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Jugendliche streiten übers Kopftuch

Das neue Stück des Zittauer Theaterjugendclubs „Fatima“ greift brisantes Thema auf und leistet gleichzeitig Integrationsarbeit.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Zittau. Sarah Wenzel ist sauer. Sie schreit ihre Freunde an und rennt wütend über die Bühne. Es ist aber nur gespielt und Teil des neuen Stücks des Theaterjugendclubs, das am 10. März Premiere hat. „Fatima“, so der Titel des Stücks, greift ein brisantes Thema auf. Die junge Muslimin Fatima taucht nach den Sommerferien plötzlich mit Kopftuch in der Schule auf. Keine ihrer Klassenkameradinnen hat etwas davon gewusst, selbst ihr Freund Georg ist ahnungslos. Niemand versteht, was sie damit ausdrücken möchte.

Fatima selbst tritt dabei an keiner Stelle des Stücks auf, im Vordergrund stehen die Reaktionen und Befindlichkeiten der Freunde. Und die fallen teilweise sehr heftig aus – so wie auch Sarah Wenzel, die in die Rolle der Aisha schlüpft. Es fallen Schimpfworte, es wird gegenseitig beleidigt. Mittendrin sind zwei junge Flüchtlinge, die in einer Wohngruppe in Hirschfelde leben. Der 17-jährige Afghane Ahmadi Ali Ahmad, der vor mehr als einem Jahr nach Deutschland kam, übernimmt als Fatimas Bruder sogar eine der Hauptrollen. Durch einen Besuch des Theaterstücks „Krabat“ sei man aufeinander aufmerksam geworden, erklärt Regisseurin Patricia Hachtel.

Von den neun jungen Flüchtlingen, die sich „Krabat“ angesehen hatten, konnten jedoch nicht alle mitmachen. Einige sind bereits vor den Proben volljährig geworden, andere absolvieren eine Ausbildung und hätten gleichzeitig die Vorbereitungen auf das Stück gar nicht leisten können. Übrig blieben letztlich zwei Flüchtlinge: Ahmadi Ali Ahmad und Mokhtar Alizadeh.

Die beiden haben sich seit dem Beginn der Vorbereitungen unglaublich weiterentwickelt, lobt die Regisseurin. Konnten sie am Anfang Deutsch zwar verstehen, aber noch nicht so gut sprechen, so tragen sie ihre Texte jetzt ohne große Probleme vor. Zwischen den ausländischen und deutschen Jugendlichen sind auch Freundschaften entstanden, erzählt Patricia Hachtel. Die Integration erfolgte nach ihrer Einschätzung sogar wesentlich schneller als bei den tschechischen Jugendlichen, die in „Krabat“ mitgewirkt hatten.

Schimpfworte wie „Kanake“ kennen die jungen Flüchtlinge aus ihrem Alltag. Schon des Öfteren mussten sie diese hören, wenn sie auf der Straße unterwegs waren. Dass sie nun auch im Theaterstück fallen, damit haben sie weniger Probleme. Das gehöre schließlich zur Geschichte dazu. Etwas irritiert waren sie jedoch, dass auf den Wänden nur schlechte Dinge übers Kopftuch stehen sollten. Denn für sie bedeutet das Kopftuch auch Stolz. Und so findet sich nun eben auch ein Schriftzug in der persischen Sprache Farsi auf der Wand.

Die Geschichte von „Fatima“ hat die Autorin Atha Sen Gupta mit gerade einmal 17 Jahren geschrieben. Die Autorin, 1988 geboren, stammt aus einer multikulturellen, gänzlich säkularen, nicht-muslimischen Familie. Ihre Mutter ist die bekannte britisch-indische Journalistin Rahila Gupta. 2009 erlebte das Schauspiel seine Uraufführung in London, zwei Jahre später wurde es erstmals an einem deutschen Theater inszeniert.

Nun bringt auch das Gerhart-Hauptmann-Theater seine Version auf die Bühne. Für die Inszenierung, die in Zusammenarbeit zwischen dem Theaterjugendclub und Mitgliedern des Schauspielensembles entstand, wurde das Stück, das ursprünglich aus lediglich fünf Rollen bestand, um weitere acht Rollen erweitert. Die Zittauer Inszenierung ist aber nicht nur laut, sie hat auch leise Stellen. Und mit viel Humor regt das Stück zum Nachdenken über das schwierige Thema an. Das hofft auch Ahmadi Ali Ahmad. Er freue sich auf den Moment, wo Moslems und Deutsche ganz selbstverständlich im Theater nebeneinandersitzen. Sein Mitspieler Phillip Rausendorf, der als Fred auf der Bühne steht, wünscht sich, dass sich die Zittauer vielleicht von einigen einseitigen Sichtweisen auf das Thema verabschieden.

Neben der Premiere am 10. März sind bislang zwei weitere Vorstellungen von „Fatima“ Ende März geplant. Auch in denen wird Ahmadi Ali Ahmad mitspielen, obwohl er Mitte März 18 wird und dann seine bisherige Wohngruppe verlassen muss. Es sei aber vorher geklärt worden, sagt Patricia Hachtel, dass der junge Afghane in Zittau bleiben kann. Andernfalls wäre es zu riskant gewesen.

Premiere von „Fatima“ ist am 10. März um 19.30 Uhr, im Theater hinterm Vorhang. Zuvor gibt es um 18.45 Uhr auf der Empore im Foyer eine Einführung in das Werk mit dem Zittauer Dramaturgen Gerhard Herfeldt.