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In Schleinitz ist gut Dreschen

Am Sonntag wurde in Schleinitz bewiesen, dass Landwirtschaft mal pure Handarbeit war.

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© Claudia Hübschmann

Von Bernhard Teichfischer

Schleinitz. Trotz des miesen Wetters hat sich einiges Publikum in Schleinitz eingefunden. Direkt gegenüber dem einstmaligen Wasserschloss rumpeln deutsche Schlager aus der Musikanlage vor dem Kirchenportal. Linker Hand arbeiten sich die Krautweiber durch einen stattlichen Berg aus Kohlköpfen, gegenüber machen sich die Waschweiber in der Waschküche an die Dreckwäsche. Ihre Männer müssen wohl hart geschuftet haben, bei der Geschäftigkeit an den Trögen. Und hinter der Kirche sind zünftige Bauern am Werk.

Autor Bernhard Teichfischer (links) schwang gleich selbst einmal den Dreschflegel. Erst zwar daneben, aber Übung machte auch aus ihm bald einen Meister.
Autor Bernhard Teichfischer (links) schwang gleich selbst einmal den Dreschflegel. Erst zwar daneben, aber Übung machte auch aus ihm bald einen Meister. © Claudia Hübschmann

Männer unter Hüten, in Westen und Cordhosen werkeln an einem seltsamen Kasten aus Holz. Davor ein goldener Haufen trockener Ähren. Und ganz vorn, durch einen Riemen mit dem hölzernen Gerät verbunden, ein Traktor. Wir hätten es hier mit einem Breitdrescher zu tun, erklärt ein hochgewachsener, älterer Herr. Von Wind und Wetter gegerbt, scheint er sein Leben auf den Feldern verbracht zu haben.

Helmut Pröhl ist 65 Jahre alt. Im elterlichen Betrieb musste er 1954, mit 14 Jahren und direkt nach Abschluss der Schule, als Lehrling auf dem Hof in Mutzschwitz anfangen. Die Brüder waren alle fort, hatten sich auf andere Lehrstellen weit verteilt. Kein Zuckerschlecken war die Ernte und das Dreschen damals, wie mir der erfahrene Landwirt eindringlich schildert. „Am Abend, nach getaner Arbeit, waren wir meistens total erledigt“, weiß er zu berichten.

Mit ohrenbetäubendem Knall saust die Keule auf den Roggen

Woher diese Erschöpfung rührte, das will er mir sogleich demonstrieren. Bis Anfang der 1960er Jahre habe sich hierzulande keiner einer motorisierten Maschine bedient, wenn es ums Trennen von Spreu und Weizen ging. Womit dann? Helmut Pröhl drückt mir einen eigenartigen Stab in die Hand. Ein bisschen wie ein Besenstiel, nur das am Ende eine Art verkürzter Baseball-Schläger baumelt. Das Gerät erinnert mich an eine asiatische Kampfsportart. Und so weit hergeholt ist diese Assoziation gar nicht, wird doch mit dem sogenannten Dreschflegel auch „verdroschen“.

Mit dem Flegel ist es wie mit einem Musikinstrument. Zuallererst müssen die Haltung und der richtige Griff sitzen. Hinten mit der Rechten das Ende des Stieles umfassen. Weiter vorn, relativ mittig, sollte das Holz locker in der linken Handfläche liegen. „Damit der Schwung stimmt“, weist mich Moderator und Bauer Helmut Pröhl ein.

Dann holt er zum ersten Dresch-Hieb aus. Mit einem ohrenbetäubenden Knall saust die Keule auf den Roggen nieder, der auf Holzplatten ausgebreitet liegt. Ich versuche es ihm gleich zu machen, hole nach links aus, schaffe es, einen etwas unförmigen Bogen zu schlagen und verfehle das Getreide nur um Haaresbreite. Völlig unverzagt probiere ich es gleich noch mal. Und noch mal. Und immer wieder. Bald dreschen wir beide voller Freude und Enthusiasmus aufs Korn ein. Aus den Hülsen springt die Frucht, und irgendwie fällt bei mir der Groschen. Ich fühle mich dem alten Bauern gleich etwas näher, wie es gemeinsame Arbeit oft so mit sich bringt.

„Am schönsten war es, wenn die Puppen in den Puppen waren“

Der Landwirt, mittlerweile Rentner, schwelgt nach unserer kleinen Einlage noch eine Weile in Gedanken. Damals wurde noch auf der Tenne, dem befestigten Boden der Scheune gedroschen. Es war eine Herbst- und Winterarbeit. Nachdem die Ernte durch war, wurde das Getreide erst mal zum Trocknen zu Puppen, auch Garben genannt, gebunden. „Am schönsten war es, wenn die Puppen in den Puppen waren“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Dann lagerte das Getreide in der Scheune bis es volltrocken, aber noch nicht tottrocken war. Draußen konnte damals nicht gedroschen werden, weil einem sonst so ein Regenwetter wie heute dazwischen kommen konnte.

Wenn die Spreu vom Weizen getrennt war, kam die Windfege zum Einsatz. Ein weiterer Holzkasten mit Kurbel, in welchem ein Schaufelrad Wind erzeugte. Der blies aus einer Öffnung aufs Gedroschene und trug damit die leichtere Spreu vom Korn weg. Beeindruckt verabschiede ich mich mit festem, bäuerlichem Händedruck von Herrn Pröhl. Was nicht alles per eigener Muskelkraft bewerkstelligt werden kann, geht es mir durch den Kopf. Genau diesen Effekt will der Förderverein Schloss Schleinitz, der diesen Dresch- und Handwerker-Tag veranstaltet, auch erreichen. „Leider kommen bei dem Sturm und Regen dieses Jahr nicht so viele Leute“, so Vorstand Hartmut Oefner. Bleibt zu hoffen, dass im nächsten Jahr wieder besseres Dreschwetter ist.