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Ist die Turnhalle behindertengerecht?

Alles dreht sich beim Millionenprojekt in der Hugo-Keller-Straße um einen Aufzug. Die Stadt muss Kritik einstecken.

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© h.e.i.z.Haus Architektur.Stadtplanung, delia bassi

Von Daniela Pfeiffer

Drei Menschen im Rollstuhl wollen zur Schulanfangsfeier oder zum Fußballturnier. All das wird in der künftigen Turnhalle auf der Hugo-Keller-Straße möglich sein. Die drei Rollstuhlfahrer werden auch bequem mit ihren Autos vor dem Halleneingang parken und ebenerdig ins Gebäude fahren können. Im Erdgeschoss gibt es für sie eine behindertengerechte Toilette, mit dem Fahrstuhl können sie in den Zuschauerbereich nach oben fahren. Alles behindertengerecht.

Und doch gibt es eine Debatte darüber, ob das Bauvorhaben tatsächlich dem Anspruch an barrierefreies Bauen genügt, der in Paragraf 50 der sächsischen Bauordnung verankert ist. Dazu verpflichtet jedenfalls die Sächsische Aufbaubank (SAB), die 90 Prozent des 7,1 Millionen-Euro-Projektes fördert, die Stadt Görlitz. Jener Paragraf in der Bauordnung besagt unter anderem: „Für die der zweckentsprechenden Nutzung dienenden Räume und Anlagen genügt es, wenn sie in dem erforderlichen Umfang barrierefrei sind. Toilettenräume und notwendige Stellplätze für Besucher und Benutzer müssen in der erforderlichen Anzahl barrierefrei sein.“

Auslegungssache also? CDU-Stadtrat Michael Hannich argumentiert, Sporthalle und Parkplatz seien augenscheinlich für sich jeweils barrierefrei, die Kombination beider aber eben gerade nicht. „Denn vom Parkplatz komme ich nicht barrierefrei in die Sporthalle.“ Zumindest nicht vom unteren Parkplatz. Denn außer den Stellplätzen vor der Halle gibt es weitere unterhalb des Gebäudes. Beides zusammen – Parkdeck und Parkplatz – bieten 129 Pkw Platz.

„Handelt es sich um zwei separate Bauvorhaben, sind beide Vorhaben für sich barrierefrei“, räumt Hannich ein. „Ist es aber ein einziges Bauvorhaben, wie im Projekt beschrieben, könnte es eng werden.“ Besagter Paragraf 50 enthalte eine Klausel, nach der die Anforderungen der Barrierefreiheit nicht erfüllt werden müssen, wenn sie nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand realisiert werden können. „Dabei darf ein unverhältnismäßiger Mehraufwand nicht aus dem Verhältnis der Mehrkosten für die barrierefreie Gestaltung zu den Gesamtkosten geschlossen werden“, sagt Hannich. „Bemerkenswerterweise schließt die Stadt aber ausschließlich aus Kostengründen, nämlich nur, weil es dafür keine Förderung gäbe, die Erweiterung des Personenaufzuges aus.“

In den ursprünglichen Plänen gab es vom unteren Parkdeck auch einen Aufzug ins Erdgeschoss, den die Stadt aus Kostengründen aber strich. Die SAB fördert diesen nicht mit. Der Behindertenbeauftragten des Landkreises, Elvira Mirle, wäre er wichtig. „Die Anbindung des Aufzuges an den Parkplatz bietet neben der Barrierefreiheit weitere Vorteile. Für Transporte aller Art, für die Reinigung des Gebäudes, für Vereine und Veranstaltungen bietet der Aufzug, ausgehend vom Untergeschoss, eine nicht zu unterschätzende sowie stufen- und barrierefreie Transportmöglichkeit.“

Michael Hannich sagte jüngst im Stadtrat: „Wir investieren in dieses Bauvorhaben mehr als sieben Millionen Euro, da sollten es uns etwa 100 000 Euro wert sein, die neue Sporthalle und die neue Parkplatzanlage geschickt miteinander zu verbinden.“ Trotz solcher Argumente und nach hitziger Debatte wurde der abgespeckten Variante zugestimmt. Schließlich drängt die Zeit, das Geld für den Parkplatz muss bis Jahresende abgerechnet sein, der Gebäude-Rohbau soll im September beginnen. Außerdem wird eine neue Halle dringend benötigt, vor allem, um Hunderten Kindern der umliegenden Schulen endlich kürzere Wege zum Schulsport zu ermöglichen.

Ob das Bauvorhaben jetzt noch einmal gründlich geprüft und auf Barrierefreiheit unter die Lupe genommen wird, ist unklar. Schließlich gab es monatelange Vorverhandlungen zwischen dem Rathaus, der SAB und der bauausführenden SIB in Bautzen, schließlich stimmte sich auch der Technische Ausschuss der Stadt in vielen Sitzungen dazu ab. Eine Stellungnahme der SAB war gestern nicht möglich.