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Kamenzer Judoka im Notquartier

Der PSV musste seine Halle für Flüchtlinge räumen. Gestern startete das Training am BSZ. Mit hohem Matten-Aufwand.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Uff! Das war anstrengend. Gestern startete endlich das Training des Polizeisportvereins Kamenz wieder. Dankenswerter Weise in der Halle des Berufsschulzentrums. Ausgerechnet die Kleinsten mussten für den Trainingsstart um 16 Uhr die Matten auslegen. Die Knirpse zwischen 6 und 10 Jahren gerieten ordentlich ins Schwitzen. 216 quadratmetergroße Matten kamen auf den Hallenboden. In genau 24 Minuten. „Da können wir die Erwärmung wegfallen lassen“, sagt Anne Neumann-Novak. Verstärkt durch Ivonne Klawitter und Ralf Seifert – allesamt Schwarzgürtel-Träger – leitet sie das Training der Jüngsten. Montags bis 17.30 Uhr hat sie Zeit dafür. Danach kommen Ältere. Die müssen die Matten bis 19 Uhr wieder weggestapelt haben. Selbst, wenn das deutlich schneller gehen wird als das Auslegen bei den Kleinsten, ist klar: Der PSV Kamenz ist angekommen – in seinem Notquartier.

Die Matte liegt, das Training in der Kamenzer BSZ-Halle beginnt. Sandra Heinrich führt eine perfekte Judorolle vor. Die Neunjährige ist immerhin Bezirksmeister ihrer Altersklasse.
Die Matte liegt, das Training in der Kamenzer BSZ-Halle beginnt. Sandra Heinrich führt eine perfekte Judorolle vor. Die Neunjährige ist immerhin Bezirksmeister ihrer Altersklasse. © René Plaul

„Das kann nur eine vorübergehende Lösung sein“, meint Manja Heinrich. Die Mutti hat ihre Tochter Sandra von Bernbruch zum Training gefahren. Die Neunjährige ist immerhin Bezirksmeister im Judo ihrer Altersklasse, trägt stolz den Gelben Gürtel. An diesem Montagnachmittag als Einzige ihrer Gruppe. Ihr Bruder Tobias (12) hat sogar schon Orange um die Taille. Er ist erst Dienstag mit dem Training dran, hat aber schon mal bei der Schwester mit rein geschaut. Und beim Mattenlegen kräftig geholfen. „Von Bernbruch bis in den Siedlungsweg zu kommen, war viel leichter gewesen“, sagt die Mutti. „Jetzt müssen wir das irgendwie anders organisieren – im Dreischichtsystem.“ Sie ist trotzdem froh, dass es nun überhaupt weitergeht mit dem Polizeisportverein.

Die 220 Judoka des PSV – darunter 150 Kinder und Jugendliche – waren vor knapp zwei Wochen aus ihrer angestammten Trainingshalle am Siedlungsweg verbannt worden. Wegen der urplötzlichen Einrichtung eines Erstaufnahme-Notquartiers für Flüchtlinge, zumeist aus dem Kosovo (die SZ berichtete). Die zuständige Freistaat-Behörde, die Landesdirektion Dresden, hatte über den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien-- und Baumanagement, dem die Halle gehört, im Kontakt mit dem völlig überrumpelten Judokas auch schwere juristische Geschütze auffahren lassen – z.B. „Nutzungsunterlassung“ oder „Zwangsräumung“. Das vor allem hatte die Gemüter in Kamenz erregt, wie auch die Tatsache, dass die Stadtspitze erst verspätet über die völlig unverschuldete Notlage eines wichtigen städtischen Vereins ins Bild gesetzt worden war. OB Roland Dantz: „Nur einen halben Tag eher hätten wir genug Zeit gehabt, um deutlich unaufgeregter eine Interimslösung für das Training der Kinder und Jugendlichen zu suchen.“

Sie wurde im Schulterschluss mit dem Landkreis zügig gefunden. Seit gestern kann der PSV fünf Trainingszeiten in der Woche in der BSZ-Sporthalle an der Hohen Straße absichern. „Das hilft uns. Aber nicht auf Dauer.“ PSV-Präsident Thomas Santruschek sieht nach wie vor viele Fragen ungeklärt. Die Abteilung Kraftsport hat ihre teure Fitnesstechnik auseinandergebaut und vorübergehend in der Statistik eingelagert. „Zum Glück gibt es das Angebot von Tomogara, sodass wir die dortige Technik mitnutzen können.“ Auch die Vorschulgruppe wurde, ohne große Mattenauflage übend, inzwischen immer sonnabends ebenfalls in der BSZ-Halle untergebracht. Noch keine Lösung gibt es für den Reha-Sport. Und auch die Polizeiausbildung ist nach wie vor offen. „Dazu bräuchte es natürlich eine permanent liegende Matte und keine, die ständig auf und abgebaut werden muss.“ Santruschek und sein Team hoffen nun, dass das Wort des Innenministers gilt. „Bis zum Sommer sollen wir unsere Halle ja wieder nutzen können.“

Zunächst gelten Gastrechte und -pflichten, vollkommen klar. Und in der BSZ-Halle, die erst vor einigen Jahren saniert wurde, ist alles schick und manches anders. Mutter Manja Heinrich: „Die erste Einweisung des Hausmeisters haben wir schon hinter uns. Ganz wichtig: In den Umkleidekabinen dürfen keine Deo-Sprays verwendet werden.“ Warum das denn? Weil sonst die Brandmeldeanlage auslöst! Ach so ...