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Inzucht bei Katzen

In Markersdorf haben Anwohner Tiere eingefangen und tierärztlich versorgen lassen. Doch das Problem bleibt.

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© steffen füssel, steffen fuessel

Von Constanze Junghanß

Herrenlose Katzen, die von Tierfreunden gefüttert werden, sind auch auf den Dörfern keine Seltenheit. Die Friedersdorfer Tierärztin Angela Besecke wurde jetzt in der Gemeinde Markersdorf um Hilfe gebeten. Dort hatten Anwohner zwölf offensichtlich herrenlose Tiere schon seit Längerem versorgt. Nun wollten sie verhindern, dass sich die Katzen weiter vermehren. Mit Lebendfallen und über mehrere Tage hinweg gelang es ihnen, die Tiere einzufangen. Das Veterinäramt war über die Aktion informiert, bestätigt Frau Besecke. Vier Katzen des Rudels waren bereits befruchtet. Der Tierärztin blieb nichts anderes übrig, als die höchstens zehn Tage alten Föten unter Vollnarkose zu entfernen. Hätten die Katzenbabys nach etwa 60 Tagen das Licht der Welt erblickt, wäre das Rudel rasant auf eine unüberschaubare Größe angewachsen. Ein unkastriertes weibliches Tier kann zweimal im Jahr Welpen bekommen und aufziehen – pro Wurf bis zu acht Welpen. Inzucht sei nicht selten, weiß Angela Besecke. Die Katzen würden dann immer kränker, blieben extrem kleinwüchsig und litten unter Behinderungen wie beispielsweise einem Wasserkopf. Die Kleinwüchsigkeit war bei der Markersdorfer Katzengruppe schon offensichtlich.

„Jungtiere können bereits nach acht bis zehn Monaten geschlechtsreif sein und erneut für Nachwuchs sorgen“, heißt es vonseiten des Görlitzer Veterinäramtes. Das berge auch insofern Probleme, dass bei hoher Populationsdichte das Nahrungsangebot immer knapper und der soziale Stress größer werde. „Beides bedingt eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit“, sagt Julia Bjar, Öffentlichkeitsmitarbeiterin vom Landratsamt. Erkrankte Katzen würden die öffentliche Sicherheit im Bereich des Gesundheitsschutzes beim Tier – aber auch beim Menschen – gefährden. Nicht zuletzt würden die Katzen aus solchen Rudeln erheblich unter ihrer Situation leiden.

Deutschlandweit leben etwa zwei Millionen herrenlose Katzen auf der Straße, in Hinterhöfen, auf Dörfern und in Ruinen. Diese Zahl veröffentlicht der Deutsche Tierschutzbund. Um eine weitere Ausbreitung und Tierleid zu verhindern, haben aktuell mindestens 638 Städte und Gemeinden im Land die Kastrationspflicht für Freigängerkatzen eingeführt. „Unkastrierte Hauskatzen verschärfen das Problem, da sie sich mit verwilderten Tieren paaren und somit für weiteren Nachwuchs sorgen“, so Julia Bjar.

Und dennoch ist die Kastrationspflicht im Landkreis Görlitz derzeit kein Thema, wie das Veterinäramt auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung mitteilt. Vielmehr verweist die Behörde auf das Tierschutzgesetz, nach dem die Landesregierungen ermächtigt sind, entsprechende Rechtsverordnungen zu veranlassen. Bisher habe Sachsen davon noch keinen Gebrauch gemacht. Es gibt allerdings eine Ausnahme im Freistaat. Auf die verweist Julia Bjar: Radeberg hat 2011 eine Kastrationspflicht eingeführt und in ihrer Polizeiverordnung verankert. Diese Möglichkeit hätten die Kommunen, um der unkontrollierten Vermehrung von Katzen vorzubeugen.

Dem Görlitzer Tierheimchef Frank Vater ist das Problem bekannt. Während das Landratsamt – ohne Zahlen zu nennen – keinen Anstieg der Wildkatzen-Populationen im Kreisgebiet annimmt, sieht der Tierheimleiter eher eine leichte Zunahme solcher Fälle. „Vor allem in Gartensparten werden wir gerufen, aber auch in leerstehenden Gebäuden im Görlitzer Stadtgebiet leben die Tiere“, sagt er. In Reichenbach und Königshain gab es ebenfalls in der Vergangenheit Kastrationsaktionen. In der Regel werden die so kastrierten Katzen nach der Operation an ihren Fundstellen wieder freigelassen. Das passierte auch in Markersdorf so. Wer allerdings die Kosten übernimmt, ist eine behördliche Gratwanderung. Zwar haben laut dem Veterinäramt die Tierschutzvereine die Möglichkeit, Fördergelder bei der Landesdirektion Sachsen für die Kastration herrenloser verwilderter Katzen zu beantragen. „Dieser Fonds ist jedoch sehr begrenzt“, so Julia Bjar. Die ausgezahlten Gelder seien so gering, dass eine ausreichende Unterstützung durch die Tierheime nicht erbracht werden könne. Diese sind auf Spenden und unterstützende Tierärzte angewiesen. 2016 hat das Görlitzer Veterinäramt einen Teil solcher Kastrationskosten anteilig übernommen. Für 2018 plant das die Behörde nun ebenfalls.