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„Jeder Austritt ist ein Austritt zu viel“

Vorstand Michal Thomas möchte Sachsens Winzer von den Vorteilen des Weinbauverbandes überzeugen.

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© Claudia Hübschmann

Herr Thomas, von Winzern heißt es, dass bald kein Weinanbaubetrieb aus Meißen mehr Mitglied im Weinbauverband sein wird. Stimmt das?

Michael Thomas ist zweiter Vorstandschef des Weinbauverbandes und leitet für Schloss Wackerbarth den Vertrieb.
Michael Thomas ist zweiter Vorstandschef des Weinbauverbandes und leitet für Schloss Wackerbarth den Vertrieb. © Eckhard Kahle

Nein, dies können wir nicht bestätigen. Das aus Meißen stammende Weingut Schloss Proschwitz ist eines der engagiertesten Mitglieder des Verbandes. Seit den frühen neunziger Jahren hat das VDP-Weingut qualitative Maßstäbe für Sachsen gesetzt und in den letzten 25 Jahren aktiv die positive Entwicklung des sächsischen Weines vorangetrieben.

Wie viele Austritte hat es 2017 gegeben? Gab es im Gegenzug auch Eintritte?

Acht Austritten standen im vergangenen Jahr sieben neuen Mitgliedschaften gegenüber. Jeder Austritt ist ein Austritt zu viel, das bedauere ich sehr. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass es in einem Verband unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Themen, Sachverhalten und Entscheidungen gibt. Das gab es in der Vergangenheit und wird es auch in Zukunft geben. Wichtig ist jedoch generell, miteinander ins Gespräch zu kommen und weniger übereinander zu sprechen.

Was plant oder tut der Weinbauverband, um Mitglieder zurück zu gewinnen bzw. neue Mitglieder zu werben?

Der Weinbauverband ist ein Branchenverband und damit ein Interessenvertreter aller Winzer. Je weniger Mitglieder der Branchenverband hat, desto geringer ist die Wahrnehmung und Bedeutung der Branche nach außen. Es gilt zudem, je qualifizierter die Mitglieder, desto besser ist die Verbandsarbeit. Als Mitglied hat man Einfluss auf die Steuerung der Verbandsarbeit, kann sich bei der Wahl des Vorstands einbringen. Wenn also Unzufriedenheit entsteht, ist die Frage, ob ein Austritt aus dem Verband die passende Lösung ist. Oder ob man sich nicht mit seinen alternativen Ansätzen im Verband zu Wort meldet oder gegebenenfalls auch gemeinsam einen neuen Kandidaten für den Vorstand vorschlägt, um die Dinge anders zu machen. Aber auch das geht dann nur gemeinsam im Verband.

Noch einmal zurück zur Ausgangsfrage. Mit welchen Vorteilen kann der Verband werben?

Gemeinsam ist in den letzten Jahren viel erreicht worden. Beispiele sind die Steillagenförderung für den Erhalt der Trockenmauern, die Unterstützung bei Umstrukturierungen sowie bei der Frost- und Hagelversicherung. Der Verband kann auch auf langjährige erfolgreiche Kooperationen im Bereich der Weiterbildung und Wissensvermittlung zurückblicken. Seit 2009 unterstützt er die Sächsische Weinakademie, im letzten Jahr hat er das Projekt Wissenstransfer mit zehn Seminaren umgesetzt.

Sachsens Wein ist in Deutschland nach wie vor zu wenig bekannt. Wie versuchen Sie, das zu ändern?

Unbedingt zu erwähnen sind zum Beispiel die sehr wertigen und gut aufgenommenen Präsentationen auf der Messe Pro Wein in Düsseldorf, auf der Weintour des Deutschen Weininstitutes in Hamburg sowie die Premiere des Mitteldeutschen Weinpreises zur Messe „Iss Gut“ in Leipzig oder die Imagefilme über den sächsischen Wein, die im Dezember im MDR Fernsehen in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nach den Nachrichten ausgestrahlt wurden. Bei den bescheidenen Ressourcen des Verbandes geht das alles nur über Kooperationen mit Ministerien, der Wirtschaftsförderung Sachsen sowie mit zahlreichen Verbänden aus Tourismus- und Weinbranche. Ein gutes Miteinander innerhalb der Winzerschaft ist auch hier förderlich.

Helfen dem Weinbaugebiet Einträge einzelner Winzer in der Fachliteratur?

Die gerade erschienenen Weinführer wie Gault Millau, Falstaff und Vinum verdeutlichen die positive Entwicklung in der Wahrnehmung Sachsens in der Fachwelt. Hier sind alle aufgefordert, diesen Trend weiter fortzuschreiben. Es gilt somit, nicht mit dem bisherigen Stand zufrieden zu sein, sondern den Blick auf die weiteren Potenziale des sächsischen Weins zu richten und diese auch zu erschließen. Das ist auch Motivation für die Mitgliedschaft im Verband – es geht nur gemeinsam. Wenn wir uns mit uns selbst beschäftigen, kommen wir nicht voran.

Welches sind aktuell die dringendsten Themen, mit denen sich der Weinbauverband beschäftigt?

Wir in Sachsen müssen uns damit auseinandersetzen, was den sächsischen Wein ausmacht, ihn besonders auszeichnet. Was ist das Profil des sächsischen Weins, was unterscheidet ihn? – Nur, dass wir ein kleines Anbaugebiet und unsere Weine rar sind, macht sie allein noch nicht interessant genug. Wir können hier in Sachsen aber unheimlich elegante und finessenreiche Weine herstellen. Das hat auch mit dem starken Einfluss des Kontinentalklimas zu tun. Die Vegetationsphase ist länger, das heißt die Aromen haben mehr Zeit sich in den Beeren einzulagern. Außerdem behalten die sächsischen Trauben bis in die späte Reife ihre besondere Frische. Das ist ein großer Unterschied zu vielen anderen deutschen Anbaugebieten und der Welt. Im Ergebnis können wir solche Weine produzieren, die beim Verbraucher – auch international – stark im Fokus stehen, sogenannte Cool-Climate-Weine. Wir müssen uns also mit unserer Weinidentität und Dachmarke beschäftigen. Das gilt es dann auch in die Fachwelt zu tragen.

Der Tourismusverband Elbland arbeitet seit 2017 sehr eng mit der Landeshauptstadt zusammen. Wie wirkt sich das auf die bisherige Kooperation zwischen Weinbau und Tourismus aus?

Wenn wir neue Quellmärkte für unseren Wein erschließen wollen, geht es bei den Kooperationen mit den Tourismusverbänden vor allem darum, neue Besuchergruppen für die sächsischen Weingüter und Orte der Weinstraße zu gewinnen. In diesem Jahr ist ein Umzug der Geschäftsstelle notwendig. Dabei soll die Kooperation mit dem Tourismusverband Sächsisches Elbland aber unbedingt fortgeführt werden.

Was für Herausforderungen bringt der Klimawandel mit sich?

Mit diesem Thema müssen sich die Winzer intensiv beschäftigen. Wenn heute Weinberge aufgerebt werden, dann ist das eine Entscheidung für die kommenden 25 bis 30 Jahre. Aber welche Rebsorten finden auch in Zukunft auf welchen Weinbergen die optimalen Bedingungen? Mit der prognostizierten Temperaturerhöhung wird es Verschiebungen bei den für die Lagen jeweils prädestinierten Rebsorten geben.

Reichen die Kapazitäten des Verbandes aus, um all die von Ihnen angeführten Aufgaben zu bewältigen?

Mit einem ehrenamtlichen Vorstand und einer festangestellten Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle ist man bei der Fülle an Aufgaben schnell am Limit. Es geht also um die Definition der wesentlichen Ziele, Kooperationspartner und Prioritäten des Verbandes. Die über das Jahr regelmäßigen Veranstaltungen wie die Jungweinprobe mit den Winzerkollegen aus Saale-Unstrut, die Gebietsweinprüfungen, die Landesweinprämierung oder die Wahl der sächsischen Weinkönigin binden einen Großteil der Ressourcen. Nicht all unsere Themen wird man in den kommenden zwei bis drei Jahren angehen und abschließen können, aber wir müssen daran arbeiten, Partner ins Boot holen, und das schaffen wir nur gemeinsam und in einer positiven Atmosphäre des Miteinanders. Die wahre Konkurrenz unserer sächsischen Weingüter ist nicht in Sachsen zu finden – sondern außerhalb. Nur 0,2 Prozent der deutschen Weine kommen aus Sachsen. Da lohnt es sich, sich zu verbünden.

Die Fragen stellte Peter Anderson.