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Kater frisst Katze

Ein Mann ließ mindestens zwei Stubentiger in seiner Wohnung in Klingenberg verhungern. Aber ist er überhaupt schuldfähig?

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© dpa

Von Stephan Klingbeil

Klingenberg. Der Gestank soll beißend gewesen sein. Maler waren im Februar dieses Jahres in einem Wohnhaus in Klingenberg unterwegs. Sie wunderten sich an jenem Wintertag über den Geruch, der aus der Wohnung eines Mieters kam. Die Polizei wurde alarmiert. Die Beamten machten kurz darauf einen grausigen Fund. In der verwaisten Dachgeschosswohnung lagen ein toter Kater und Überreste von mindestens einer Katze. Nur noch Fell und Knochen waren übrig. Die Tierleichen verwesten bereits.

Der ehemalige Mieter der Wohnung, ein 46 Jahre alter Deutscher, der inzwischen in Pirna lebt, musste sich am Mittwoch wegen seiner toten Katzen am Amtsgericht in Dippoldiswalde verantworten.

Dem wortkargen Mann, Typ Eigenbrötler, werden dort Vergehen gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen. Er soll die Katzen verhungert haben lassen. Darüber hinaus hatten die Tiere auch kein Wasser bekommen , rund sechs Wochen lang.

Die Anklage geht davon aus, dass der gelernte Maurer, der momentan von Hartz IV lebt, sich nicht um seine Haustiere gekümmert habe. Der Beschuldigte soll sie demnach Ende Dezember 2015 das letzte Mal versorgt haben. In den nachfolgenden Wochen hatten die Tiere nichts zu essen und nichts zu trinken.

Laut der vom Gericht bestimmten Sachverständigen, der Amtstierärztin Benita Plischke, würden Katzen wohl höchstens zwei Wochen ohne Futter überleben – und ohne Wasser vermutlich gerade einmal die Hälfte der Zeit. „Grundsätzlich hätten sie jeden Tag mit Nahrung und Wasser versorgt werden müssen“, sagt sie vor Gericht.

Wie lange die beiden etwa zwei Jahre jungen Tiere schließlich noch überlebt haben, ist ungewiss. Laut Staatsanwaltschaft ist sicher, dass der Kater das andere Tier gefressen hat – Kannibalismus unter Katzen.

Der Vorwurf nun: Der Angeklagte habe die Katzen getötet, weil er es unterlassen hat, die Tiere zu füttern. „Einsperren und verhungern lassen – das geht nicht, das ist etwas ganz Schlimmes“, erklärt Richterin Daniela Höllrich-Wirth. Bis zu drei Jahre Haft kämen für derartige Fälle infrage. Darüber hinaus könnte man darüber nachdenken, dem Beschuldigten ein lebenslanges Tierhaltungsverbot zu erteilen.

Unzufrieden mit sich und der Welt

„Warum haben Sie sich nicht an ein Tierheim, an Bekannte oder Verwandte gewandt, die sich um die Tiere hätten kümmern können?“, fragt die Richterin den Angeklagten. Der 46-Jährige konnte sich nicht wirklich einen Reim darauf machen. „Ich habe Scheiße gebaut, das tut mir leid“, bedauert er. Er hätte die Katzen vergessen.

„Ich war damals nicht so richtig bei mir.“ Richtig unzufrieden mit sich und der Welt sei er gewesen. Und er habe schon länger nicht dauerhaft in seiner damaligen Klingenberger Wohnung gelebt, erklärt er.

Mal übernachtete er bei seinen Eltern in Freital, mal draußen ohne Obdach oder bei Bekannten. Im vorigen Dezember hätte er seine Tiere noch zweimal pro Woche gefüttert, versichert der Angeklagte. Dann kam er nicht mehr in die Wohnung zurück – und die Katzen verendeten schließlich, bis sie Mitte Februar gefunden wurden.

Womöglich ist auch noch eine dritte Katze in der Klingenberger Wohnung gestorben. In der Anklage kam sie nicht vor. Der Beschuldigte sprach aber am Mittwoch von drei Katzen – den beiden jüngeren Stubentigern und einem 13 Jahre alten Tier.

Die Gründe für sein Nicht-Handeln ließen sich am Mittwoch nicht wirklich erschließen. Drogen und Alkohol konsumiere der Angeklagte nicht, wie er betont. Jedoch sei er in psychologischer Behandlung – wie sich im Prozess herausstellte. Einmal pro Monat gehe er zu einem Fachmann.

Das Gericht will daher noch klären lassen, ob der 46-Jährige überhaupt schuldfähig ist. Der Mann muss sich nun durchchecken lassen von einem Experten. Bis der Gutachter dann Aussagen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten machen kann, wird die Verhandlung unterbrochen. Wann der Prozess fortgesetzt wird, ist noch ungewiss.