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Infinus-Gründer erscheint nicht vor Gericht

Jörg Biehl beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Zivilprozess in Leipzig wird dennoch fortgesetzt.

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© dpa

Von Sven Heitkamp und Ulrich Wolf

Leipzig. Sogar die CDU blickte gestern nach Leipzig. Zumindest die CDU des Ortsverbands Duisburg-Homberg. Insgesamt 10 000 Euro hatten die Chrisdemokraten aus dem Ruhrpott beim Dresdner Finanzdienstleister Infinus angelegt. „Es tut mir in der Seele weh, dass das Geld der CDU Homberg wohl futsch ist“, sagt der damals zuständige Ortsverbandsvorsitzende Frank Smejkal der Rheinischen Post. „Wir wollten etwas mehr Zinsen bekommen als auf dem Girokonto und Sparbuch; dass wir Betrügern aufgesessen sind, konnten wir damals doch nicht ahnen.“

Ob die führenden Köpfe von Infinus wirklich Betrüger sind, steht noch nicht fest. Erst in diesem Monat – gut drei Jahre nach dem Beginn der Ermittlungen – soll die Anklage der Dresdner Staatsanwaltschaft fertig werden. Und erst danach könnte es zu einem Strafprozess kommen.

Zivilrechtlich hingegen laufen bereits zahlreiche Verfahren, von Schleswig bis Konstanz, vom Saarland bis nach Sachsen. Und so bevölkern auch gestern Vormittag wieder jede Menge Anwälte den großen Saal 115 des Leipziger Landgerichts.

Dort fordert der 57 Jahre alte Elektronikingenieur Gerold Bläsche aus Neustadt in Sachsen Schadenersatz. Er hatte bei Infinus 75 000 Euro als Altersvorsorge angelegt. Wie den Duisburger Christdemokraten droht auch ihm der Totalverlust.

Bläsches Klage richtet sich gegen das Privatvermögen fünf ehemaliger Köpfe von Infinus. Doch die Schlüsselfigur des vermeintlichen Anlageskandals, Firmengründer Jörg Biehl, erscheint erst gar nicht. Der 53-Jährige ist in Leipzig allerdings nicht Beklagter, er sollte vielmehr als wichtigster Zeuge gehört werden. Seit nunmehr 19 Monaten sitzt der gebürtige Dresdner in Untersuchungshaft. Vermutlich, um sich selbst nicht zu belasten, reicht er einen anwaltlichen Schriftsatz ein, in dem er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft. Doch ob Biehl überhaupt hätte fernbleiben dürfen, will das Gericht in den nächsten Monaten klären. Zu holen gibt es bei Biehl sowieso nichts mehr: Der einst millionenschwere Firmengründer steckt in der Privatinsolvenz.

Biedenkopf als Werbebotschafter

Auch weitere einbestellte Zeugen finden an diesem Vormittag nicht den Weg ins Leipziger Landgericht, das Gerold Bläsches Fall zu einer Art Musterprozess gemacht hat. Der Neustädter ist einer von etwa 50 000 Gläubigern, die um insgesamt rund 1,72 Milliarden Euro fürchten. Infinus soll die Anleger mit einem ausgeklügelten Schneeballsystem geprellt haben. Außer Biehl sitzen seit November 2013 vier weitere Ex-Manager der Finanzgruppe in Untersuchungshaft. Zudem sollen ein wieder auf freien Fuß gesetzter Manager, zwei Goldhändler sowie der Wirtschaftsprüfer und der Steuerberater angeklagt werden.

Wie arglos Ingenieur Bläsche an die Geldanlage bei Infinus heranging, wird an diesem Vormittag nur allzu deutlich. Dem Vorsitzenden Richter, Landgerichtspräsident Karl Schreiner, erzählt er, er habe sein Glück erst mit Aktien und Festgeldanlagen bei Banken versucht, sei aber mit der Rendite unzufrieden gewesen. Dann habe er 2010 von den Infinus-Papieren erfahren. Von sechs Prozent Zinsen und mehr sei da die Rede gewesen. Das sei „eine sichere Sache“, habe man ihm gesagt, in den Prospekten habe sogar Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf für die Seriosität geworben. Bis Anfang 2013 habe er sein gesamtes Erspartes dort angelegt. „Es sah gut aus, es hat mir alles gut gefallen“, erzählt Bläsche. Eine Anlagevermittlerin habe ihm zudem gesagt, das größte Risiko sei, dass er keine Zinsen bekomme. Von einem möglichen Totalausfall sei nicht die Rede gewesen.

Auf Nachfragen von Richter Schreiner stellt sich allerdings heraus, dass Bläsche die umfangreichen Prospekte wohl nicht so genau gelesen hat. Denn dort fänden sich sehr wohl deutliche Hinweise auf exakt dieses Risiko. Zudem scheint Bläsche einem Passus vertraut zu haben, in dem zwar vom Einlagensicherungsfonds die Rede war, der aber für Ausfälle dieser Art gar nicht zuständig gewesen wäre. Der Ingenieur entgegnet schlicht: „Ich prüfe doch auch nicht bei der Sparkasse, ob die korrekt wirtschaftet.“ Richter Schreiner hat aber zudem Zweifel daran, dass den früheren Infinus-Managern mit der Prospekthaftung beizukommen ist. Die Verantwortung dafür sei bisher nicht klar nachgewiesen. Bläsches Anwälte glauben, dass sie das könnten, benötigten dafür aber die Ermittlungsakten der Dresdner Staatsanwaltschaft. Doch die bekommen sie nicht. Die Beklagten in Leipzig, die fünf ehemals führenden Infinus-Köpfe nach Biehl, spielten die „organisierte Unverantwortlichkeit“ vor, sagt Bläsches Anwalt.

Ganz ohne Hoffnung lässt Richter Schreiner Bläsche aber nicht. Zu den näheren Umständen der Geldanlage gebe es in den Prospekten kaum Hinweise; das könne man durchaus als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung werten. Mitte September wird weiterverhandelt. Dann dürfte auch wieder die CDU aus Duisburg-Homberg nach Leipzig blicken.