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Infinus-Prozess tritt auf der Stelle

Die Angeklagten stellen immer neue Befangenheitsanträge. Offenbar wollen sie die Strafkammer zermürben.

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© Ronald Bonß

Von Ulrich Wolf

Dresden. Die fünfte Strafkammer des Landgerichts Dresden gerät im Betrugsprozess um den Dresdner Finanzdienstleister immer mehr unter Druck. Am späten Montagabend stellten die sechs angeklagten Manager zwei weitere Befangenheitsanträge. Der erste richtet sich gegen alle vier Richter der Kammer, der zweite speziell gegen den beisitzenden Richter Axel Theile.

Bereits am Vormittag hatte die Kammer einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats abgelehnt. Sie sehe nicht genügend Hinweise für „ein berechtigtes Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters“, hieß es in der Begründung. Im Verhalten des Richters sei keine „mutwillige Intransparenz“ zu entdecken, erst recht „keine Geheimniskrämerei“.

Offensichtlich rang die Kammer lange um eine Entscheidung über diesen bereits am vergangenen Donnerstag gestellten Befangenheitsantrag. Der 18. Prozesstag in dem Betrugsverfahren jedenfalls begann mit fast vierstündiger Verspätung. In einer persönlichen sowie dienstlichen Stellungnahme versicherte Schlüter-Staats, er habe sich korrekt verhalten. Das gelte sowohl für die beanstandeten Gespräche mit dem Wirtschaftsprüfer der Staatsanwaltschaft sowie für seinen Termin mit Buchhaltungsexperten des Landeskriminalamts. Die Verteidiger seien darüber zwar spät, allerdings hinreichend informiert worden.

Die Angeklagten hingegen hatten in dem Antrag bemängelt, die Gespräche hinterm Rücken der Verteidiger zeigten, dass dem Richter „prozessuale Regeln gleichgültig sind“. Er offenbare einen „durch nichts zu beschränkenden Willen, die Angeklagten auf jeden Fall zu verurteilen“, hieß es. Das wiederum sei „einhellig als Befangenheit“ zu werten. Schlüter-Staats setzte nach der Ablehnung des Antrags die Verhandlung mit den süffisant wirkenden Worten fort: „Damit bin ich genötigt, den Prozess fortzusetzen.“

Die sechs Angeklagten waren darüber offenbar nicht erfreut. Sie halten diese Begründung zumindest in Teilen für unzureichend. Erst recht, nachdem am Nachmittag der Chefermittler des Landeskriminalamtes im Infinus-Fall, Kay Mattheß, als Zeuge ausgesagt hatte. Einige Verteidiger befragten ihn zu der Terminabsprache zwischen dem Vorsitzenden Richter und seinen Spezialistenkollegen für Buchführung in der Abteilung Wirtschaftskriminalität. Dabei antwortete Mattheß teilweise konfus, teilweise konnte er sich nicht mehr erinnern. Auch dementierte er eine schriftliche Stellungnahme einer LKA-Kollegin. Dieser zufolge waren der Termin beim Landeskriminalamt sowie der Inhalt des Gesprächs mit dem Richter über Mattheß persönlich geregelt worden sei. „Dem war nicht so“, sagte der Chefermittler.

Wegen dieser „deutlichen Widersprüche“ zwischen der Aussage von Mattheß und der schriftlichen Erklärung seiner LKA-Kollegin stellte dann der angeklagte Andreas Kison über seine Verteidiger einen neuen Befangenheitsantrag - und zwar gleich gegen alle vier am Prozess beteiligten Richter. Die Kammer respektiere offenbar bewusst den Verstoß gegen elementare Bestimmungen der Strafprozessordnung, hieß es. Zudem kam zu einem dritten Befangenheitsantrag, der sich explizit gegen den beisitzender Richter Alex Theile richtete. Dem Neuling am Landgericht Dresden wurde indirekt unterstellt, er unterstütze den Vorsitzenden Richter lediglich, um Karriere zu machen. Die ursprünglich für den kommenden Mittwoch und Donnerstag anberaumten Prozesstage fallen nun aus. Vorraussichtlich geht es erst am Montag in einer Woche weiter.

Zuvor hatte der Bundesbanker Christian Trinks, der in Leipzig für die Finanzaufsicht des zentralen Geldhauses arbeitet, eingeräumt, dass es bereits im Jahr 2007 einen Geldwäscheverdacht gegen Infinus gegeben habe. Dazu habe es auch Ermittlungen im Saarland gegeben. Die ersten konkreten Anfragen der Dresdner Staatsanwaltschaft zu Infinus hätten ihn Mitte Juni 2013 erreicht. Dennoch seien die Aufsichtsgespräche mit dem Finanzdienstleister durch die Bundesbank fortgesetzt worden.

Anonyme Anzeigen gegen das Dresdner Finanzinstitut - etwa aus dem Jahr 2012 - seien dabei nicht thematisiert worden. Die Bundesbank sprach keinen Vetriebsstopp für Infinus-Produkte aus. Als ihn ein Verteidiger mit der Behauptung konfrontierte, allein zwischen Juni 2013 und der Razzia im November 2013 habe Infinus noch einmal rund 100 Millionen Euro bei Anlegern einsammeln können, sagte der Bundesbanker nur: „Das kann ich mir gut vorstellen.“

Die Staatsanwaltschaft wirft den angeklagten sechs Infinus-Managern vor, ihren Kunden die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells nur vorgespielt zu haben. In Wirklichkeit habe es sich um ein Schneeballsystem gehandelt. Allein zwischen November 2011 und November 2013 sei bei rund 22 000 Anlegern ein „Mindestschaden in Höhe von 156 Millionen Euro“ entstanden.