Merken

Jeden Tag 5 000 Kilo stemmen

Ohne Müllmänner würden wir auf unserem Dreck sitzenbleiben. Dass ihre Arbeit gut bezahlt wird, stimmt so nicht mehr.

Teilen
Folgen
NEU!
© Karl-Ludwig Oberthür

Von Franz Werfel

Freital. Mittwochmorgens in Freital, kurz vor sechs Uhr: Auf dem Betriebsgelände von Becker Umweltdienste am Sachsenplatz herrscht reger Betrieb. Die orangefarbenen Warnlämpchen der Müllautos leuchten, in ihren Latzhosen schreiten die Müllmänner über den Hof. Einige haben sich gerade noch in der Kaffeestube gewärmt und ein Tässchen Braunen getrunken. Dabei füllen sie ihren Einsatzplan für den Tag aus. Andere kontrollieren ihre Laster und bereiten sie für die Abfahrt vor.

Kurz vor um sechs beginnt die Schicht der Müllmänner. Dann fahren zwei Dutzend Laster vom Hof am Freitaler Sachsenplatz.
Kurz vor um sechs beginnt die Schicht der Müllmänner. Dann fahren zwei Dutzend Laster vom Hof am Freitaler Sachsenplatz. © Karl-Ludwig Oberthür
Solch ein Chip ist in allen Mülltonnen eingebaut. Er registriert automatisch, wenn die Tonne geleert wird.
Solch ein Chip ist in allen Mülltonnen eingebaut. Er registriert automatisch, wenn die Tonne geleert wird. © Karl-Ludwig Oberthür

Einer der Freitaler Müllmänner, die in den neuen Arbeitstag starten, ist Johannes Bart. Seit acht Jahren macht der 34-Jährige diesen Job. „Es ist eine gute Arbeit“, sagt er. Früher hat der gebürtige Kasache auf dem Bau gearbeitet. Mit seinem Lkw-Führerschein hatte er bei dem großen kommunalen Müllentsorger auf dem Gebiet des früheren Weißeritzkreises eine gute Perspektive. „Es geht zwar sehr früh raus. Das ist besonders im Winter hart. Aber dafür ist spätestens 15 Uhr auch Feierabend.“ Die Arbeit gehe von montags bis freitags, Schichtdienst muss er nicht schieben.

Heute steht die Tour für den Restmüll in und um Kreischa auf dem Programm. Zusammen mit einem Kollegen rollt Johannes Bart vom Hof. Die Müllmänner merken sich die Routen in ihrem Einsatzgebiet schnell. Ein Navi brauchen sie nicht. „Nach zwei, drei Runden hast du den Weg drauf“, sagt Johannes Bart. Mittlerweile kennt er alle Straßen zwischen Wilsdruff, Rabenau und Altenberg. Er weiß, hinter welchen Büschen sich Mülltonnen verstecken, in welche schmalen Straßen er rückwärts hineinfahren muss und welche Kunden freundlich oder schwierig sind.

Es gebe viele nette Leute, sagt Johannes Bart. Die Omi etwa, die ihm immer mal eine Schokolade zusteckt. Oder Anwohner, die freundlich grüßen. „Jeden Tag werden wir Müllmänner aber auch beschimpft.“ Ein Beispiel: Steht ein Müllmann hinten auf dem Tritt, darf der Laster nur 20 Stundenkilometer fahren. Das ist Vorschrift und wird durch einen Sensor an dem Tritt sichergestellt. „Das verstehen manche Autofahrer leider gar nicht“, sagt Bart. Sie hupen wild oder schimpfen lautstark. „Dabei machen wir doch nur unseren Job.“ Der hat es in sich: Neben der Verantwortung für die fast 200 000 Euro teuren Laster bewegt jeder Müllmann täglich etwa fünf Tonnen. „Das ist anfangs schon schwer und man hat immer Muskelkater. Nach ein paar Wochen gibt sich das aber“, sagt Bart.

Kein Müllmann fasst in die Tonne rein

Es gebe auch Kunden, die sich regelmäßig beschweren. Wenn sie bei der Entsorgungsfirma anrufen, kommen sie bei Alexander Weise raus. Der 34-Jährige war lange als Müllfahrer unterwegs, ist nun als Disponent für die täglichen Routen verantwortlich. „Weil ich die Grundstücke alle selbst kenne, können mir die Kunden nichts vormachen.“ Häufig heiße es: Sie haben meinen Müll nicht mitgenommen. Dann antwortet er: „Gute Frau, ihre Tonnen stehen auch hinter der Hecke.“ Und es gibt eine klare Regel: Kein Müllmann fasst mit seinen Händen in die Tonnen rein. Nur so sei sichergestellt, dass sie sich nicht verletzen. „Wenn die Leute im Winter um die Windeln ihrer Kinder keinen Müllsack binden, dann frieren die eben fest“, sagt Disponent Weise. Wenn dann Beschwerde-E-Mails kommen à la „Seid ihr zu doof, die Tonnen richtig zu leeren?“, dann findet er das schon „heftig“. Heftig war auch ein Erlebnis, an das er noch heute denken muss. „Ich wollte die Tonne auf den Laster heben, sie war sehr schwer“, erzählt Alexander Weise. Wenn den Müllmännern etwas seltsam vorkommt, schauen sie in die Tonnen rein. „Da guckte mich der blutige Kopf eines Wildschweins an.“ Die Tonne ließ er natürlich stehen. Und klebte einen roten Warnaufkleber drauf.

An den Gestank bei der Arbeit gewöhne man sich schnell, sagt Johannes Bart. Auch wenn niemand bei der Arbeit einen Mundschutz trägt, gebe es keine Probleme etwa mit der Nasenschleimhaut. Stimmt es eigentlich, dass Müllmänner immer noch ziemlich gut verdienen?

„Im öffentlichen Dienst, etwa bei der Stadtreinigung Dresden ist das so“, sagt Ronny Jurischka. Er ist als Leiter des Freitaler Standorts der Chef von Alexander Weise und Johannes Bart. Kommunale Unternehmen müssen nicht 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Das Geld können sie ihren Mitarbeitern auszahlen. Als privater Anbieter sei das für Becker Umweltdienste nicht möglich. „Bei uns bekommen die Müllmänner etwas mehr als neun Euro die Stunde, das liegt leicht über dem gesetzlichen Mindestlohn“, sagt Jurischka. Bei einer 40-Stunden-Woche ergibt das nur knapp 1 600 Euro brutto. Nach einer aktuellen Berechnung der Bundesregierung wären die Männer, die in unserer Region jeden Tag den Müll abholen, als Rentner von Altersarmut betroffen.