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„Jede Stadt kriegt den Wahlkampf, den sie verdient“

Vor der Wahl werden Straßen zu Politikergalerien. Was bleibt von den Plakaten hängen? Ein Werbeexperte analysiert.

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© Christian Juppe

Von Anna Hoben

Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen. Das hat Loriot gesagt. So gesehen hat in Dresden also alles seine Ordnung. Seit einiger Zeit hängen sie, die Kandidaten für das Dresdner Oberbürgermeisteramt: Eva-Maria Stange (überparteilich, SPD), Dirk Hilbert (überparteilich, FDP), Markus Ulbig (CDU), Stefan Vogel (AfD), Lara Liqueur (Die Partei) und Tatjana Festerling (Pegida).

Wahlplakate der OB-Kandidaten

Stefan Vogel (AfD)
Stefan Vogel (AfD)
Dirk Hilbert (überparteilich, FDP)
Dirk Hilbert (überparteilich, FDP)
Lara Liqueur, Die Partei
Lara Liqueur, Die Partei
Eva-Maria Stange (überparteilich, SPD)
Eva-Maria Stange (überparteilich, SPD)
Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling
Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling
Markus Ulbig (CDU)
Markus Ulbig (CDU)
Claus Faber, 45, Geschäftsführer der Agentur Faber & Marke, hat die Waglplakate der OB-Kandidaten analysiert.
Claus Faber, 45, Geschäftsführer der Agentur Faber & Marke, hat die Waglplakate der OB-Kandidaten analysiert.

Was haben die Plakatmacher richtig gemacht, was falsch? Am besten fragt man einen Marketingexperten, zum Beispiel Claus Faber, 45, Geschäftsführer der Agentur Faber & Marke mit Standorten in Dresden und Berlin. Zuletzt hat er Kampagnen für die Berufsakademie Sachsen, Dresdner Christstollen und Spreewaldgurken betreut. Wenn er Wahlplakate sieht, setzt er sich natürlich auch die Berufsbrille auf. Für die Analyse in der Zeitung schaut er zunächst jedoch mit den Augen von „Ottonormalverbraucher“ darauf, wie er sagt. Erst einmal die der drei aussichtsreichsten Kandidaten Stange, Hilbert und Ulbig: „Was sehe ich? Drei völlig durchschnittliche Menschen, es ist nicht ein Charismatiker dabei.“ Bei den Plakaten seien zwar Profis am Werk gewesen. „Trotzdem kommen die Kandidaten unglaublich bieder rüber. Hat man Angst, den Leuten mehr zuzumuten?“

Man kann die Dresdner Wahlplakate nicht isoliert von der Stadt betrachten. Es kämpfen in Dresden zwei Kräfte gegeneinander, sagt Claus Faber. „Auf der einen Seite eine unglaubliche Zufriedenheit mit der eigenen Stadt, bis zur Selbstgefälligkeit, auf der anderen Seite der Wille zur Veränderung.“ Die Konsequenz im Wahlkampf: Die Plakate schweben alle irgendwie unentschlossen in der Mitte. Klare Statements suche man vergeblich. Werber wissen: Die Kunst der Kommunikation ist Vereinfachung. Aber was wollen uns Slogans wie „Damit Dresden gewinnt“ / „Gorbitz – Loschwitz – Stange“ / „Probleme lösen“?sagen? „Vieles ist schon wieder zu einfach gedacht und gemacht“, sagt Faber.

Er bemängelt, dass bei Markus Ulbig offenbar nur ein einziges Foto verwendet wurde. Ausgerechnet eines, bei dem Ulbig zwar im Gespräch abgebildet ist, irritierenderweise jedoch direkt am angeschnittenen Gesprächspartner vorbei auf den Betrachter schaut. „Er wirkt wie ein Buchhalter“, so Faber. Weil SPD, Grüne und Linke für Eva-Maria Stange werben, habe sie immerhin die meisten unterschiedlichen Plakatmotive. Vom Gesamtkonzept her hält er aus Werbersicht die Kampagne von Dirk Hilbert noch am gelungensten. Die Gestaltung in Schwarz-Gelb, Farben, die auf Dresden verweisen oder, heimlich, auf die FDP, für die Hilbert ja offiziell nicht antritt. Slogans, die zumindest ansatzweise griffig wirken. Und schwarz-weiß fotografierte Bilder, „das hat einen Look, ist aber zu dunkel geraten, könnte freundlicher sein“.

Hilbert sticht auch hervor, weil seine Familie auf einigen Plakaten abgebildet ist, was an US-amerikanische Wahlkampf-Konventionen erinnert. Hilberts Frau ist gebürtige Koreanerin, der gemeinsame Sohn inzwischen vier Jahre alt. „In Dresden zu Hause“, heißt es auf dem Riesenaufsteller – man muss es geradezu als Antwort auf Pegida interpretieren. „Vielleicht war gerade jetzt die Verlockung einfach zu groß, das zu machen“, sagt Claus Faber.

Auffallend sind ansonsten die Plakate der Satirepartei „Die Partei“. Eines zeigt einen vermeintlichen Hundehaufen, der mit bunten Streuseln gesprenkelt ist. „Charmant“, sagt Faber, „das hat was“. Für das stark aufs Dekolleté fixierte Plakat von Lara Liqueur kann er sich indes nicht erwärmen. „Das ist mir zu banal.“ Was den Werbeexperten immer wieder wundert: wie wenig auf das Internet verwiesen wird.

Am klarsten macht das der AfD-Kandidat Stefan Vogel. Über sein ansonsten eher unübersichtlich gestaltetes Plakat zieht sich seine Web-Adresse. Die Pegida-Frau Tatjana Festerling wirbt sogar mit einen QR-Code.

War noch was? Ach ja, die Werbevideos von Ulbig und Hilbert. Das von Letzterem wirkt vor allem im Vergleich zur Plakatkampagne unprofessionell. Menschen stehen vor einer Zimmerpflanze und sagen, warum sie Hilbert unterstützen, dazu läuft melancholische Klaviermusik. Ulbig fährt in seinem Spot in einer Straßenbahn durch Dresden, die akustische Begleitung erinnert an „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Wie die Filmfigur scheint der Kandidat über die Welt da draußen zu staunen. „Er inszeniert sich nicht als jemand, der etwas bewegt, sondern lässt sich bewegen, wirkt passiv“, sagt Faber. Sein Fazit: „Jede Stadt kriegt den Wahlkampf, den sie verdient.“