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In Zauckerode wird es international

Der Verein Zusammenleben lädt zum Nachbarschaftsfest ein. Mit Blasmusik, Hip-Hop und russischen Volksliedern.

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© Andreas Weihs

Von Thomas Morgenroth

Freital. Rot, gelb, mint, blau – „sie sind bunt wie mein Leben!“, sagt Tatjana Jurk lachend und zeigt stolz ihre lackierten Fingernägel. Sie traut sich das mit 55, und es passt zu ihr. Die Freitalerin, die bei einem Pflegedienst arbeitet, trägt die Farben an den Händen gleichsam als Symbol für ihr Engagement als Vorsitzende des Vereins Zusammenleben, bei dem es genau darum geht: Wie jeder Finger ein Finger ist, ist jeder Mensch ein Mensch, egal wie er aussieht, was er denkt und woher er kommt.

Tatjana Jurk weiß, was das heißt. Sie kam vor 15 Jahren aus Kasachstan nach Freital, als Spätaussiedlerin mit Mann, drei Kindern und den Eltern. „Ich wurde argwöhnisch angesehen, ja sogar bespuckt“, erinnert sie sich. Obwohl sie Deutsche war und ist, ihre Vorfahren stammen aus dem Elsass. Aber die Agrarwissenschaftlerin zog sich nicht beleidigt zurück, sie machte eine Ausbildung zur Interkulturellen Beraterin, studierte Sozialpädagogik – und gründete 2005 mit Gleichgesinnten den Verein „Das Zusammenleben“. Als Teil des Integrationsnetzwerkes Sachsen, das Tatjana Jurk mitgegründet hat, leistet er Aufklärungsarbeit, um die Anerkennung der Migranten und die Verständigung der Menschen untereinander zu fördern. Trotz aller aktuellen Probleme und negativer Schlagzeilen zieht sie nach elf Jahren ein positives Fazit: „Freital ist eine offene und tolerante Stadt.“

Das soll sich einmal mehr am Sonnabend beweisen. „Hallo Nachbar!“ heißt eine Veranstaltung im Rahmen der bundesweiten Interkulturellen Woche, die der Verein seit 2006 auf die Beine stellt. Das ganztägige Fest ist jedes Jahr ein Stück gewachsen und findet nun erstmals im Mehrgenerationenpark in Zauckerode statt. „Ein ideales Gelände“, findet Tatjana Jurk. Sie rechnet mit anderthalbtausend Gästen.

Die Besucher erwartet ein internationales Programm auf der Bühne, das von Charlie’s Mannen aus Zauckerode eröffnet wird. Bis zum Kehraus mit dem singenden Gastwirt Reiner Cornelsen aus Senftenberg zeigen Tänzer und Musiker ihr Können, wie der Hip-Hop-Tänzer Duy Anh Nguyen aus Vietnam, die Trommelgruppe Tussanga aus Angola oder die russischen Kinder der Vektor Schule aus Leipzig. Außerdem gibt es indische und orientalische Tänze.

Und russische Volkslieder, wie „Kalinka“ und „Moskauer Abend“, gesungen von der Freitalerin Olga Paul. Die 51-Jährige leitet seit einigen Jahren das Projekt „Hallo Nachbar!“, das nicht nur vom Verein Zusammenleben getragen wird, sondern unter anderem auch von der Wohnungsgesellschaft Freital, der Jugendhilfestation Oppelschacht, dem Willkommensbündnis Freital und der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Pesterwitz. Zu den Unterstützern gehören die Stadt Freital und deren Gesellschaften wie die Technischen Werke genauso wie private Unternehmen, etwa das Eiscafé Fischer in Potschappel.

Mehr als vierzig Mitwirkende muss Olga Paul koordinieren. „Das macht mir Spaß“, sagt die gelernte Verkäuferin. Sie stammt aus Russland und kam vor 17 Jahren mit Mann, dessen Eltern und zwei Kindern aus Usbekistan nach Freital, wo sie zum dritten Mal Mutter wurde. In der Stadt fühlt sie sich wohl: „Hier ist jetzt meine Heimat.“ Und der Verein ihr wichtigstes Betätigungsfeld. Dessen Aktivitäten hatte sie jahrelang mit einer Gesangsgruppe bereichert, die sich aber aufgelöst hat.

Nun singt sie solistisch. Olga Pauls Auftritt ist ein zehnminütiger Farbtupfer des Festes, zu dem auch zahlreiche Infostände, ein Trödelmarkt und internationale kulinarische Angebote gehören. Im Freibad Zacke findet zudem ein Beachvolleyball-Turnier statt, an dem unter anderem syrische Asylbewerber mit zwei Mannschaften teilnehmen, und der Sportverein Hainsberg betreut ein Street-Soccer-Turnier für Kinder. Das Nachbarschaftsfest macht so seinem Motto alle Ehre: „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt“. Es ist auch die Lebensweisheit der Vereinschefin Tatjana Jurk – nicht nur der bunten Fingernägel wegen.