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Kalkzüge wirbeln Staub auf

Immer wieder verloren Güterwaggons die staubige Ladung und nebelten die Anwohner in Stauchitz ein. Mittlerweile fahren die Züge nicht mehr. Und doch sind die Problem nicht beseitigt.

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Von Robert Reuther

Plötzlich ist sie dagewesen. Wie eine weiße Wand. Eingehüllt von einer Kalkwolke sitzt Georg Menzel in seinem Garten hinter seinem Haus in Stauchitz. An an einem eigentlich lauen Sommerabend hat er seine Freunde eingeladen, zu gegrillten Würstchen, Steaks und selbst gemachtem Kartoffelsalat. Mit einem Schlag ist alles ungenießbar. An seinem Grundstück rauscht gerade ein Güterzug vorbei. Die Lok zieht 28 offene Waggons hinter sich her, die voll mit Kalk sind. „Es war gruselig. Im Nu war alles weiß. Wir waren völlig orientierungslos. Unsere Nachbarn haben mir später erzählt, dass unser Haus in der weißen Wolke nicht mehr zu sehen war“, erinnert sich Georg Menzel an jenen 10. Juni.

Damals rollte der Kalkzug zum ersten Mal mit einer weißen Staubwolke durch Stauchitz. Und von da an ging es so oder so ähnlich im Zweitagesrhythmus, wie Georg Menzel erklärt. Irgendwann hat es ihm gereicht. Er wendete sich an die Bundespolizei, beschwerte sich bei der Bahn, erstattete Anzeige. „Der Kalk hat alles eingesaut. Der weiße Staub war einfach überall“, sagt der 61-jährige Rentner. Zentimeterhoch auf der Tischtennisplatte, auf dem Auto, den Mülleimern. Das Hausdach ist mit weißem Pulver bedeckt. Am schlimmsten habe die Wäsche ausgesehen. „Die bunten Sachen kamen nach erneutem Waschen völlig weiß aus der Maschine. So aggressiv ist der Kalk“, sagte Georg Menzel weiter. Seine Frau klagte über Atemprobleme, trotz der Schutzmasken, die Menzel inzwischen besorgt hatte. „Ich habe deswegen auch eine Anzeige wegen Körperverletzung gestellt. So etwas darf heutzutage einfach nicht wahr sein“, sagt der Stauchitzer. Gehört hat er auf die Anzeige hin jedoch bis heute noch nichts.

Immerhin eines hat er jedoch erreicht. Der Kalkzug darf mittlerweile nicht mehr fahren. Das bestätigte Kirstin Raschinsky, Sprecherin der Bundespolizei in Dresden, auf Nachfrage der SZ. „Es hat bereits mehrere Anzeigen wegen dieser Ordnungswidrigkeit gegeben, unter anderem auch beim Umweltamt Meißen“, sagt Kirstin Raschinsky. Daraufhin wurden sogenannte gefahrenabwehrende Maßnahmen durchgeführt. Sprich: den Betreibern wurde mit Hilfe des Eisenbahnbundesamtes untersagt, den Zug weiter durch die Gegend fahren zu lassen. „Das gilt vorerst für dieses Jahr. 2013 können die Züge wieder rollen, allerdings nur unter der strengen Auflage, dass die Waggons geschlossen sind, sodass die Staubwolken nicht mehr passieren können“, so Raschinsky.

Wieso der Zug überhaupt offen durch die Gegend gefahren ist, bleibt indes völlig offen. Gestartet ist er in den Ostrauer Kalkwerken. Die Berliner LOCON Logistik &Consultung AG hat den Düngerkalk nach Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern transportiert. Normalerweise werden die Waggons vor der Abfahrt bewässert. So bildet sich eine Kalkkruste, die Staubbildungen verhindert. Normalerweise. „Wieso das in diesen Fällen in Stauchitz nicht ausgereicht hat, versuchen wir nach wie vor herauszufinden“, sagt LOCON-Sprecher Julian Rösch.

Wer für das Ablöschen die Verantwortung trägt, darüber scheiden sich die Geister. Während im Ostrauer Kalkwerk eine Mitarbeiterin sagt, dass der Transporteur für den Transport die Verantwortung habe, erklärt LOCON-Vorstand Gunter Schulz gegenüber der Bild-Zeitung, dass der Verlader Kalkwerk die Ladung ablöschen muss. „Wichtig ist aber erst einmal, dass das Problem der Staubwolke gelöst ist“, sagt Julian Rösch. Wie es mit dem Zug weitergeht, sei zudem völlig offen. „Ob und wie wir die Transporte im nächsten oder übernächsten Jahr wiederaufnehmen, müssen wir mit allen beteiligten Firmen und den Behörden noch klären“, so Rösch.

Georg Menzel freut diese Nachricht. Sauer ist er allerdings immer noch. Der Schaden, den die Kalkwolke angerichtet hat, hätte ihm noch keiner ersetzt. Er hat Angst, was mit seinem Hausdach passiert. „Regen und Wärme lösen eine Reaktion aus, dass sich der Kalk in die Ziegel reinfrisst. Und unsere Klamotten konnten wir auch wegschmeißen. Ich denke, dass ein Schadensersatz angebracht wäre“, so Menzel.

Dass er welchen bekommt, danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. „Zu einer Entschädigung kann ich nichts sagen. Die Betroffenen sind noch nicht mit uns persönlich in Kontakt getreten“, sagt Julian Rösch. Gleich ist aus den Kalkwerk in Ostrau zu hören. Auch die hätten noch nichts von den Stauchitzern gehört.