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Ins Auge gegangen

Eine Besucherin aus Leipzig benötigt akut augenärztliche Hilfe. Im Krankenhaus Pirna wird sie allerdings nicht fündig.

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© Daniel Schäfer

Von Mareike Huisinga

Pirna. Den 30. September werden Heiderose und Volkmar Heerde nicht vergessen. Das Paar aus Leipzig besucht Verwandte in Graupa. Es ist ein schöner Spätsommer-Nachmittag. Man sitzt draußen im Garten. Plötzlich verspürt Heiderose Heerde einen extrem starken Juckreiz im linken Auge. Es tränt und schwillt an. Die Betroffene ist erschrocken, genauso wie ihr Mann. Ein Notfall. Es ist Sonnabend. Die Augenarztpraxen haben geschlossen. Was tun?

Kurzentschlossen fährt Volkmar Heerde mit seiner Frau auf den Sonnenstein, um im Krankenhaus Pirna Hilfe zu bekommen. Doch hier folgt die Ernüchterung. „Die Dame an der Rezeption teilte uns mit, dass es keinen augenärztlichen Notdienst im Pirnaer Krankenhaus gebe“, berichtet Volkmar Heerde.

Auch auf die Bitte, ob sich ein Allgemeinmediziner des Krankenhauses das Auge anschauen könnte, lehnt die Rezeptionistin ab. „Ein Allgemeinmediziner war nicht vor Ort, lediglich ein Chirurg und ein Gynäkologe, teilte man uns mit“, berichtet der Leipziger. Die Dame an der Rezeption verweist das Ehepaar an das zuständige Krankenhaus in Dresden-Friedrichstadt. Dorthin fahren die Heerdes, wo die Patientin von einem Facharzt behandelt wird. Er stellt eine allergische Reaktion auf ein Insekt fest. Erst nach vier Tagen geht es der Leipzigerin wieder gut.

Trotz der Genesung kann Volkmar Heerde nicht verstehen, warum es weder einen augenärztlichen Notdienst noch einen Allgemeinmediziner im Krankenhaus gab, der eine erste Diagnose hätte abgeben können. „Dieser Zustand ist für die Große Kreisstadt Pirna mit einem großen Krankenhaus wahrlich kein gelungenes Aushängeschild“, betont Volkmar Heerde.

Doch das Helios-Klinikum Pirna will sich nichts vorwerfen lassen. Das Krankenhaus sei nicht für die augenärztliche Versorgung zugelassen und habe daher keine Augenärzte, teilt Kliniksprecherin Kristin Wollbrandt mit. In Pirna selbst gebe es sechs niedergelassene Augenärzte. „Auch wir als Klinikum nehmen für augenärztliche Fragestellungen kompetente Augenärzte in Anspruch“, erklärt sie. Ein Allgemeinmediziner sei im Bereitschaftsdienst in dem Klinikum nicht tätig, sondern lediglich Fachinternisten. Diese Mediziner versorgen lebensbedrohliche Notfälle und operative Befunde im Rahmen des Versorgungsauftrages, aber eben keinen solchen Fall, wie den der Familie Heerde. Deshalb sei die Patientin nach Dresden weitergeschickt worden.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KV) mit Sitz in Dresden bestätigt auf Anfrage der Sächsischen Zeitung, dass es keinen augenärztlichen Notdienst in Pirna gibt. „Aufgrund der relativ geringen Anzahl an Augenärzten ist es im Bereich Pirna nicht möglich, einen eigenständigen augenärztlichen Bereitschaftsdienst vorzuhalten“, sagt Michael Rabe, Geschäftsführer der KV. Aus diesem Grund wurde der frühere augenärztliche Bereitschaftsdienst in Pirna bereits vor mehreren Jahren aufgelöst. Seitdem sind die Pirnaer Augenärzte im augenärztlichen Bereitschaftsdienst in Dresden eingegliedert, führt Rabe weiter aus.

Von einer augenärztlichen Unterversorgung in der Region Pirna möchte er aber nicht sprechen. Aus Sicht der KV Sachsen sei es für Patienten aus dem Raum Pirna durchaus zumutbar, den augenärztlichen Notdienst in Dresden aufzusuchen. „Die Verkehrsanbindung von Pirna einschließlich des ÖPNV ist gut, sodass der augenärztliche Bereitschaftsdienst, ebenso wie die Notfallambulanz der Augenklinik des Universitätsklinikums, mit vertretbarem Aufwand erreichbar ist“, betont der Geschäftsführer.