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Junge Esten investieren Millionen

Die Firma Skeleton aus Estland will ab 2017 in der Großröhrsdorfer Schüco-Halle Hightechspeicher bauen. Auch für die Raumfahrt.

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© Eiko Kink

Von Reiner Hanke

Großröhrsdorf. Einen Briefkasten hat die Skeleton Technologies GmbH auf jeden Fall schon am großen Tor zum Schüco-Gelände in Großröhrsdorf. Ansonsten wissen noch nicht so viele Passanten auf dem riesigen Industriegelände mit dem Namen der Firma etwas anzufangen. Das sollte sich ändern.

Auf jeden Fall hat die Firma aus Estland ihren deutschen Standort bereits aus Bautzen nach Großröhrsdorf verlagert und will nun durchstarten. Nach Auskunft im Bautzener Technologie- und Gründerzentrum war in der Kreisstadt bisher ein Lager. Skeleton hat aber weit mehr vor. Dazu mietete das Unternehmen jetzt 2 200 Quadratmeter Fläche in der Halle II des früheren Solarwerkes in Großröhrsdorf, so die Information von Skeleton. Das Unternehmen mit Sitz bei Tallinn im Norden Estlands baut derzeit seinen neuen Standort in Deutschland auf. Das soll rasant vorangehen. Derzeit werden in Großröhrsdorf die ersten Anlagen angeliefert. Im ersten Quartal 2017 soll die Produktion starten.

Eigentlich wollte das Unternehmen sogar schon eher mit der Produktion in Deutschland loslegen. 2014 gab es die ersten Meldungen. „Skeleton Technologies baut in Sachsen eine Fertigung für Ultrakondensatoren auf“, hieß es damals. Großröhrsdorf war da noch lange nicht als Standort im Gespräch, aber schon Fördermittel in Aussicht gestellt. Zu dem Zeitpunkt sei die Nachfrage nach den Energiespeichern der Firma jedoch so rasant gestiegen, dass damals noch in Estland eine Pilotanlage auf 1 000 Quadratmetern errichtet wurde, um mit der Produktion zu beginnen, so die Erklärung für die Planänderung. Von 34 Arbeitsplätzen war 2014 die Rede. Inzwischen kündigt die Gesellschaft 50 Stellen bis 2018 für die Massenproduktion in Großröhrsdorf an und sucht zum Beispiel Anlagenbediener. Die Firma geht davon aus, gerade im Raum Dresden als Technologieregion genug qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Zehn Millionen Euro wolle Skeleton investieren, davon sechs Millionen für die Anlagen. Die Entscheidung für das ehemalige Schüco-Werk für Photovoltaikmodule fiel nicht zufällig. Die Bedingungen seien optimal für die Hightech der Esten. Der Umzug in eine fertige Halle schone auch das Budget, lässt Firmengründer Taavi Madiberk durchblicken. In Großröhrsdorf sehe das Unternehmen zugleich Expansionsmöglichkeiten.

2010 ersten Prototypen vorgestellt

Dabei gehe es bei der Entwicklung von Skeleton nicht um Batterien, wie manchmal salopp gesagt wird. Hier geht es um etwas Neues aus einer Hightechschmiede. Die Esten bauen Energiespeicher, sogenannte Ultrakondensatoren. Die an sich sind nicht so neu. Die deutlich höhere Leistungsfähigkeit als bei anderen vergleichbaren Speichern mache den Unterschied aus. Die Ultrakondensatoren aus Tallinn können Energie zudem sehr schnell speichern und wieder zur Verfügung stellen. Grundlage ist die Verwendung von sogenanntem nanoporösem Kohlenstoff, dem sogenannten „curved Graphene“. Das ultradünne Material ähnelt unter dem Mikroskop einem Skelett. Das erklärt auch den Namen der Firma. Darauf aufbauend nutzten die Skeleton-Gründer die Ergebnisse estnischer Forscher in der Universitätsstadt Tartu, um bereits 2010 den ersten Prototypen des Speichers der vorzustellen. Sie erkannten das Potenzial dieses Produktes.

Das Unternehmen bezeichnet sich selbst mittlerweile als Europas führenden Hersteller dieser Technik. Zum Beispiel für die Autobranche. Die Ultrakondensatoren können bei der Fahrt Bremsenergie aufnehmen und später als Elektroenergie wieder abgeben. Und das blitzschnell. Einsatzgebiete gebe es nicht nur in der Autoindustrie, sondern auch in der Luftschifffahrt. Ultrakondensatoren sollen die nötige Energie zum Manövrieren, Starten und Landen liefern. Dabei kooperiert Skeleton mit einem französischen Unternehmen. Mit dem geplanten Schwerlast-Luftschiff sollen Lasten von bis zu 60 Tonnen transportiert werden, zum Beispiel Holz aus schwer zugänglichen Gebieten. Auch die Energiewende ist ein Aufgabengebiet. Mit den Speichern können Netzschwankungen ausgeglichen werden. Skeleton startete auch eine Partnerschaft mit der Europäischen Raumfahrtbehörde. Die will von der Technologie bei der Energieversorgung von Satelliten profitieren. Skeleton-Geschäftsführer Madiberk ist sich sicher: „Für uns ist das ganz klar ein Vorzeigeprojekt, das die Eigenschaften unserer Produkte demonstriert.“ Ein steigendes Interesse sieht er auch in anderen Branchen – vom Motorsport bis zu erneuerbaren Energien.

Erfahrung mit Firmengründungen

Die Gründer des Unternehmens, die beiden jungen Esten Taavi Madiberk und Oliver Ahlberg sind von Hause aus Juristen. Sie waren erst Anfang 20, als sie 2009 Skeleton Technologies ins Leben riefen. Mit erfolgreichen Firmengründungen hatten sie damals schon Erfahrung, ist in der Firmengeschichte nachzulesen. Bei Skeleton gab Madiberks Vater den Anstoß. Er berichtete von dem faszinierenden neuen Material Graphen. Und das noch bevor dessen Entdecker Konstantin Novoselov und Andre Geim 2010 den Nobelpreis dafür erhielten. Nun sollen die Speicher auf dieser Basis in Serie auf dem Gelände des früheren Sunfilm-Werkes produziert werden. Sunfilm scheiterte mit seinen Solarzellen zur Energiegewinnung. Mit den Energiespeichern gibt es hier nun einen neuen Anlauf für ein Hightechprodukt aus dem Energiebereich.