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Jeden Tag muss ein Tier ins Heim

In Bloaschütz finden Hunde und Katzen aus dem gesamten Kreis Zuflucht. Dahinter stecken teils tragische Schicksale.

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© Uwe Soeder

Von Sebastian Kositz

Bloaschütz. Eigentlich wirft diesen Hund nichts einfach so aus der Bahn. Fast 60 Kilo bringt „Chef“ auf die Waage, gilt damit als richtig schwerer Junge. Wenn der stämmige Schäferhundmischling mit der Pflegerin Katrin Zorn über die Wiese tollt, ist dem Hund gar nicht anzusehen, dass er gerade einen sehr schweren Schicksalsschlag hinter sich hat. Anfang Februar war sein Herrchen verstorben, von einem Tag auf den anderen musste Chef ins Tierheim. Statt auf einem Hof in Elstra lebt der Hund nun in Bloaschütz.

Chef ist kein Einzelfall. Erst vor wenigen Tagen musste das Tierheim eine Katze aufnehmen. Deren Frauchen zieht ins Pflegeheim. Katzen sind dort nicht erwünscht. „Die Katze hatte sogar ein Gesundheitsattest. Aber dann hat sich das Heim anders entschieden“, erklärt Uwe Bär, der die Einrichtung im Bautzener Ortsteil Bloaschütz leitet. Immer öfter müssen er und seine Mitarbeiter Tiere aufnehmen, weil die Besitzer sterben oder ins Altersheim gehen.

„Das geht gerade erst richtig los“, sagt Uwe Bär. Zwar lassen sich diese Fälle in einem Jahr gerade so noch an beiden Händen abzählen. Doch eine steigende Tendenz ist durchaus zu verzeichnen. Eine weitere, vor allem für die Tiere traurige Folge des demografischen Wandels und der Abwanderung junger Menschen in der Oberlausitz.

„Früher haben die Menschen verschiedener Generationen unter einem Dach gewohnt“, sagt Uwe Bär. Heute sind viele ältere Menschen auf ihren Höfen hingegen alleine. Bei einem Umzug ins Heim oder in eine kleine Wohnung in der Stadt können die Freunde auf vier Pfoten zumeist nicht mit – oder bleiben bei einem Todesfall allein zurück. „Die Angehörigen wohnen oft weit weg, können oder wollen sich nicht um die Tiere kümmern“, erklärt Uwe Bär.

Schwierige Situation

Wenn Katzen oder Hunde von ihren zumeist langjährigen Besitzern getrennt werden, ist das oft nicht nur für die Menschen eine schwierige Situation. „Einige Tiere stecken das ganz gut weg“, sagt der Tierheimchef. Bei etlichen ist aber auch eine regelrechte Trauer zu beobachten. Die neue Situation, die vielen Tiere, das Bellen anderer Hunde – mitunter wollen die Vierbeiner nicht mehr richtig essen, mitunter reißen sich Katzen sogar das Fell aus. „Wir haben aber eine gute Truppe, unsere Pfleger hängen sich voll rein und beschäftigen sich intensiv mit den Tieren“, erklärt Uwe Bär.

Nichtsdestotrotz sind das Aufgaben, die neben dem ohnehin schon pickepackevollen Programm bewältigt werden müssen. Das Heim ist für den gesamten Landkreis zuständig und finanziert sich zum größten Teil über Spenden. Allein im vergangenen Jahr sind in der Einrichtung 359 Tiere vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit abgegeben worden. Dazu zählten 248 Katzen und 74 Hunde sowie 37 Kleintiere wie Hasen, Meerschweinchen oder Ziervögel. Im Jahr zuvor waren es insgesamt 270 Tiere, 2015 verwies die Einrichtung auf fast 240.

Viele Fundtiere

Besonders groß ist der Anteil der Fundtiere, vor allem bei den Katzen. 160 Samtpfoten landeten im vergangenen Jahr in Bloaschütz. „Bei nur zehn konnten wir einen Besitzer ausfindig machen“, sagt Uwe Bär. Bei den entlaufenen Hunden gab es immerhin in 34 Fällen ein freudiges Wiedersehen mit Frauchen oder Herrchen. Auch ausgesetzte Tiere landen in Bloaschütz, teilweise arg von den damit verbundenen Strapazen gezeichnet. „Auch das kommt leider immer wieder vor“, sagt Uwe Bär.

Für immer im Tierheim bleiben müssen die allermeisten Tiere dennoch nicht. Fast 230 Tiere konnten vergangenes Jahr an neue Besitzer vermittelt werden – darunter 169 Katzen und 29 Hunde. Wer eine Katze aus dem Bautzener Tierheim holt, zahlt eine Schutzgebühr von 100 Euro. Ein Schnäppchen, denn die Tiere sind bereits geimpft, entwurmt, kastriert und gechipt.

Während sich die Vermittlung der Katzen zumeist eher rasch abwickeln lässt, ist die der Hunde deutlich aufwendiger. Die Mitarbeiter des Tierheims schauen sich das neue Zuhause an, prüfen, ob Hund und die neue Familie zusammenpassen. Besonders gefragt sind kleine Hunde, schwieriger ist es bei den großen. So wie bei Chef. „Für die großen Tiere ist ein Hof wünschenswert“, sagt Uwe Bär. Er und seine Kollegen hoffen trotzdem, dass Chef schon bald wieder ein schönes, neues Zuhause findet.

Informationen über zu vermittelnde Tiere und Möglichkeiten zum Spenden gibt es im Internet:

www.tierheim-bautzen.de