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Ist die Reichenstraße zu teuer?

Auf Bautzens Boulevard stehen gleich fünf Geschäfte leer. Die Händler sehen dafür vor allem einen Grund.

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© Uwe Soeder

Von Madeleine Arndt

Bautzen. Ein Einkaufsbummel durch Bautzens Reichenstraße geht mit einem gewissen Gefühl von Trostlosigkeit einher. Das liegt nicht nur am ungemütlichen Wetter. Zwischen den belebten Geschäften blicken die Passanten immer wieder in blanke Schaufenster. Nachdem zum Jahresende auf der Fußgängerzone mit „Annes Boutique“ und „Anika Schuh“ gleich zwei Läden in unmittelbarer Nachbarschaft schlossen, sind es inzwischen fünf Häuser, wo im Erdgeschoss gähnende Leere herrscht. Das gab es lange nicht.

Leerstand in der Reichenstraße

Ende November schloss das Modegeschäft „Annes Boutique“. Die Inhaberin Annerose Wolfermann war 33 Jahre im Einzelhandelsgeschäft. Nun gibt sie es auf.
Ende November schloss das Modegeschäft „Annes Boutique“. Die Inhaberin Annerose Wolfermann war 33 Jahre im Einzelhandelsgeschäft. Nun gibt sie es auf.
Noch mehr blanke Scheiben: Annika Schuh löste den Laden im Dezember auf.
Noch mehr blanke Scheiben: Annika Schuh löste den Laden im Dezember auf.
Zwei Jahre steht dieses Geschäft leer. Das Time Out verkaufte hier junge Mode.
Zwei Jahre steht dieses Geschäft leer. Das Time Out verkaufte hier junge Mode.
Auch Filialen haben‘s schwer. Der Nougatladen Viba Sweets schloss vergangenes Jahr.
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Der „Kräuterhexe“ war die Reichenstraße zu teuer. Sie zog im Sommer um.
Der „Kräuterhexe“ war die Reichenstraße zu teuer. Sie zog im Sommer um.

„Für die Reichenstraße ist das eine außergewöhnliche Situation“, betont der Amtsleiter für Wirtschaftsförderung, Alexander Scharfenberg. Er sieht vor allem einen Grund, warum es für den traditionellen Einzelhandel auf der Reichenstraße schwieriger geworden ist. Die Mieten für die Gewerbeeinheiten seien zu hoch. „Es könnten schnell Nachmieter gefunden werden, wenn die Mieten pro Quadratmeter auf realistische Höhe abgesenkt werden und teilweise an der Modernisierung der Immobilien gearbeitet wird“, betont Alexander Scharfenberg.

Händler beklagen zu hohe Mieten

Als viel zu hoch empfand beispielsweise Susanne Richter die Miete. Sie war bis zum Sommer Inhaberin der „Kräuterhexe“ und verkaufte auf der Reichenstraße Tees, Gewürze und Naturkosmetik. Jetzt findet man sie in der „Grünen Ecke“ in der Wendischen Straße. Auch die Inhaberin von „Annes Boutique“ berichtet von einer saftigen Miete, die von ihr für das Geschäft in der Reichenstraße abverlangt wurde. „Wenn ich überlege, was wir dafür für eine Bruchbude bekommen haben“, sagt Anne Wolfermann. Vor allem der hintere Bereich des Hauses, wo Büro und Küche lagen, befand sich in einem schlechten Zustand. „Wir haben viel selbst gemacht“, sagt die Einzelhändlerin.

Die Mieten seien für unsanierte Geschäfte in der Reichenstraße zu hoch, findet auch Bautzens Citymanagerin Gunhild Mimuß, die im Rahmen ihrer Arbeit viel mit den Händlern vor Ort zu tun hat und deren Sorgen kennt. Hier müssten die Hauseigentümer ihre Forderungen nach unten korrigieren. Nach Einschätzung der Citymanagerin wäre etwa eine Kaltmiete von zwölf Euro pro Quadratmeter akzeptabel, jedoch nur, wenn das Haus saniert ist. Mimuß weiß, wie schwer die wirtschaftliche Situation vor allem für die kleinen Läden ist. Der Online-Handel sei der Hauptfaktor, der den stationären Einzelhandel um seine Kunden bringe. Aber auch das Parken in Bautzen sei nach wie vor ein Problem. „Es kann sein, dass noch mehr Einzelhändler aufhören“, befürchtet die Citymanagerin.

Makler sagt: Es gibt nichts Besseres in Bautzen

Die Reichenstraße als Haupteinkaufsstraße in der Altstadt gehöre mit dem Kornmarkt-Center zur A-Lage. „Etwas Besseres gibt es nicht in Bautzen“, erklärt Tobias Richter vom Bautzener Maklerunternehmen Hornig Immobilien. „15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter ist dort Standard, und es gibt durchaus Ladeneinheiten, die für 22 Euro plus X vermietet werden.“ Solche Kosten seien für den kleinen Einzelhändler schwerer zu erwirtschaften als für Filialisten, bestätigt auch Richter. Wie lange nun die Schaufenster in der Reichenstraße leer bleiben, lasse sich nicht abschätzen, sagt der Immobilien-Experte. Der Makler geht aber nicht davon aus, dass die Eigentümer von Gebäuden in solch prädestinierten Lagen ihre Mieten senken werden.

Für Anne Wolfermann ist dagegen klar: Die Mieten auf der Reichenstraße seien nicht zeitgemäß. „Die Eigentümer sollten froh sein, wenn sie beständige Mieter haben,“ findet die Händlerin. Denn die Konkurrenz des Internets macht es dem Einzelhandel schwer. Auch die Boutique-Inhaberin hat Kunden erlebt, die in ihr Geschäft kamen, Sachen mit dem Handy fotografierten, um dann zu gucken, wo sie die billiger kriegen. Für Anne Wolfermann ist nach über drei Jahrzehnten Schluss mit dem Handel. An diesem Sonnabend schließt sie ihr letztes Modegeschäft in Löbau.

Bei der Stadtverwaltung gibt es seit geraumer Zeit die Idee, einen Mitarbeiter bei der Wirtschaftsförderung einzustellen, der gegen den Leerstand angeht. Nach Bestätigung des aktuellen Haushalts, was in den nächsten Tagen erfolge, soll eine neue Stelle fürs Leerstandsmanagement ausgeschrieben werden, teilt Stadtsprecher André Wucht mit. Dieser würde eine Vermittlerrolle zwischen Händlern und Vermieter einnehmen. Zu seinen Aufgaben würde gehören, sich einen Überblick über den tatsächlichen Leerstand in der Stadt zu verschaffen, nach den konkreten Ursachen zu suchen und eventuell auch Umnutzungen von Ladeneinheiten vorzuschlagen.