Merken

Ist die Brücke ein Schwarzbau?

Ob die Brücke dort stehen darf, wo sie erbaut wurde, ist fraglich. Wie es weitergeht, verhandelt ein Bundesgericht. Fünf Fragen und Antworten zu Dresdens wohl größtem Streitobjekt:

Teilen
Folgen
NEU!
© Marco Klinger

Von Peter Hilbert und Jörg Aberger, dpa

Seit knapp drei Jahren rollen Autos über die Waldschlößchenbrücke. Die neue Elbquerung wird so stark genutzt wie noch nie. Die Zahlen erreichen jetzt neue Rekordwerte. Seit dem Frühjahr fahren täglich meist über 39 000 Autos und mit knapp 95 000 Radlern in einem Monat so viel wie noch nie über die neue Elbquerung. Doch bis Freitag bleibt unklar, ob die Baugenehmigung rechtlich sauber war. Erst dann will das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine Entscheidung zur Klage der Grünen Liga verkünden. Bei der Verhandlung am Mittwoch lehnten die Umweltschützer einen vom Vorsitzenden Richter Wolfgang Bier bei der Verhandlung vorgeschlagenen Kompromiss ab.

Worum geht es bei dem Rechtsstreit um die Waldschlößchenbrücke?

Mit dem Planfeststellungsbeschluss hatte der Freistaat 2004 die Baugenehmigung erteilt. Danach war das Dresdner Elbtal jedoch im Januar 2007 als Flora-Fauna-Habitat (FFH) nach EU-Recht unter besonderen Schutz gestellt worden. Dennoch begann der Brückenbau im November 2007.

Der Naturschutzverband Grüne Liga hatte gegen die Genehmigung geklagt, da er den Schutz der Tier-und Pflanzenwelt im sensiblen Elbtal verletzt sah, das mit dem Unesco-Weltkulturerbetitel geadelt worden war. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte das Urteil. Letztlich verhandelte 2014 das Bundesverwaltungsgericht.

Warum wurde der Europäische Gerichtshof eingeschaltet?

Die Bundesrichter hatten das Verfahren im August 2014 ausgesetzt. Erst nach der Baugenehmigung war das Elbtal FFH-Gebiet geworden. Es stand die Frage, ob die Umweltverträglichkeit noch einmal geprüft werden muss. Doch das ist EU-Recht. Deshalb wurde der Europäische Gerichtshof in Luxemburg um eine Stellungnahme gebeten. Er setzte ein deutliches Signal zugunsten geschützter Regionen. Sollten sich in Dresden die Hinweise auf gravierende Folgen für die Umwelt verdichten, müsse die Umweltverträglichkeit erneut geprüft werden. Das müsste selbst beim unwahrscheinlichen Fall eines Brückenabrisses geschehen.

Warum ist am Mittwoch noch keine Entscheidung gefallen?

Während der Verhandlung wurde noch einmal deutlich, wie unversöhnlich sich die gegnerischen Seiten gegenüberstehen. Richter Wolfgang Bier hatte zu Beginn angeregt, Kläger und Beklagte könnten sich auf einen Vergleich einigen. „Die Brücke steht, der Verkehr fließt. Wäre es da nicht an der Zeit, sich gütlich zu einigen?“ Ansonsten müsse noch viel Steuergeld in die Hand genommen werden, um das Verfahren abzuschließen. Bier fragte zudem, ob es nicht besser sei, das Geld würde in den Naturschutz fließen.

Der Prozessbevollmächtigte der Grünen Liga wies das Ansinnen jedoch zurück. „Mein Mandant hat schlechte Erfahrungen mit der öffentlichen Hand bei Vergleichen gemacht und wünscht eine Entscheidung des Gerichts“, erklärte Rechtsanwalt Martin Gellermann. Dabei gehe es vor allem darum, ob ausreichend geprüft worden sei, inwiefern Belange des Naturschutzes vor Beginn des Brückenbaus stärker hätten berücksichtigt werden müssen.

Über welche Optionen können die Richter noch entscheiden?

Die Bundesverwaltungsrichter können nun mehrere Varianten verfolgen. So wäre es möglich, dass sie die Sache zur Neuverhandlung an das Oberverwaltungsgericht Bautzen zurückverweisen. Zudem könnte der Planfeststellungsbeschluss zwar für rechtswidrig erklärt, den Behörden aber Gelegenheit zu Nachbesserungen gegeben werden. Der in manchen Medien bereits diskutierte Abriss der Brücke wäre nach Angaben von Bier die „Ultima Ratio“ – also die letzte mögliche Lösung.

Muss die Stadt noch weitere Millionen für die Waldschlößchenbrücke zahlen?

Streit gibt es jedoch auch an anderen Fronten. Die Stadt hat zwar bereits 181 Millionen Euro für den Brückenbau bezahlt. Doch die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen (Arge) verlangt zusätzliches Geld. Als Forderung nannte sie bis zu 18 Millionen Euro. Doch die Stadt hielt dagegen und konnte im Januar 2015 mit einer sogenannten Feststellungsklage zur Stahlbauvereinbarung von 2008 einen Erfolg gegen die Arge erzielen. Die Firmen forderten für Zusatzleistungen über den Stahlbau hinaus zwei Millionen Euro mehr. Die Karlsruher Richter hielten das jedoch nicht für gerechtfertigt. Doch gestritten wird um viel mehr. Vor Gericht ist die Arge aber nicht gezogen. „Wir sind im Gespräch mit der Stadt und versuchen, einen Vergleich zu erreichen“, sagt Henri Lossau, technischer Arge-Geschäftsführer. „Wir haben uns vorgenommen, das bis Jahresende zu klären.“ Die Stadt bestätigt auf Nachfrage, dass derzeit außergerichtlich verhandelt wird.

Buchtipp: Die Waldschlößchenbrücke, Chronik eines Großprojektes - Peter Hilbert, 160 Seiten