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Jagen Wölfe in Dresden?

Ein gerissenes Reh in der Heide sei der Beweis, behauptet ein Jagdpächter in Klotzsche. Die Forstbehörde sieht das anders.

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© dpa

Von Christoph Springer

Mit Bissspuren an der Kehle, zerfleischten Hinterläufen und ohne Eingeweide lag der Rehbock am Mittwochmorgen an der Feldstraße in Klotzsche. Baggerfahrer Enrico Hahnewald hat ihn entdeckt, als er am Morgen mit seiner Hündin draußen war. „Ich bin wie immer Gassi gegangen, da ist Ensi auf einmal nervös geworden, und ich habe geschaut, an was sie schnüffelt, und das Reh entdeckt“, erzählt der Dresdner. Er ist sich sicher, dass das Tier nur wenige Stunden zuvor gestorben ist. „Ich gehe täglich da lang und bin mir sicher, dass es in der Nacht zuvor gerissen wurde.“

Das Tier könnte aber auch von einem Hund gerissen worden sein.
Das Tier könnte aber auch von einem Hund gerissen worden sein. © Lutz Hiller

Jagdpächter Lutz Hiller kam, um den Kadaver zu entsorgen. Zuvor untersuchte der Jäger das Tier und machte mehrere Fotos von dem Rehbock. „Er war etwa zwei Jahre alt“, sagt Hiller. Und er ist überzeugt: Ein Wolf hat ihn gerissen. Mit dieser Meinung ist er nicht allein. „Ich habe Jagdfreunde angeschrieben und denen die Bilder geschickt. Sie alle waren der Meinung, dass die Fraßspuren typisch für einen Wolf sind.“ Ähnliche Spuren seien vor etwa einem Monat bei einem toten Wildschwein im Nachbarrevier entdeckt worden. „Der Wolf frisst sich von hinten nach vorn durch die Weichteile.“

Dirk Fanko, der zurzeit den Forstbezirksleiter in Dresden vertritt, ist anderer Meinung. Er glaubt nicht, dass der Rehbock von einem Wolf gerissen wurde. Es könnte auch ein Hund gewesen sein, der frei gelaufen ist, meint Fanko. „Der Hund hat einen natürlichen Jagdtrieb,“ sagt Fanko, „und ein flotter, hochbeiniger Hund holt auch ein Reh ein.“ So etwas habe es schon mehrfach in der Heide und am Rand des Waldgebiets gegeben. Bereits im Frühjahr 2011 gab es Berichte über von Hunden getötete Rehe im Forstrevier Bühlau. Der damalige Forstbezirksleiter Mario Marsch berichtete, seine Kollegen könnten regelmäßig Hunde in der Heide beobachten, die frei umherlaufen und Wild jagen.

Hiller glaubt nicht an die Hundetheorie. Er hält das für eine Beschwichtigungsstrategie der Behörden, die damit einen Aufruhr gegen den Wolf verhindern wollen. „Das sind die typischen Aussagen“, schimpft der Jäger. „Ein Hund, der durch einen Kehlbiss ein Reh zur Strecke bringt, den zeigen sie mir mal.“ Dazu passt aus seiner Sicht auch nicht, wie das Reh ausgeweidet wurde. Schließlich fehlten sämtliche Innereien des Tiers, drei bis vier Kilo.

Hiller hat den Kadaver entsorgt. Dazu hat er die Reste des Tieres an einem Ort vergraben, den er geheim hält. Dort dient er nun anderen Wildtieren als Nahrung. Auch wenn bisher noch kein Wolf in Dresden und Umgebung gesichtet wurde, geht der Jäger davon aus, dass die Vierbeiner längst hier angekommen sind. „Das ist nicht überraschend“, findet der Jäger, schließlich werde regelmäßig darüber berichtet, wenn Wölfe gesichtet wurden. Und solche Meldungen gibt es aus mehreren Orten in der Nähe der Landeshauptstadt: erst im April ist ein Wolf in Altenberg in eine Fotofalle gelaufen, in Hohnstein in der Sächsischen Schweiz haben Wölfe in diesem Jahr zwei Mufflons gerissen. Sogar bis Döbeln sind die Tiere mittlerweile von Osten kommend gewandert, wie ein Foto vom 17. April beweist. Damals hat ein Privatmann einen Wolf östlich der Kreisstadt entdeckt.

Sollten die Tiere jetzt auch in der Heide heimisch werden, ist das aus Sicht von Jana Endel, Mitarbeiterin im Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“, kein Grund zur Sorge. „Der Mensch zählt bekanntermaßen nicht zur natürlichen Beute von Wölfen“, sagt die Fachfrau aus der Lausitz. „Wölfe bemerken die Menschen meist frühzeitig und meiden eine direkte Begegnung.“ Es könne jedoch vorkommen, dass Wölfe an Siedlungsgebieten entlanglaufen, „wie andere Wildtiere auch“.

Auch Enrico Hahnewald weiß das. Er fürchtet sich nicht vor Wölfen und will seine Runde trotz des Fundes an der Feldstraße wie gewohnt weiter gehen. „Auch Wölfe gehören zur Natur, es ist absolut kein Grund zur Besorgnis für mich“, sagt der Dresdner. Allerdings sollte er gut auf Ensi aufpassen, raten ihm Fachleute.

Denn sollte ein Hund auf einen Wolf treffen, zieht er bei einer Auseinandersetzung mit dem wilden Artverwandten leicht den Kürzeren.