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Israelis nehmen Polizei unter die Lupe

Beamte geben Einblick in ihren Arbeitsalltag und sollen so ein freundliches und weltoffenes Bild von Deutschland vermitteln.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan hönigschmid

Ein betrunkener Mann fährt Freitagmorgen mit seinem Auto in Schlangenlinien die Berghausstraße unweit des Wellenspiels herunter. Als die Polizei ihn stoppt, fällt den Beamten nicht nur sein starker Alkoholgeruch auf, sondern außerdem zwei leere Bierflaschen auf dem Beifahrersitz.

Als er sich partout weigert auszusteigen und seine Papiere nicht zeigen will, ziehen ihn die Beamten heraus und legen ihn in Handschellen. Ein Alkoholtest ergibt einen Wert von 1,1 Promille. Jetzt muss er sich wegen Trunkenheit im Verkehr vor Gericht verantworten.

Glücklicherweise ist diese Situation inszeniert. Bei dem Mann handelte es sich in Wirklichkeit um einen Polizisten, der den Alkoholsünder lediglich gespielt hat.

Grund dafür war der Besuch von zwölf israelischen Jugendlichen der Kinder- und Jugend-Alijah, die sich seit vorigem Sonntag eine Woche lang in ganz Sachsen über die Arbeit der Polizei informieren. Bei der Kinder-und Jugend-Alijah handelt sich um eine Organisation, die in Israel Jugenddörfer für benachteiligte Jugendliche betreibt, um ihnen zu helfen, ein ordentliches und rechtschaffenes Leben zu führen.

„Die Teilnehmer kommen aus zerrütteten Verhältnissen, einige sind Waisen und Halbwaisen. Sie sind in der Regel nicht mit der Gewissheit aufgewachsen, dass sie der Polizei vertrauen können“, sagt die Geschäftsführerin des deutschen Ablegers der Kinder- und Jugend-Alijah, Pava Raibstein.

Doch trotz der früheren Skepsis möchten die 17- und 18-jährigen Männer und Frauen aus dem Jugenddorf Kannot jetzt selbst gern Polizisten werden. Insgesamt sind drei der 125 Dörfer auf die Polizeiausbildung spezialisiert. „Hintergrund ist zudem, dass in Israel grundsätzlich jeder zwölf Jahre zur Schule gehen muss. Weil trotzdem nicht alle Schüler für eine akademische Laufbahn infrage kommen, können sie auch einen Beruf erlernen“, so Raibstein.

Die Kooperation mit der sächsischen Polizei besteht mittlerweile seit sieben Jahren und beinhaltet neben dem Erfahrungsaustausch auch eine historische Komponente. „In der Nazizeit waren die Polizisten oft die letzten Gesichter, die die jüdischen Kinder vor der Deportation gesehen haben. Heute hingegen erlebt eine spätere Generation eine freundliche und weltoffene Polizei, die israelische Kinder coacht und sie in ihrem Berufswunsch bestärkt“, beschreibt Raibstein den Kontrast.

Zusätzlich zu der Alkoholfahrt erlebten die Teilnehmer noch die Demonstration einer Geschwindigkeitsübertretung in einer Tempo-30-Zone. „Wir haben ihnen gezeigt, wie unser Laser-Messgerät funktioniert und welche Daten wir erheben müssen“, sagte Polizeioberkommissar Enrico Lange.

Damit die Gäste ein vollständiges Bild bekommen, haben sie auch das Polizeirevier und später das Amtsgericht aufgesucht, um zu verstehen, auf welchem Wege Ordnungswidrigkeiten und Straftaten aufgearbeitet werden. Am Rande wurde zudem ein wenig gefachsimpel , welche Unterschiede es zwischen Deutschland und Israel gibt. So ist zum Beispiel bei Alkoholfahrten in dem jüdischen Staat keine Blutentnahme notwendig, um die Promillezahl zu beweisen, der Atemtest reicht aus.

Auf ihrer Tour durch Sachsen hatten die Teilnehmer zuvor die Bereitschaftspolizei in Leipzig sowie das frühere Konzentrationslager in Buchenwald besucht.