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In der Heimat der Kaffeemühlen

100 Jahre lang wurde in Bad Gottleuba produziert, was jeder Kaffeetrinker braucht. Jetzt geht es ums Erbe.

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© privat

Von Heike Sabel

Bad Gottleuba. Was Brasilien für den Kaffee ist, ist Bad Gottleuba für die Kaffeemühlen. Die Bohnen, die in Südamerika wachsen, mahlen Gottleubaer Leinbrock-Mühlen, damit daraus köstlicher Kaffee wird. In Bad Gottleuba befand sich rund 100 Jahre lang einer der größten deutschen Kaffeemühlenhersteller. In der DDR war Leinbrock sogar der größte Produzent. Daran soll 150 Jahre nach der Gründung der Firma wieder angeknüpft werden. Mit einem Museum. Zum Auftakt soll es zum Stadtfest im Juni in der ehemaligen Maschinenfabrik eine Ausstellung geben.

Mühle über Mühle

Ein Blick in die Schmidtsche Sammlung: hier Porzellan-Mühlen.
Ein Blick in die Schmidtsche Sammlung: hier Porzellan-Mühlen.
Vier von insgesamt über 2 200 Kaffeemühlen und von 323 in Bad Gottleuba bis Ende des 19. Jahrhunderts hergestellten Leinbrock-Mühlen.
Vier von insgesamt über 2 200 Kaffeemühlen und von 323 in Bad Gottleuba bis Ende des 19. Jahrhunderts hergestellten Leinbrock-Mühlen.
Eine Besonderheit: sieht aus wie eine Spitzmaschine, weil die Welle liegt statt steht.
Eine Besonderheit: sieht aus wie eine Spitzmaschine, weil die Welle liegt statt steht.
Noch eine Besonderheit: Die ovale Form ist bei Kaffeemühlen selten.
Noch eine Besonderheit: Die ovale Form ist bei Kaffeemühlen selten.

Mindestens zwei Männer finden das schon mal super. Einer ist der Leinbrock-Nachfahre Robert Kühn, der andere der gebürtige Dresdner Kaffeemühlensammler Karsten Schmidt aus Schwedeneck in Schleswig-Holstein. Er und seine Frau sammeln seit über 35 Jahren Kaffeemühlen. Von ihren über 2 200 Kaffeemühlen stellte 323 die Firma Leinbrock her.

Das erste Sammlerstück des kaffeemühlen-verrückten Ehepaars kam aus dem VEB Schnittwerkzeuge und Metallwarenfabrik Klingenthal, ein Geschenk der Eltern. Die Mühle sollte einfach Kaffee mahlen, an Sammeln war damals noch nicht zu denken. Mit dem Einzug ins Haus war die Familie dann modern mit einer elektrischen Kaffeemühle ausgestattet. Die alte Hand-Kaffeemühle kam auf den Schrank.

Freunde und Bekannte bestaunten das Haus – und die alte Kaffeemühle. Viele hatten ähnliche zu Hause und boten sie den Schmidts an. „Eigentlich haben nicht wir gesammelt, sondern unsere Freunde und Bekannten – in unserem Haus“, sagt Karsten Schmidt. Es wurden immer mehr. Erb- und Fundstücke, Geschenke. Mit der steigenden Anzahl begann die Leidenschaft und es kamen bei Karsten Schmidt die Erinnerungen an die Kindheit wieder. „Sonntagmorgen wurde der Kohleherd in der Küche eingeheizt, meine Mutter bereitete auf dem Herd Bratschnitten zu, und ich durfte Kaffee mahlen.“

Das machen er und seine Frau Detgard bis heute gern. Nicht immer, und wenn, dann natürlich mit Leinbrock-Mühlen. Er mit einer Schoßkaffeemühle von 1920, sie mit einer Tischkaffeemühle von 1940. Welche elektrische Kaffeemühle hält heute schon so lange. Zum Mahlen und Trinken von Kaffee kam die Beschäftigung mit den Mühlen. Je mehr sich die Schmidts mit Stilepochen, Entwicklungen und Erfindungen beschäftigten, umso mehr wurde ihnen klar: Die Leinbrock-Mühlen sind etwas Besonderes.

Das ist jedoch nur für Kenner erkennbar. Die meisten Kaffeemühlenhersteller bauten das Mahlwerk für die Grob-Fein-Einstellung ins Kasteninnere. Bei den Leinbrock-Mühlen befindet es sich jedoch an der Welle außerhalb des Kastens. „Und noch etwas findet man nur bei Leinbrock-Mühlen, zumindest ab den 1930er-Jahren“, sagt Karsten Schmidt. An der Rückseite von Wand- und der Unterseite von Schoßkaffeemühlen befindet sich auf der Holzplatte, auf der das Mahlwerk festgeschraubt ist, ein Stempelabdruck mit dem Datum der Herstellung und oft auch ein kleines „k“, das wahrscheinlich für die Endabnahme oder Qualitätskontrolle steht.

Die Geschichte lebendig halten

Inzwischen ist das ganze Schmidtsche Haus ein Museum, und langsam kommt das Ehepaar an Platzgrenzen. Obwohl, einige Exemplare fehlen noch in ihrer Sammlung. Einige Dekore der Keramik-Mühlen zum Beispiel, amerikanische und englische Mühlen sowie Kaffeemühlen aus den großen Kaffeehäusern und Röstereien. Aber die sind ein bis zwei Meter groß und haben meist zwei riesige Kurbelräder. Also bleiben die Schmidts bei den kleinen Mühlen.

Karsten Schmidt schreibt immer wieder Archive, Hersteller, Museen an. Manchmal auch Bürgermeister von Städten, in denen einst Kaffeemühlen produziert wurden. So kam schließlich der Kontakt zu Robert Kühn zustande. Aus dem Kontakt wurde das persönliche Kennenlernen und daraus die Ausstellungsidee. Im Juni kommen Schmidts wieder nach Gottleuba und dem Museum vielleicht ein Stück näher. Die Leinbrockwerke gehören neben dem Bergbau, dem Gesundheitswesen und zum Beispiel dem Kolibri-Werk, das Büroartikel aus Kartonagen herstellt, zur Gottleubaer Industriegeschichte. „Eine Geschichte, die wir unbedingt für unsere Kinder und Enkel erhalten sollten“, sagt Karsten Schmidt. Er hofft, dass es den engagierten Gottleubaern gelingt, etwas zum Nutzen aller zu schaffen. „Ein Leinbrock-Museum wäre eine tolle Sache.“ Er würde auch das eine oder andere Exemplar zur Verfügung stellen. Im baden-württembergischen Wiernsheim gibt es so etwas schon. Mit Café und von der Stadt betrieben. „Es läuft sehr gut.“

Mehr Infos gibts im Internet unter www.kaffeemuehlen.repage8.de