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Kapitän ohne Schiff

Die Weiße Flotte legt am Maifeiertag zur Parade mit 3 500 Passagieren ab. Warum dabei ein Dampfer fehlt.

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© René Meinig

Von Christoph Springer

In Laubegast überkommt André Zobel die Wehmut. Jedes Mal, wenn er an der Werft vorbeifährt. Dann sieht er ans Ufer und wünscht sich, dass sein Schiff bald wieder Wasser unter den Kiel bekommt. Seit September liegt es auf dem Trockenen und bis Mitte August geht das so weiter. Fast ein Jahr muss der 49-Jährige ohne seinen Dampfer auskommen, denn die Reparaturarbeiten an der Pillnitz dauern deutlich länger als geplant.

André Zobel ist Dampferkapitän. 2006 hat er das Kommando auf dem 132 Jahre alten Schiff übernommen. Seit mehr als einem halben Jahr stand er mittlerweile nicht mehr am Steuer, denn sein Dampfer ist kaputt. Er braucht einen neuen Unterbau für die Maschine. Doch das schwere Bauteil muss von Hand angefertigt werden. Der erste Versuch schlug fehl, die hohle Metallkonstruktion war nicht dicht, jetzt läuft der zweite. Zobel hofft, dass es dieses Mal funktioniert. „Schlimm, dass das nicht geklappt hat“, sagt der Freitaler. „Ich wär‘ schon lieber auf meinem Schiff.“

Der 49-Jährige hat das Binnenschiffer-Handwerk bei der Weißen Flotte gelernt. Seit fast 31 Jahren ist er jetzt auf der Elbe unterwegs. Zurzeit arbeitet er als Springer, übernimmt das Kommando also immer auf dem Schiff, auf dem gerade ein Chef gebraucht wird. Am 1. Mai ist das die Krippen. Dieser Tag ist ganz besonders, denn dann fahren alle Schiffe zusammen vom Terrassenufer bis Pillnitz und zurück. Seit 1994 gibt es diese Parade zur Saisoneröffnung. Seit Zobel das Kommando auf der Pillnitz hat, war sein Schiff stets dabei, sogar mal an erster Position, als ein runder Geburtstag seines Dampfers gefeiert wurde.

„Man ist schon angespannter als auf dem eigenen Schiff“, beschreibt er seine Arbeit als Aushilfe für alle Dampfer und die zwei großen Motorschiffe der Flotte. Auf der Krippen muss er sich zum Beispiel an ein anderes Steuer gewöhnen. „Das ist ein kleiner Hebel, auf der Pillnitz ist es ein Joystick“, erklärt der 49-Jährige. Dazu kommt, dass jeder Maschinist ein wenig anders fährt.

Funktioniert ein Anlegemanöver nicht perfekt, weil der Mann im Bauch des Schiffs und der Chef auf der Brücke nicht ganz genau wissen, was sie voneinander erwarten können, kann das für Zobel peinlich werden. „Ich stehe ja da oben“, erklärt er die Position, von der aus er die Anlegemanöver steuert, „ich werde gesehen“. Der Freitaler hofft, dass am 1. Mai alles glatt geht. Immerhin: Er springt nicht zum ersten Mal als Schiffsführer auf dem Dampfer Krippen ein.

Die Dampferparade am 1. Mai ist ein Höhepunkt für die Flotte. Die Schiffe legen um 10 Uhr ab. Etwa 20 Minuten dauert es, bis sie zwischen Augustusbrücke und Carolabrücke aufgereiht sind, jeweils zwei Dampfer nebeneinander. Nur bei Niedrigwasser gibt es einen „fliegenden Start“, erklärt Zobel. Dann fährt jedes Schiff direkt von der Anlegestelle an seinen Platz in der Dampferparade. Etwa 11 Uhr erreichen die Schiffe Blasewitz. Weitere 40 Minuten später muss André Zobel wieder tapfer sein. Dann dampft er mit der Krippen an seinem Schiff in der Werft vorbei. Dort ist dieses Jahr zur Dampferparade trotz des Feiertags richtig Betrieb. Auf der Wiese direkt am Elbufer feiern die Ehrengäste der Flotte, die eigentlich auf der Diesbar mitgefahren wären. Sie müssen dieses Mal mit einem Zuschauerplatz am Ufer vorliebnehmen. Ihre Plätze auf der Diesbar haben die Dampfschiffliebhaber bekommen, die eigentlich auf der Pillnitz mitfahren sollten.

Kurz nach 12 Uhr drehen die ersten Schiffe nahe Schloss Pillnitz, 20 Minuten später bei der Rückfahrt zum Stadtzentrum kann Zobel seinen Dampfer das zweite Mal grüßen.

Karin Hildebrand geht davon aus, dass zur Parade alle Plätze auf den Schiffen besetzt sind. Rund 3 500 Passagiere fahren mit, sagt die Flottenchefin. Am Freitag gab es gerade noch zwei Dutzend Tickets für die Tour am 1. Mai.

Hildebrand hofft, dass die Zahl der technischen Pannen bei der Flotte in diesem Jahr möglichst niedrig ist. Denn die lange Werftpause der Pillnitz bedeutet, dass sie kein Ersatzschiff hat, sollte ein anderer Dampfer ausfallen. „Wenn es relativ gut läuft, kann ich das verkraften“, meint die Geschäftsführerin. Es sei bedauerlich, dass die Reparatur so lange dauert, „aber wir haben besondere Schiffe und die Ersatzteile sind Maßanfertigungen.“

André Zobel versucht unterdessen, die extralange Fahrtpause seines Dampfers für zusätzliche Verbesserungen zu nutzen. So sollen jetzt auch die Hilfsdiesel ausgetauscht und Säulen erneuert werden, die das Dach über dem Gang rund um das Schiff tragen. Hauptsache ist aber, dass die Maschine fertig wird. Denn am 18. August, bei der Parade zum Dampfschifffest will er auf jeden Fall wieder dabei sein. Am Steuer seines Stamm-Dampfers, der Pillnitz.