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Infinus-Prozess wackelt mehr denn je

Die gesamte Verteidigung hält den Vorsitzenden Richter für befangen. Bei einem Freispruch kämen auf die sächsische Justiz immense Schadenersatzforderungen zu.

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© Ronald Bonß

Alexander Schneider und Ulrich Wolf

Dresden. Der Betrugsprozess um den Dresdner Finanzdienstleister Infinus hat am Donnerstag vor dem Abbruch gestanden. Alle zwölf Verteidiger stellten am 17. Prozesstag einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzender Richter Hans Schlüter-Staats. Sie werfen ihn heimliche Absprachen mit dem Sachverständigen der Staatsanwaltschaft sowie eine intransparente Verhandlungsführung vor.

Verfasser des Antrags sind die Verteidiger des Hauptbeschuldigten und Infinus-Gründers Jörg Biehl. Den Anwälten Ulf Israel und Alexander Hübner zufolge nahm der Richter am Rande der Verhandlung den Sachverständigen Knop beiseite und redete minutenlang auf ihn ein. Des Weiteren habe sich der Richter einen verhandlungsfreien Tag genutzt, um sich beim Landeskriminalamt mit Vertretern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche zu treffen, die das Gutachten zur Tragfähigkeit des Infinus-Geschäftsmodells im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstellt hatten. Über die Inhalte dieser Gespräche hätten die Verteidiger nur erfahren, dass es um die Erstellung eines möglicherweise weiteren Gutachtens gegangen sei. In den Akten fänden sich keinerlei Hinweise auf das Treffen zwischen Richter, diversen LKA-Beamten und den Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Das Verhalten des Vorsitzenden Richters zeige eindeutig, „dass ihm prozessuale Regeln gleichgültig sind“, schreiben die Rechtsanwälte. Er offenbare einen „durch nichts zu be-schränkenden Willen, die Angeklagten auf jeden Fall zu verurteilen“. Das wiederum sei „einhellig als Befangenheit“ zu werten.

Bereits in der vergangenen Woche war nach Angaben der Verteidigung eine als Zeugin vernommene LKA-Beamtin nicht in der Lage gewesen, die von ihr bei den Ermittlungen verwendeten Daten aus der Infinus-Buchführung schlüssig zu erklären. An der Buchführung selbst sei ihr nichts Negatives aufgefallen. Diese sei nach den Worten der Zeugin völlig einwandfrei, absolut fachgerecht und vollständig gewesen.

Die Wirtschaftskammer muss den Befangenheitsantrag nun prüfen. Das Ergbnis wird wohl am nächsten Sitzungstag bekanntgegeben.

Sollte der Prozess mit einem Freispruch der insgesamt sechs Angeklagten enden, droht der sächsischen Justiz ein finanzielles Debakel. Denn bis zur Razzia bei der Infinus-Gruppe am 5. November 2013 war der Finanzdienstleister jeder seiner Zahlungsverpflichtungen nachgekommen. Erst nach den Durchsuchungen und den Beschlagnahmungen brach das Geldhaus zusammen, fast alle der insgesamt 25 Infinus-Firmen mussten in die Insolvenz. Bei einem Freispruch drohen Schadenersatzansprüche gegen den Freistaat Sachsen in Milliardenhöhe, insbesondere durch die rund 50 000 Anleger, die nach dem Aus von Infinus ihr dort angelegtes Geld zum Großteil verloren haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft den angeklagten sechs Infinuns-Managern vor, ihren Kunden die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells nur vorgespielt zu haben. In Wirklichkeit habe es sich um ein Schneeballsystem gehandelt. Allein zwischen Nov. 2011 und Nov. 2013 sei bei rund 22 000 Anlegern ein „Mindestschaden in Höhe von 156 Millionen Euro“ entstanden.