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Industriestadt im Wandel

Freital ist das Thema der 125. Ausgabe der Dresdner Hefte. Eine spannende Spurensuche zur Erklärung der Gegenwart.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Wenn das kein Grund zum Anstoßen war: Am 3. Juni 1993 eröffnete der damalige Freitaler Oberbürgermeister Norbert Krutzki mit der Sammlung Pappermann eine der bedeutendsten Erweiterungen des Museums auf Schloss Burgk seit seiner Gründung. Krutzki prostete dem damals 84-jährigen Stifter Friedrich Pappermann (1909-1995) zu und trank mit ihm ein Glas Sekt. Im Jahr darauf wiederholte sich die Zeremonie, als Pappermann, der Freital mehr als 200 Gemälde und rund 1 200 grafische Blätter überlassen hatte, die Ehrenbürgerwürde der Stadt bekam.

Dresdner Geschichtsverein (Hg.), „Freital – eine Industriestadt im Wandel“, Dresdner Hefte, Heft 125, 100 Seiten, 5 Euro, erhältlich u.a. auf Schloss Burgk.
Dresdner Geschichtsverein (Hg.), „Freital – eine Industriestadt im Wandel“, Dresdner Hefte, Heft 125, 100 Seiten, 5 Euro, erhältlich u.a. auf Schloss Burgk.

Dieser denkwürdige und gleichsam symbolische Augenblick ist auf Seite 74 der soeben erschienenen 125. Ausgabe der Dresdner Hefte noch einmal zu erleben. Die Fotografie, irrtümlich ein Jahr zu früh datiert, illustriert einen Beitrag von Rolf Günther, Direktor auf Schloss Burgk, über die Kunstsammlung Freital und die Stiftung Pappermann. Mit beiden ist es möglich, im Plauenschen Grund Dresdner Kunst aus zwei Jahrhunderten in einer Breite zu zeigen, wie es selbst die sächsische Landeshauptstadt nicht vermag.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass Freital mehr zu bieten hat, als eine kilometerlange Aneinanderreihung von qualmenden Betrieben, wie es zur Gründung der Stadt 1921 und bis Anfang der Neunzigerjahre durchaus der Fall war. Die Schornsteine sind längst abgerissen, das schlechte Image wird Freital allerdings so schnell nicht los. Und wenn es die Stadt mal in die Medien schafft, dann sorgt sie oft für negative Schlagzeilen, wie in diesen Tagen mit rechten und ausländerfeindlichen Protesten.

Zwölf Autoren erzählen Geschichten

Auch das ist die Stadt Freital, aber nicht nur, sie ist „eine Industriestadt im Wandel“, wie es im Titel des Heftes heißt, das der Dresdner Geschichtsverein herausgegeben hat. Redaktionell von Hans-Peter Lühr betreut, begeben sich zwölf Autoren auf Spurensuche, um Freitals Gegenwart besser verstehen zu können.

Juliane Puls und Wolfgang Vogel, beide Mitarbeiter auf Schloss Burgk, erzählen vom Steinkohlenbergbau im Döhlener Becken und würdigen Baron Dathe von Burgk anlässlich dessen 225. Geburtstags als Industriepionier. Christina Meinhardt schreibt mit Wolfgang Petrovsky über Kunst und Künstler der Stadt, und Franz Walther analysiert Freitals „radikalen politisch-kulturellen Orientierungswechsel“ im 20. Jahrhundert. Weitere Themen sind der Sozialdemokrat Kurt Heilbutt, die erste Genossenschaftsbank, die Wismut, die Sozialpolitik im Edelstahlwerk und die Arbeiterfotografie von Fritz Zimmermann.

Unter der Überschrift „Eine Insel Utopia“ befasst sich Hans-Georg Lippert mit den Planungen für ein Stadtzentrum in den Zwanzigerjahren. Die Inflation versetzte dem Projekt den Todesstoß. Bis heute hat Freital kein Zentrum, und ob es jemals eines haben wird, steht in den Sternen. Unmöglich ist es nicht: Auch bei Pappermann hatte erst keiner geglaubt, dass die Sammlung tatsächlich nach Freital kommt.