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Irrsinn mit Methode

Gerichte und die Verwaltungen bekommen es immer häufiger mit Reichsbürgern zu tun.

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Von Peggy Zill

Reichsbürger sind Einwohner, auf die jede Stadt gern verzichtet: Briefe nehmen sie nicht entgegen, Dienstausweise akzeptieren sie nicht, Verordnungen erkennen sie nicht an und dementsprechend zahlen sie auch keine Bußgelder. Hartha ärgert sich im Moment mit einem Reichsbürger rum und die Verwaltung weiß nicht, wie sie sich durchsetzen kann. Dabei gibt es Mittel und Wege.

Drei Gruppierungen, die den Staat nicht anerkennen

Amtsgerichtsdirektor Lutz Hasselmann sammelt die Schreiben seit Monaten. Der „GSD/GSDI-Trust des indigenen Volkes Germanitiens“ verstopft regelmäßig das Faxgerät des Gerichts und macht Schadensersatzforderungen geltend. Manchmal sind es bis zu 20 Millionen Euro. Eine Vielzahl staatlicher Stellen bekommt solche Post. Hasselmann bezeichnet die Germaniten als „Interessenvertretung nicht existierender Dritter“. Sie sind eine der Gruppierungen innerhalb der Reichsbürgerbewegung. Die zweite Gruppe bilden die freien Bürger. Die haben sich irgendwann eine Urkunde ausgestellt, die sie als freie Bürger bezeichnen, für die die Gesetze der Bundesrepublik nicht gelten. Und dann sind da noch die Reichsbürger. Sie leugnet die Existenz der Bundesrepublik und geben sich der Fiktion eines völkerrechtlich fortbestehenden „Deutschen Reiches“ beispielsweise in den Grenzen von 1937 hin. Die Bundesrepublik Deutschland sei nur eine „GmbH“. Sie akzeptieren die deutsche Gerichtsbarkeit genauso wenig wie den Staat an sich.

Alle drei Gruppen haben eins gemeinsam: „Mit denen hat man keine gemeinsame Argumentationsebene“, sagt Lutz Hasselmann. „Sie sind argumentativ nicht greifbar, weil sie uns nicht anerkennen.“ Eine Diskussion habe deshalb keinen Sinn.

Reichsbürger zahlen nicht, nehmen aber gern Geld an

Die Reichsbürger tauchen meist auf, wenn man etwas von ihnen will: Sie wehren sich gegen Bußgelder wegen Falschparkens oder zu schnellen Fahrens, Gebührenbescheide oder Anzeigen. „Wenn sie aber etwas wollen, zum Beispiel Leistungen vom Staat beziehen, sind sie normale Bürger“, hat Lutz Hasselmann beobachtet. Ein Motiv der „Reichsbürgerschaft“ können Geldprobleme sein. „Viele sind aber auch einfach nur Wichtigtuer, die sich in zweifelhaften Kreisen bewegen.“ Man darf sie nicht mit Querulanten verwechseln. Die belästigen die Gerichte zwar auch regelmäßig, aber sie benutzen die Rechtsordnung, um ihr Recht durchzusetzen. Zehn bis 20 Reichsbürger beschäftigen das Döbelner Amtsgericht derzeit. Das Problem: Sie schreiben und erscheinen mehrmals im Jahr.

Bei Vergehen schnell und konsequent handeln

Der Verfassungsschutz rät, nicht mit Reichsbürgern zu diskutieren. Denn Reichsbürger verfolgen damit das Ziel, Verwirrung zu stiften, um staatliche Stellen vom rechtlich gebotenen Handeln abzulenken. Stattdessen sollten die staatlichen Stellen schnell und konsequent handeln. Beleidigungen, Bedrohungen und weitere strafrechtlich relevante Verhaltensweisen sollten unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden angezeigt werden. Dienstlicher Schriftwechsel mit Reichsbürgern sollte auf das absolut notwendige Mindestmaß beschränkt bleiben. Insbesondere Widersprüche oder ähnliche Schriftsätze, in denen die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland angezweifelt wird, sind schlicht als unbegründet zurückzuweisen.

Man darf Reichsbürger weder ernstnehmen noch auslachen, sagt der Amtsgerichtsdirektor. „Wenn ständig neue Anträge kommen, muss man nicht ständig darauf antworten.“ Da es sich um die immergleichen Sachverhalte mit den immergleichen Antworten handelt. Hasselmann bekommt selbst regelmäßig Faxe von einem Reichsbürger aus Döbeln, der sich dann weiter oben beschwert, wenn der Amtsgerichtsdirektor nicht antwortet. „Ich habe ihm zwei Briefe geschrieben. Die kamen zurück mit dem Vermerk ‚Kein Briefkasten‘ vorhanden.“

Auch wenn sich die Reichsbürger weigern, Gericht und Staat anzuerkennen, können sie sich nicht ganz entziehen. „Urteile werden gegen sie genauso durchgesetzt“, sagt Lutz Hasselmann. Wenn es um Geldstrafen geht, ist die Erzwingungshaft das Mittel, das hilft, wenn diese nicht bezahlt werden. „Es gibt viele, die die Strafen aus Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht zahlen und warten, bis der Haftbefehl kommt.“ Aber selbst wenn es für ein paar Tage ins Gefängnis geht, bleibt die Geldstrafe erhalten.

Für die Stadt Hartha hat Lutz Hasselmann einen Tipp: Das sogenannte Verwaltungsvollstreckungsgesetz einfach durchsetzen. Briefe gelten als zugestellt, auch wenn sie nur an der Haustür befestigt sind. Wenn der Reichsbürger die Bußgelder nicht zahlt, folgt der Erzwingungshaftbefehl.