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Inventur im Park

Steffen Etzold ist Baumkontrolleur. Die SZ war mit ihm in Freital unterwegs.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Carina Brestrich

Freital. Mit Bäumen ist es wie mit Menschen. „Die müssen ab einem gewissen Alter zur Vorsorgeuntersuchung, auch wenn sie nicht krank sind“, sagt Steffen Etzold. Der Fachmann für Bäume steht in der Parkanlage auf dem Goetheplatz, vor ihm sein nächster Patient: eine Platane. „Wie beim Arzt bekommt jeder Patient eine Akte, in der alle Daten festgehalten werden“, sagt er und beginnt mit der Untersuchung. Etzold greift zu einem kameraähnlichen Kästchen, geht ein paar Schritte zurück und wirft einen Blick durch die Linse. Dank Lasertechnik zeigt das Display auf dem Gerät wenige Sekunden später, wie hoch der Baum ist: 29,4 Meter trägt Etzold in das Datenblatt auf seinem Klemmbrett ein.

Gestochen: Mit einer Metallnadel werden Risse und Schadstellen untersucht. So lässt sich erkennen, wie tief die Schäden gehen.
Gestochen: Mit einer Metallnadel werden Risse und Schadstellen untersucht. So lässt sich erkennen, wie tief die Schäden gehen. © Karl-Ludwig Oberthür
Geklopft: Per Diagnosehammer wird der Stamm abgeklopft. Auf diese Weise werden Hohlräume im Stamm hörbar.
Geklopft: Per Diagnosehammer wird der Stamm abgeklopft. Auf diese Weise werden Hohlräume im Stamm hörbar. © Karl-Ludwig Oberthür
Gemessen: Mit einem speziellen Maßband werden Umfang und Durchmesser des Baumes ermittelt.
Gemessen: Mit einem speziellen Maßband werden Umfang und Durchmesser des Baumes ermittelt. © Karl-Ludwig Oberthür

Jedem Baum eine Akte geben, das ist Steffen Etzolds Job. Der Forstwirt ist zertifizierter Baumkontrolleur. In Dresden betreibt er ein Umweltbüro, das deutschlandweit im Einsatz ist, unter anderem Gutachten erstellt und Planungen anfertigt. Auch die Erfassung von Bäumen gehört zu den Leistungen. So wie jetzt in Freital: Im Auftrag der Stadt erstellen Etzold und sein Team ein sogenanntes Baumkataster.

Das ist eine Art Inventur, die dazu dient, der Stadt einen Überblick über ihre Bäume zu geben: Welche Arten von Bäumen stehen wo? Wie alt und wie groß sind sie? Wie ist ihr Zustand? Das alles erfassen Etzold und seine Mitarbeiter. Seit vergangenem Sommer sind sie in der Stadt unterwegs, begutachten die Bäume in Parks, an den Straßenrändern und auf allen anderen Flächen im öffentlichen Raum, die der Stadt gehören. 5 000 Bäume haben sie bereits erfasst. Schätzungsweise 2 000 haben sie noch vor sich.

Steffen Etzold klopft mit einem Kunststoff-Hammer gegen den Stamm der Platane. „Der Diagnosehammer macht Hohlräume im Stamm hörbar“, erklärt Etzold. In verschiedenen Höhen klopft Etzold immer wieder gegen den Stamm. Der Ton bleibt immer der gleiche. Ein gutes Zeichen. „Hätte der Baum Hohlräume, könnte Fäulnis ein Grund sein“, sagt er. Die Stadt müsste dann gegebenenfalls handeln. Hintergrund ist die sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Fallen beispielsweise tote Äste herab und treffen eine Person, kann unter Umständen die Stadt dafür haftbar gemacht werden. Deshalb müssen die Bäume, die sich im öffentlichen Raum befinden, in gewissen Zeitabständen kontrolliert werden. Für die Stadt ist das Baumkataster eine wichtige Grundlage. Denn darin werden auch alle Abnormalitäten beim Wuchs, wie Astgabelungen, oder Schäden, etwa Risse, Faulstellen oder Höhlen, festgehalten. „Das heißt nicht, dass der Baum gleich umgesägt werden muss“, sagt er. Je nach Schaden aber muss der Baum in kürzeren oder längeren Abständen begutachtet werden.

Die Besucher des Goetheplatzes müssen sich keine Sorgen machen. Etzold kann an diesem Tag keine Schäden feststellen, die Passanten gefährlich werden könnten. Das liegt wohl auch an der Vielfalt der Bäume, die in dem 1897 angelegten Park stehen. „Damals war es Mode, Exoten zu pflanzen“, sagt er. So wie den Tulpenbaum, der eigentlich in den Feuchtgebieten Nordamerikas beheimatet ist. Oder die Silberlinde, die vor allem in Südosteuropa und Kleinasien vorkommt.

Sie ist Etzolds nächster Patient. Wieder greift Etzold zu seinen Werkzeugen. Per Fernglas sucht er die Krone nach Totästen ab, mit dem Maßband wird die Dicke des Baums gemessen. Nachdem er alle Daten erfasst hat, schießt Etzold noch ein Foto vom Baum. Die Daten werden später am Computer in eine Datenbank übertragen, Jeder Baum hat dabei eine eigene Nummer. So können Etzold und seine Mitarbeiter die Patientenakte bei späteren Kontrollen vor Ort einfach aufrufen. Für die etwa 40 Bäume auf dem Goetheplatz braucht Steffen Etzold einen Arbeitstag. Sein Fazit bisher: „Freital ist eine grüne Stadt.“ Und: Die Bäume sind überwiegend gesund. Das liegt daran, das viele noch vergleichsweise jung sind, sagt Steffen Etzold. Auch da sei es eben wieder wie bei den Menschen: „Je älter der Baum, umso größer die Gefahr vor Krankheiten“, sagt der Baum-Fachmann