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Karneval an der Elbe mit Götteraufzug und Gauklerfest

Vor mehr als 300 Jahren vergnügte sich August der Starke beim närrischen Treiben. Später gab es große Umzüge. Jetzt führt das Fest ein Schattendasein.

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© Sammlung Naumann

Von Ralf Hübner

Die Dresdner Karnevalisten fiebern den Anfang Februar beginnenden Faschingsbällen entgegen. Im Ballhaus Watzke und dem Gasthof Weißig sollen dann vier Veranstaltungen über die Bühne gehen. Karten seien noch erhältlich, wie es heißt. „Der Karneval in Dresden ist klassischer Saalfasching“, sagt der Präsident des Dresdner Carneval Clubs (DCC) Michael Thiele. Der DCC war 1979 als Betriebskarnevalsklub gegründet worden und hatte sich 1990 selbstständig gemacht. Karneval habe es in Dresden schwer, sagt Thiele.

Das war nicht immer so. Schon 1553 hatte Kurfürst Moritz allen Untertanen ein mehrtägiges Karnevalsfest verordnet, das sich vor allem zwischen Altmarkt und Schloss abspielte. Vor allem aber erwies sich August der Starke (1699–1763) als ausgewiesener Liebhaber karnevalistischer Vergnügungen. Die ersten Karnevalsfestlichkeiten mit „Götteraufzug“ sind vom Februar 1695 überliefert. Der Kurfürst erschien als Götterbote Merkur und seine damals aktuelle Herzdame Aurora von Königsmarck zeigte sich in Anspielung auf ihren Vornamen als Göttin der Morgenröte. Die Herrschaften amüsierten sich bei Damenringrennen, Pferdeballett und Quadrillen im Amphitheater, dem Vorgängerbau des Zwingers. Beim einem karnevalistischen Umzug 1697 verkleidete sich August als Alexander der Große und ließ so politische Ambitionen durchblicken.

In die Geschichte eingegangen ist auch der Karneval von 1728. Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. und Kronprinz Friedrich, der später der Große genannt wurde, waren eigens wegen der Feiern auf Staatsbesuch. Ihnen muss die Stadt wohl wie eine andere Welt erschienen sein. Glich Berlin eher einer Kaserne, war Dresden eine Stadt im Rausch. Für den 16-jährigen Kronprinzen soll das Ereignis zudem mit amourösen Entdeckungen verbunden gewesen sein. So soll er sich über beide Ohren in die Gräfin Orzelska verliebt haben, eine uneheliche Tochter Augusts. Dieser bot ihm statt ihrer die wohlgeformte Gräfin Formera an, die ihn der Legende nach ins Liebesleben eingeführt hat. Die Orzelska bekam Friedrich dennoch. Sie wurde dessen Freundin und vermutlich auch Geliebte.

Mehr als 100 Jahre später wurde in Dresden an allen Ecken Karneval gefeiert. Allerdings ging es damals streng reglementiert zu. Vergnügungsausschüsse diverser Vereine inszenierten die Vergnügungen in trauter Runde, nur für Vereinsmitglieder und deren Ehepartner. Die erotische Ausstrahlung hielt sich in Grenzen. Die Damen erschienen in hoch geschlossenen Kostümen. Der 11.11. als Saison-Auftakt spielte noch keine Rolle und die Elferräte waren nicht entdeckt.

Doch noch vor dem Ersten Weltkrieg erlebte die Stadt Umzüge von fast rheinländischen Dimensionen. Von Künstlerkreisen initiiert wird das Gauklerfest zum Karnevalsereignis. Was Rang und Namen hat, stürzt sich in den Trubel, selbst der Hof lässt sich sehen. In den 1920er-Jahren lockern sich die Sitten weiter, wüste Orgien werden für das Faschingsfest typisch.

Auch während des Nationalsozialismus wollen die herrschenden Kreise den Karneval am Leben erhalten. Als sie 1935 versuchen, wieder eine Faschingsparade auf die Beine zu stellen, geht das ziemlich daneben. „Was wir heuer in dieser Beziehung erlebt haben, das war kläglich“, ätzt die Presse. Ein zweifelhaftes Ungetüm habe sich durch die Straßen gewälzt, jämmerliche Seufzer ausstoßend. „Die Zuschauer starrten verständnislos auf die reichlich witzlose Gesellschaft.“

Mitte der 1950er-Jahre lässt die Hochschule für Bildende Künste in der Güntzstraße die Traditionen des Gauklerfestes wieder aufleben. Einige Titel von damals: „Gauklerfest auf dem Olymp“ (1956), „Gauklerfest in Somnambula“ (1957), „Gauklerfest in Babylona“ (1958) – jeweils drei tolle lange Nächte in den effektvoll dekorierten Räumen mit meist kabarettistischen Programmen. Die Eintrittskarten waren gewöhnlich im Handumdrehen vergriffen. Das Ganze bot hinreichend Gesprächsstoff für die ganze Stadt.

In den Fünfzigern gab es auch Umzüge. Die Parade von 1955 wird jedoch ein mit Häme bedachter Reinfall. Zwar säumen weit mehr als 1 000 Schaulustige die zerstörte Prager Straße. Sie sehen zwei mickrige Kremser und die Herren vom Elferrat mit todernsten Gesichtern.

Augusts wirkt bis heute nach und muss als Begründung herhalten, dass die Dresdner Karnevalisten ohne Prinzenpaar auskommen müssen. Dieser habe sich nicht selten als Bürger verkleidet, erklärt Thiele. Weil aber niemand im Rang über ihm stehen durfte, sei es den Sachsen verboten gewesen, sich als Prinz oder Prinzessin zu verkleiden. Dabei sei es geblieben..