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Ist Lohengrin böse?

Die Richard-Wagner-Stätten Graupa machen Oper für Kinder. Das Angebot ist noch aus einem anderen Grund besonders.

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© Marko Förster

Von Anja Weber

Pirna. Andächtig steht Martin vor dem großen Lohengrin-Abbild, äugt nach links und nach rechts. Plötzlich fragt er seinen Vater „Ist der Lohengrin böse?“. Nein das sei er nicht, doch das werde er alles in der Oper erfahren. So wie Martin und seine Familie hatten sich alle Kinder und Eltern für die Oper Lohengrin in Schale geworfen. Die wurde am vergangenen Sonntag in den Richard-Wagner-Stätten Graupa aufgeführt.

Ein spezielles Projekt für und mit Kindern, also Wagner für Kinder vor und hinter der Bühne. Die Künstler hinter der Bühne arbeiten dabei mit echten Sängern zusammen, übernehmen kleinere Rollen oder teilweise auch die Gestaltung des Bühnenbildes. Erstmals bei dem Projekt mit dabei sind acht Kinder von Flüchtlingsfamilien, die derzeit in Pirna leben. Ausgesucht wurden sie von der Caritas. Die Kinder kommen aus Syrien, dem Libanon und Pakistan.

Gemeinsam mit den deutschen Kindern haben sie in den letzten Wochen viel geprobt. Musikpädagogin Norma Strunden von den Wagner-Stätten leitet das Projekt und ist begeistert. Die Kinder sprechen fließend deutsch, manche noch andere Sprachen. Die Verständigung war deshalb kein Problem. „Sie haben alle ganz toll mitgemacht und saugen alles wie ein Schwamm auf, was sie hier in Sachen Musik lernen können, zum Beispiel auch in der Klangwerkstatt“, sagt Norma Strunden. Das Projekt selbst nennt sich „Kunst macht stark“ und wird über den Bund gefördert. Das heißt zum Beispiel, dass Fahrtkosten wie auch Arbeitsmaterial für die Teilnehmer übernommen werden.

Für das Projekt wird gezielt an Schulen, vor allem in Copitz und auf dem Sonnenstein geworben. „Wir wollen auch die Kinder erreichen, die nicht über ihre Eltern an die Oper herangeführt werden“, sagt Norma Strunden. Gedacht wird dabei vor allem an Kinder aus sozial schwachen Familien. Und während bei Lohengrin nun Flüchtlingskinder auf der Bühne stehen, werden es beim nächsten Projekt Kinder aus Kinderheimen sein. Doch es dreht sich nicht nur um die Kinder auf der Bühne, sondern auch um die vor der Bühne.

Ist für den Anfang „Lohengrin“ zu schwere Kost? Keineswegs. Sprecherin Norma Strunden führt die Gäste durch die spannenden Verwicklungen um Liebe, Verrat und Intrigen. Sie erklärt den Zuhörern alles genau. Zuerst, was eine Oper überhaupt ist. Danach kommt die Frage, wer schon mal in einer Oper war? Einige Hände schnipsen in die Höhe. Doch wer war Lohengrin wirklich? Stille im Saal.

Der Schwanenritter Lohengrin wurde ausgesandt vom Heiligen Gral, dem Mädchen Elsa von Brabant zu Hilfe zu eilen. Die beiden werden ein Paar. Doch die göttliche Herkunft des Ritters muss unerkannt bleiben. Doch bleibt sie es wirklich? Nach drei Aufzügen werden es die Zuhörer wissen.

Begleitet werden die Szenen von Pianistin Irina Roden. Doch zuvor erfahren die Kinder mehr über die Künstler und den Klang der verschiedene Stimmen bei einer Oper. Und weshalb die Rollen je nach Tonlage besetzt werden, um der Person auch Ausdruckskraft zu verleihen, sie lieb und nett oder böse und fordernd erscheinen zu lassen. Dazu werden die Sänger der Semperoper und der Staatsoperette Dresden einzeln vorgestellt und singen in ihrer jeweiligen Stimmlage.

Die Oper selbst ist in drei Aufzüge geteilt. Jedes Stück, jedes Lied wird ebenfalls vorher erläutert, sodass die Kinder die ganze Zeit über mitgenommen werden und die Handlung verstehen. Norma Strunden erzählt aber nicht nur die Geschichte. Sie lenkt auch „ihre Kinder“ vom Opern-Projekt. Doch die machen ihre Sache neben den Profis richtig gut, bewachen den Heiligen Gral oder schwirren elfengleich mit ihren Blumenkränzen über die Bühne. Und dann wird auch das Publikum mit einbezogen. Vier kleine Ritter werden benötigt. Spontan stehen sieben Komparsen auf. Für jeden gibt es einen Umhang und eine Kopfbedeckung. Weggeschickt wird keiner. Und als Mädchen für das Brautgefolge gesucht werden, recken sich ebenfalls viele Hände in die Höhe. Ballettröckchen werden ausgeteilt. Und dann steht der Hochzeitsmarsch durch das Publikum an. Martin, der mit seinem Vater ganz vorn sitzt, schaut der illustren Gesellschaft nach. Und spätestens nach dem dritten Aufzug weiß er, dass Lohengrin kein böser Ritter ist. Applaus beendet das Stück. Alle Künstler auf der Bühne verneigen sich. Der Vorhang fällt. Dem Publikum hat es gefallen. Beatrix Werner die mit ihrer Tochter gekommen ist, lobt die Idee: „Oper ist ja meist bissel was Schweres. Doch hier werden die Kinder richtig gut mitgenommen, indem auch alles gut erklärt wird.“

Wer diese Aufführung verpasst hat, hat am 5. Februar 2017 wieder Gelegenheit Wagner für Kinder zu erleben. Dann steht der Fliegende Holländer auf dem Programm.