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Jobs zum Dahinschmelzen

Beim Felgenhersteller Borbet in Kodersdorf wird nun offiziell produziert. Noch immer warten freie Stellen auf Bewerber.

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© André Schulze

Von Katja Schlenker

Plötzlich ist es so weit. Den einen Tag wird noch aufgebaut, den anderen Tag werden auf einmal die Flaggen vorm Gebäude gehisst. Borbet ist darauf zu lesen. Die Fahnen wehen seitdem im Kodersdorfer Gewerbegebiet im Wind. Bei diesem Moment sei ihm klar gewesen: Jetzt wird es ernst, erzählt Reiner Dürkop. Er ist der Geschäftsführer der Borbet Sachsen GmbH. Nach fast zwei Monaten im Probebetrieb wird bei dem Felgenhersteller nun offiziell produziert. Die betriebliche Freigabe ist erteilt. Zwischen 1 500 und 1 600 Räder pro Tag rollen hier bereits vom Band. Wenn alle Maschinen auf vollen Touren laufen, sollen es rund 8 500 Räder pro Tag werden.

Bei über 700 Grad Celsius schmelzen die Metallbarren im Ofen dahin. Dann werden sie zu Rädern verarbeitet.
Bei über 700 Grad Celsius schmelzen die Metallbarren im Ofen dahin. Dann werden sie zu Rädern verarbeitet. © André Schulze
Das neue Borbet-Werk in Kodersdorf ist der neunte Standort des Unternehmens.
Das neue Borbet-Werk in Kodersdorf ist der neunte Standort des Unternehmens. © Borbet
Im Hochregallager haben 37500 Räder Platz. Eine Maschine saust umher und bringt sie zum Lackieren.
Im Hochregallager haben 37500 Räder Platz. Eine Maschine saust umher und bringt sie zum Lackieren. © André Schulze

Bis dahin ist es gar nicht mehr so lange hin. Momentan stehen erst acht Gießmaschinen in der Halle – 32 werden es voraussichtlich bis Ende dieses Jahres sein. Dann soll auch die endgültige Mitarbeiterzahl erreicht sein. Derzeit arbeiten 180 Mitarbeiter und 25 Praktikanten aus Langzeitmaßnahmen im Werk, erklärt Reiner Dürkop. Im späten Herbst sollen es 480 Leute sein. „Und wir sind mit der Rekrutierung noch nicht am Ende“, sagt er. Wer will, kann sich also nach wie vor auf einen der freien Arbeitsplätze bewerben.

Es sind zum Teil heiße Jobs. Denn beim Gießen der Felgen entsteht und braucht es Hitze. Noch heißer ist es allerdings an den Schmelzöfen, wo die Produktion der Leichtmetallräder startet. Sascha Pohl deutet auf eine Anzeige an der Wand. Der studierte Maschinenbauer arbeitet seit etwa zwei Jahren im Thüringer Borbet-Werk. Mitarbeiter von dort sind nun in Sachsen dabei, um Maschinen zu kalibrieren, Mitarbeiter vor Ort einzuarbeiten und Abläufe zu optimieren. Die Anzeige an der Wand zeigt 731 Grad Celsius und 762 Grad in der Zeile darunter. Die Werte zeigen die Temperatur in den zwei laufenden Schmelzöfen an. Als sich die Klappe von Nummer 2 langsam öffnet, schwappt die Hitze sofort auch in die Werkhalle. Innen drin glüht es. Unzählige Barren aus einem Gemisch von Aluminium, Silizium und Magnesium tropfen darin vor sich hin. Wenn alles vollständig geschmolzen ist, wird der Ofen umgekippt und die Schmelze abgefüllt.

Mit dem Gabelstapler geht die Reise weiter zur Gießmaschine. Dort wird die Schmelze in eine kleine Öffnung hineingegossen. „Ein halbes Jahr lang haben die Mitarbeiter das Einfüllen geübt“, sagt Reiner Dürkop. „Zunächst mit Wasser, damit nichts passiert, falls etwas danebengeht.“ Das könnte fatal enden, weil die Schmelze immer noch extrem heiß ist, wenn sie zur Gießmaschine kommt. Auf dem Podest oben zwischen den Maschinen wuseln zahlreiche Mitarbeiter herum. Etwa aller fünf Minuten wird eine Felge fertig. Das erste in Kodersdorf gegossene Leichtmetallrad hat Firmeninhaber Peter Wilhelm Borbet zum 80. Geburtstag geschenkt bekommen. „Herzlichen Glückwunsch“ ist darauf eingraviert. Über dieses Geschenk habe er sich sehr gefreut.

Das Werk in Kodersdorf ist der neunte Standort des Unternehmens. Neben denen in Deutschland gibt es auch Standorte in Österreich, den Vereinigten Staaten von Amerika und Südafrika. Ein weiteres weltweit tätiges Unternehmen plant derzeit, seine Produktion in Kodersdorf zu erweitern. Die Elbe Flugzeugwerke haben bestätigt, ein zweites Werk in Kodersdorf zu bauen. Auch die Ilzhöfer Palettenservice GmbH, welche vor vier Jahren die insolvente B&S Paletten 24 GmbH übernommen hat, plant derzeit den Neubau von Lagerhallen und eines eingeschossigen Bürogebäudes im Kodersdorfer Gewerbegebiet. Der Gemeinderat hat diesen Plänen in seiner jüngsten Sitzung zugestimmt. Und die Firma Color Parts aus Cunewalde errichtet derzeit ihre neue Produktionsstätte unweit des Borbet-Werkes. Das Gewerbegebiet an der Autobahn 4 bei Kodersdorf füllt sich.

Deswegen macht sich die Gemeinde bereits jetzt Gedanken, wie diese Entwicklung fortgesetzt werden kann. Nachdem in der Vergangenheit schon mehr als eine Million Euro in neue Straßen, Leitungen und vieles mehr investiert worden sind, soll bald erneut rund eine Million Euro ins Gewerbegebiet fließen. So ist geplant, die im Vorjahr gebaute Straße entlang der Bundesstraße 115 um rund 460 Meter zu verlängern. Bis an die Grenze zu Kunnersdorf soll die Straße künftig heranreichen. Der Gemeinderat hat sich einstimmig für den Plan entschieden. Außerdem gibt es Überlegungen, das Gewerbegebiet in Richtung Kunnersdorf zu vergrößern. Ehe es so weit ist, wird aber noch einige Zeit vergehen.

Unterdessen läuft die Produktion bei Borbet auf vollen Touren. Das soll bis Ende des Jahres der Fall sein. Um die zwei Millionen Felgen werden dann pro Jahr produziert. Wenn die Räder gegossen sind, kommen sie in die Wärmebehandlung. Dort werden die Räder so bearbeitet, dass sich die Stoffe derart ineinander verzahnen, dass das Rad die optimale Festigkeit erhält und beim Fahren nicht kaputt geht. Jede Felge hat ihre eigene Nummer. Das heißt, jedes Rad kann zurückverfolgt werden – und das auch noch in zehn bis 15 Jahren. Je nachdem, wie lange die Daten aufgehoben werden. Anschließend erhält die Felge ihr individuelles Design und wird lackiert. Zwischendurch kommt immer wieder eine Kontrolle. Nur perfekte Räder dürfen weiter. Jene, die die Qualitätsstandards nicht erfüllen, werden aussortiert.

Nahe der Lackiererei steht ein großes Regal. Dort warten bis zu 37 500 Räder darauf, lackiert zu werden. Der Computer platziert die Felgen so, dass er die jeweils nächste innerhalb von zwanzig Sekunden erreichen kann. Denn das ist das Zeitfenster, in dem die Lackiermaschine bedient werden will. Mit bis zu sechzig Stundenkilometern ist das Gerät auf der Suche nach den Rädern, sagt Reiner Dürkop. Wenn das Gerät auf einen zugerast kommt, staunt man nur noch voller Respekt.