancieren. „Anfangs konnte man noch durch die Baustelle durchfahren, da ging es noch. Aber jetzt ist alles dicht.“ Trotzdem verhielten sich die Baufirmen im Einzelfall ausgesprochen kooperativ.

Ort ist weiter erreichbar

Nicht nur Bärbel Geisdorf bekommt die Auswirkungen der Straßensanierung zu spüren. Auch Grit Petersohn beobachtet, dass Kunden wegbleiben. Ihr Fotogeschäft liegt auf der anderen Seite der Baustelle, in der Grimmschen Hauptstraße 61. „Immer öfter habe ich von Kunden zu hören bekommen, dass man ja jetzt gar nicht mehr zu mir gelangen könne, weil der Ort dicht sei“, berichtet die Fotografin. Das Wort „Vollsperrung“ in den Medien habe viele verunsichert. Tatsächlich ist derzeit nur ein vergleichsweise überschaubares Stück der Grimmschen Hauptstraße gesperrt (siehe Karte unten). Sowohl von Cunnersdorf, von Hirschbach als auch von Niederfrauendorf aus ist Reinhardtsgrimma problemlos zu erreichen. Lediglich in bzw. aus Richtung Hausdorf/Kreischa ist die Straße dicht. „Die Leute sollen wissen, dass wir nicht von der Außenwelt abgeschnitten sind“, wünscht sich Grit Petersohn.

Damit, dass die Straße saniert und teilweise gesperrt werden muss, haben sich beide Frauen wie auch die meisten Anwohner abgefunden. „Ich bin wirklich froh, dass hier endlich Fußwege gebaut werden“, lobt Bärbel Geisdorf. Vorher war die gewundene Straße vor allem für Schüler und ältere Menschen ein Risikofaktor. „Der Oberbau der S 183 ist verschlissen und bedarf eines grundhaften Ausbaus“, ergänzt Sprecherin Isabel Siebert vom Lasuv auf SZ-Anfrage. Auch vier neue Stützmauern müssen errichtet sowie ein neuer Regenkanal und neue Leitungen verlegt werden. Rund 1,1 Millionen Euro nimmt der Freistaat dafür in die Hand, weitere 400 000 zahlt der Landkreis, 170 000 übernimmt die Stadt Glashütte. Bauamtsleiter Mario Wolf sieht die Probleme der Anlieger und Händler derweil als immer wiederkehrende Erscheinung, wo immer belebte Straßen über längere Zeiträume gesperrt werden müssen. „Trotzdem ist es besser, wir ziehen das jetzt richtig durch, als eine halbgewalkte Lösung anzubieten“, so Wolf. Und letztlich profitierten auch die Händler langfristig von der Aufwertung.

Unterstützung seitens der Stadt gibt es für Betroffene wie Bärbel Geisdorf nicht: „Das hat man mir sehr deutlich gesagt.“ Andere müssten das auch ertragen, habe es geheißen. Das Lasuv argumentiert zudem, dass man die 420 Meter lange Sanierungsstrecke bereits in fünf Teilabschnitte eingeteilt habe, um die Länge des jeweils gesperrten Stückes und damit die Unannehmlichkeiten für die Anwohner so gering wie möglich zu halten. „Das zieht die sehr lange Bauzeit nach sich und erhöht damit auch die Baukosten.“ Für Bärbel Geisdorf heißt das durchhalten – bis zur Fertigstellung der ersten Bauphase im Sommer nächsten Jahres. Anders als die Anwohner unmittelbar an der Baustelle bleibt sie wenigstens von Lärm und Schmutz verschont. In den nächsten Jahren steht dann allerdings noch die Sanierung des oberen Abschnittes der Ortsdurchfahrt an.