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Kabelsalat

Weil die Telekom in Görlitz ein Netz abschaltet, baut Vodafone ein neues. Aber nicht überall. Da regte sich Kritik.

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© René Meinig

Von Ralph Schermann

Kann man einen verbindlich bis 2018 geschlossenen Versorgungsvertrag mal einfach so kündigen? Ein Hauseigentümer sagte Nein. Vodafone Kabel Deutschland sagte Ja. Der Hauseigentümer gewann.

Jahn-Peter Gnass ist ein in Hamburg wohnender Grundstücksverwalter, der in Görlitz die Dresdener Straße 5 besitzt. Dort hat er 2013 mit Kabel Deutschland einen Vertrag über Rundfunk- und Fernseh-Versorgung geschlossen. Der Kabelanbieter versprach „eine 24-Stunden-Hotline, einen Reparatur- und Wartungsservice bei gleichbleibenden Kosten.“ Bedingung war eine Mindestvertragslaufzeit von 60 Monaten.

Die ist erst im Juli 2018 rum. Doch das in Hannover ansässige Unternehmen Vodafone, in dem Kabel Deutschland mit allen bestehenden Verträgen aufgegangen war, schickte schon jetzt eine Kündigung: „Wir müssen Ihre TV- und Rundfunkversorgung über den Kabelanschluss ab 31. Dezember einstellen.“ „Nö“, sagte Jahn-Peter Gnass, „so geht das nicht.“ „Doch“, schrieb ihm Kundenberaterin Jasmin Gruber. Ihr sei bewusst, dass die Kündigung „sehr ärgerlich“ sei, doch es gäbe technische Gründe und keine andere Wahl, und damit bliebe die einseitige Kündigung wirksam.

Tatsächlich ist der Hintergrund dieser Kündigung gravierend: Vodafone betreibt überall in Ostdeutschland nicht nur eigene Kabel, sondern hatte sich umfangreich in das Opal-Netz der Deutschen Telekom eingemietet. Opal heißt optische Anschlussleitung, und die wurde Mitte der 90er Jahre verlegt. Mittlerweile ist dieses System nicht nur hoffnungslos veraltet, sondern für heutige Anschlüsse überfordert, und ein Vodafone-Sprecher bedauert vor allem: „Es gibt schon Engpässe bei der Ersatzteilversorgung. Manche benötigten Teile werden nicht mehr hergestellt.“ Auch für Vodafone kam da die Entscheidung der Telekom nicht unerwartet, dieses alte Versorgungsnetz abzuschalten. Damit hat nun Vodafone ein Problem. „Betroffen sind von der Abschaltung in Görlitz rund 400 Objekte“, informierte der Anbieter auf Nachfrage.

Freilich sind die bestehenden Verträge dennoch einzuhalten. Denn dem Kunden dürfte es egal sein, auf welche Weise sein Vertragspartner an die nötigen Kabel-Signale kommt. Das ist durchaus auch Vodafone bewusst: „Wir wollen natürlich, dass so viele Kunden wie möglich auch weiterhin eine lückenlose Versorgung bekommen“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens und erklärt, wie das gehen soll: „Wir überbauen Opal mit einem eigenen Netz.“ Und dann folgt der Zusatz, der Jahn-Peter Gnass zum Verhängnis geworden wäre: „Wir überbauen dort, wo das möglich ist.“

Den wortstarken Überbau kann man auch volkstümlicher ausdrücken: Vodafone legt neue, eigene Kabel in die Erde. Görlitzer Autofahrer merken schon seit geraumer Zeit, dass immer wieder solche Kabelbaustellen unverhofft zu Umleitungen führen. Da aber der Hamburger Immobilienbesitzer eine Kündigung bekam, scheint sein Haus Dresdener Straße 5 nicht zu jenen Objekten zu gehören, bei denen Vodafone ein Überbau möglich macht. Das aber sieht der Kabelanbieter anders: „Um mit einem eigenen Netz versorgen zu können, ist eine Grundstückseigentümererklärung zu unterschreiben. Die haben wir auch Herrn Gnass zugeschickt, aber er hat sie nicht unterschrieben.“ Überhaupt sei der Hamburger der einzige Görlitzer Hauseigentümer, der sich gegenüber Vodafone kritisch zu der Situation geäußert habe. Dennoch pocht dieser auf sein Recht. Denn: „Ich habe nirgendwann Post bekommen, dass ich eine Erklärung unterschreiben soll. Die ist meines Erachtens auch überflüssig, denn wir haben einen gültigen Vertrag.“ Und ein Kündigungsschreiben, in dem Vodafone schwarz auf weiß für die Dresdener Straße 5 erklärt: „Ein Netzneubau in diesem Gebiet ist wirtschaftlich nicht darstellbar.“

Nun ist es das aber doch. Auf Nachfrage bemerkte die Vodafone-Sprecherin, sich kulant zeigen zu wollen. Nach Unterschrift auf einer erstmals oder erneut – je nach Sicht der beteiligten Seiten – zugeschickten Eigentümererklärung versicherte Vodafone, auch die Dresdener Straße 5 mit ihrem neuen Netz zu bedenken, ohne dass dafür Kosten anfielen. Jahn-Peter Gnass bestätigte, mit Vodafone dafür ab 2017 einen neuen Vertrag abgeschlossen zu haben. Der Rest, sagt er, sei Hoffnung: Nämlich darauf, dass Vodafone die Versorgung seiner Mieter nicht wieder in Frage stellt.