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Kampf gegen die Sucht

In Schöpstal gibt es Arbeit für Suchterkrankte. Geld bekommen sie nicht mehr. Trotzdem wollen viele mitmachen.

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© C. Junghanß

Von Constanze Junghanß

Jimi ist fast ein Therapiehund. Zusammen mit Claudia Gebhardt inspiziert er den Garten. Kartoffeln wurden gesteckt, Erdbeeren gepflanzt, Beete für weitere Aussaaten vorbereitet. Die Heilpädagogin zieht mit den Armen einen großen Kreis: „Das haben alles die Teilnehmer von unserem Alkanti-Projekt gemacht“, sagt die 30-Jährige. Alkanti ist ein Arbeitsprojekt für suchtkranke und suchtgefährdete Menschen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt vor sieben Jahren durch eine enge Kooperation zwischen dem Jobcenter Görlitz sowie der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle. Ziel des Projekts ist es, die Betroffenen bei ihrem Wiedereinstieg in das Erwerbsleben zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam Wege aus ihrer Sucht zu suchen und zu finden.

In Ebersbach befindet sich nunmehr seit genau zwei Jahren der Sitz des Projektes mit insgesamt sieben Mitarbeitern. Träger ist die Sozialteam Soziotherapeutische Einrichtungen für Sachsen gemeinnützige GmbH. Und Jimi, der kleine Hund, ist immer mit dabei. Bei den Teilnehmern ist der Vierbeiner sehr beliebt. Er lässt sich gerne kraulen. Auch bei so manchem Erstgespräch ist der Hund mit dabei. Das nimmt ein bisschen die Scheu vor dem Reden. Auch Mara L.* streichelt Jimi, bevor sie zu sprechen beginnt. „Fast 20 Jahre habe ich getrunken, eigentlich nur am Wochenende“, erzählt die dreifache Mutter. Doch dann in großer Menge. Pro Abend bis zu einer Flasche Schnaps und zwei Papppackungen Wein. Die ersten drei Tage der neuen Woche brauchte die Frau mit den großen grünen Augen dann zunächst einmal, um halbwegs wieder auf die Beine zu kommen. Drei Jahre sei sie schon mal trocken gewesen, erzählt sie. Und in den Schwangerschaften trank sie gar keinen Alkohol. Das betont die Görlitzerin. Trotzdem: Leberzirrhose. Festgestellt vor sechs Jahren. Eine Hepatitis und vermutlich auch der Alkohol verursachten diese Erkrankung, sagt sie. Doch nicht die schwere Krankheit lässt sie nun einen Schlussstrich unter die Droge ziehen.

Von der Jugend an reingerutscht

Es sind ihre Kinder, wie Mara L. leise erzählt. Die liebe sie über alles und sie möchte einfach besser für sie da sein. Ihr erstes Kind wuchs bereits in einer Pflegefamilie auf. Das möchte sie den Jüngeren ersparen. Sie rührt den Kräutertee im Besprechungsraum mit dem gemütlichem Sofa um. Einen Auslöser für das Trinken habe es nicht gegeben. „Vielmehr reingerutscht von Jugend an.“ Party machen war angesagt. Und da gehörten Bier, Wein und Schnaps immer mit dazu. Getrunken wurde auch nicht in der Kneipe. Sondern zu Hause. September 2016 die Entgiftung im Krankenhaus, im Anschluss die stationäre Kur in Bad Liebenwerda, der Weg in die Selbsthilfegruppe. Die 40-Jährige meint es ernst, will die Sucht überwinden.

Mara L. muss jeden Morgen bei Alkanti ins Röhrchen pusten. So, wie alle anderen auch. 0,0 Promille bei ihr. „Das ist nicht bei jedem hier der Fall“, sagt Claudia Gebhardt. Restalkohol vom Abend schlägt bei langjährigem Missbrauch am nächsten Morgen noch zu Buche. Oder dann, wenn zu tief ins Glas geschaut wurde. Swetlana R. arbeitete früher als Rechstanwaltsgehilfin. „Seit Jahresanfang weiß ich, dass ich Diabetes habe. Nun darf ich nichts mehr trinken“, erzählt sie. Bedauern klingt in ihrer Stimme, dass sie aufhören muss. Ihr schmeckt der Alkohol einfach. Einen anderen Grund gebe es nicht für den Konsum. Eigentlich sind die Frauen bei Alkanti in der Minderheit. Mehr Männer kommen. Sie sind schweigsamer. Reden wollen sie nicht, stehen vom Tisch auf und gehen. Nur einer bleibt kurz sitzen. „Warum ich gesoffen habe? Der Staat ist da dran schuld“, sagt er. Im Gehen seine Erklärung dazu: Seit der Wende keine Arbeit, hangeln von einem ABM-Job zum anderen. „Schade, dass es das nicht mehr gibt“, ruft der Mann noch und schließt die Tür. Zwei Drittel der Teilnehmer kämpfen gegen den Alkoholmissbrauch, das andere Drittel ist von Drogen wie Crystal und anderen abhängig.

Für 15 Teilnehmer ist Platz

Vier Neue sollten eigentlich da sein. Doch nur zwei von ihnen tauchten auf. Das passiert immer wieder mal. Claudia Gebhard hebt bedauernd die Schultern: „Wir werden mit den Leuten Kontakt aufnehmen und nachfragen, warum sie nicht mit hier sind.“ Platz ist bei Alkanti für 15 Teilnehmer. Neben der Arbeit im Garten werden zum Beispiel die Möbel für das Haus in der Werkstatt hergestellt, Mittag essen gekocht, Wände im Gebäude verputzt.

Jetzt entstehen Löschhäuser

Ein für die Öffentlichkeit nutzbarer Tagungs- und Konferenzraum befindet sich im Aufbau. Für den Hort in Schöpstal wurde kürzlich eine schicke Holzspielbude gebaut. Jetzt entstehen Löschhäuser für Jugendfeuerwehren. Das Material spendet ein regionales Unternehmen. Geld gibt es keins für die Teilnehmer. Nicht mehr, wie Frau Gebhardt sagt. Bis zum Vorjahr galt die Maßnahme noch als Ein-Euro-Job. Das Jobcenter vermittelt die Teilnehmer auch zur Arbeitserprobung für einen zweimonatigen Kurs. Oder für die Stabilisierung über sechs Monate. Dafür wird ein Zuweisungsschein über das Amt ausgestellt. Wer mitmacht, wird von einem Treffpunkt abgeholt oder bekommt die Fahrtkosten erstattet. „Ich fühle mich gut aufgehoben hier“, sagt Mara L. Ihr Traum: Dem Alkohol für immer die kalte Schulter zu zeigen und eine feste Arbeit zu finden.

* Die Namen sind der Redaktion bekannt.

Am 15. September gibt es einen Tag der offenen Tür bei Alkanti in Ebersbach, Hauptstraße 3, Schöpstal,  03581 7615898.