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„Kaffeemühle“ verfällt

Harsche Kritik an der Behörde von Denkmalpflegechef Peter Mitsching: Diese setzt sich nicht einmal dafür ein, dass der derzeitige Zustand der kostbaren Villa gesichert wird

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© SZ/Archiv

Von Ingo Kramer

Das Treppenhaus im Lichthof ist der Hingucker schlechthin. In verschiedenen Brauntönen gestrichen, windet sich die Treppe mit dem kunstvoll verzierten Geländer vom Parterre bis hoch ins Dachgeschoss. Das Dach selbst könnte mal wieder eine Reinigung vertragen, damit noch mehr Licht nach innen gelangt. Und an den Wänden blättert die Farbe. Ansonsten aber präsentiert sich der Lichthof in einem guten Zustand – trotz acht Jahren Leerstands.

Die Villa auf der Schützenstraße.
Die Villa auf der Schützenstraße. © Pawel Sosnowski/80studio.net
Noch immer attraktiv trotz jahrelangen Leerstandes: das Treppenhaus im Lichthof der Villa.
Noch immer attraktiv trotz jahrelangen Leerstandes: das Treppenhaus im Lichthof der Villa. © Pawel Sosnowski/80studio.net

So lange ist es her, dass die Stadtverwaltung, der die Villa Schützenstraße 9 gehört, den Krippenbetrieb in dem Gebäude aufgegeben hat. Seither steht das Gebäude leer – und es vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht SZ-Leser anfragen, was die Stadt mit dem Gebäude vorhat. Erst kürzlich erreichte die Redaktion ein Brief von Peter Drechsel, einem Anwohner aus der Schützenstraße. „Als Nachbar sehe ich immer wieder, wie vorbeigehende Touristen den Kopf schütteln und sich über die ungepflegte Außenanlage und das immer mehr verwahrloste Gebäude wundern“, schreibt er – und wünscht sich, dass die Stadt Stellung nimmt, was sie mit dem Haus vorhat.

Dienstagmittag durfte sich die SZ in dem Gebäude umschauen, begleitet von zwei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung. Und siehe da: Von Vandalismus ist die Villa bisher verschont geblieben. Drinnen erinnern viele Details an die frühere Nutzung als Krippe: Es gibt noch kleine Toiletten- und Waschbecken, bunte Bilder an einigen Wänden und sogar einige Fotos von Kindergruppen, vermutlich aus der Zeit um 1989. Das Haus ist zum Großteil in einem guten Zustand – allerdings nicht durchweg. Das Dach ist an zwei Stellen undicht, sodass es im ersten Stock einregnet. Peter Drechsel ärgert das sehr: „Die Denkmalbehörde scheint es zurzeit nicht zu interessieren, dass wenigstens der derzeitige Zustand erhalten und gesichert wird.“

Der erste Stock ist mit seinen hohen Räumen und Fenstern sowie dem riesigen Balkon die repräsentative Etage der 1842 erbauten Villa der Fabrikantenfamilie Lüders. Im Volksmund hieß die Villa „Kaffeemühle“. Genaue Details aus Lüders’ Zeiten kennt Marina Trodler vom Liegenschaftsamt nicht. „Aber wir wissen, dass 1939 die Thüringer Versicherung Eigentümer war.“ Exakt 20 Jahre später ging die Villa ins Volkseigentum über – und wurde bald darauf zur Krippe. Das blieb sie bis etwa 2007 oder 2008. Seither hat die Stadt immer wieder abgewogen, ob eine Sanierung als Kita sinnvoll wäre. Zuletzt stand die Frage, ob sich beim Kinderhaus Sonnenschein am Lindenweg 7 eine Sanierung lohnen würde – oder ob diese Einrichtung vielleicht in die Schützenstraße umziehen könnte.

Erst Ende vorigen Jahres fiel verwaltungsintern die Entscheidung, dass die Kita nicht umziehen soll, sondern dass die Stadt in den Lindenweg investiert. Ex-Hochbauamtsleiterin Ute Prechel errechnete Kosten von bis zu 1,8 Millionen Euro, die für eine Komplettsanierung am Lindenweg 7 nötig wären. Bei der Schützenstraße 9 spricht Bürgermeister Michael Wieler jetzt von knapp zwei Millionen Euro. Vor allem diese Zahl ist es, die die Stadt davon abbrachte, die Villa zu sanieren. Dass sie als Kita groß genug wäre, steht außer Frage: Allein das Haupthaus hat 450 Quadratmeter Nutzfläche, hinzu kommen noch diverse Nebengebäude. Das herrlich grüne Grundstück drum herum misst 2 500 Quadratmeter. Hier sind noch Reste eines Sandkastens und diverse Spielgeräte erkennbar.

Ein Problem bei einer Sanierung als Kita sieht Marina Trodler allerdings in den heutigen Brandschutzanforderungen: „Das wäre alles eine Frage der Rettungswege und Ganggrößen.“ Allerdings hat die Stadt einen Kita-Bedarfsplan, und der besagt, dass keine zusätzlichen Einrichtungen nötig sind. Die jetzige Kapazität reicht aus. Deshalb will sie das Haus auch nicht mehr länger als Reserveobjekt behalten. „Wir haben uns jetzt dazu entschlossen, den Verkauf der Villa vorzubereiten“, sagt Marina Trodler. Das bestätigt auch Wieler. Die Stadt habe keine Vorstellungen, wie sie das Gebäude selbst nutzen könnte, sagt er.

Für den Verkauf sind Ausschreibungen und Beschlüsse nötig. Voraussichtlich im ersten Quartal des nächsten Jahres soll die Villa verkauft werden – verbunden mit einer Sanierungsauflage. Die künftige Nutzung hingegen kann und will die Stadt nicht vorgeben. „Es muss natürlich in die Gegend passen“, sagt Marina Trodler. Ein Nutzungskonzept werden die Kaufinteressenten auch mit einreichen müssen.

Anwohner Peter Drechsel dürfte das freuen. Er sieht die Villa als „Denkmal im Dornröschenschlaf“. Und er hofft auf einen „wachküssenden Prinzen“ in Form eines Investors. Der sollte schnell aktiv werden, bevor die Schäden weiter zunehmen.