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In der Behindertenwohnstätte kennengelernt

Das Heim am Taubenberg des Roten Kreuzes in Dippoldiswalde bietet guten Anschluss an das tägliche Leben. Ein Glücksfall für ein Paar.

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© Frank Baldauf

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Birgit Knopf und Peter Nitze sind ein Paar, schon seit 1987. Die 56-Jährige und der 59-Jährige haben beide ein Handicap. Deswegen haben sie schon in den 1980er-Jahren im Pflegeheim in Sadisdorf gelebt, wo sie sich kennengelernt und 1987 verlobt haben.

Als vor 15 Jahren der Kreisverband Dippoldiswalde des Deutschen Roten Kreuzes an der Rabenauer Straße in Dippoldiswalde seine neue Behindertenwohnstätte gebaut hat, ist das ganze Heim umgezogen und die beiden mit. Hier bewohnen sie ein gemeinsames Zimmer. Sie genießen die Wohnlage, die ihnen einerseits Ruhe am Stadtrand von Dippoldiswalde, andererseits die Bushaltestelle direkt vor der Tür und öffentliche Einrichtungen in der Nachbarschaft bietet.

Immer zu Gast im Sportpark

Begeistert erzählen Birgit und Peter auch von ihren Urlauben, die sie schon nach Österreich oder Italien geführt haben. Diesen Sommer steht eine Woche an der Ostsee auf dem Plan. „Mit dem Betrieb“, wie die beiden sagen. Ihr Betrieb ist die Werkstatt für behinderte Menschen, welche die Arbeiterwohlfahrt Sonnenstein in Reinholdshain betreibt. Dort fahren sie beide täglich mit dem Bus hin. Peter stellt Handschuhfächer für Autos her, Birgit arbeitet mit einer Stanzmaschine. Damit sind ihre Wochentage ausgefüllt.

Und in ihrer Freizeit unternehmen die beiden viel. „Im Winter nicht so, im Sommer mehr“, erzählt Birgit. Zum Sportpark Dippoldiswalde sind es vom Heim zu Fuß rund 700 Meter. „Dort sind wir gerne als Zuschauer. Immer wenn etwas los ist. Fußball, Handball, Volleyball, wir sehen uns das alles an“, erzählt Peter Nitze. Er hat einen Vorteil gegenüber anderen Mitbewohnern im Heim: Er kann lesen. So kommt er auch mit den Fahrplänen von Bus und Bahn zurecht. Dies nutzen sie gerne. Mit dem Bus nach Dresden zu fahren, ist für die beiden so durchaus möglich. „Wir gehen ins Dynamo-Stadion oder besuchen mit der Bahn die Schwester in Hoyerswerda“, erzählt er.

Diese Möglichkeiten stehen ihnen trotz ihrer Behinderung offen, weil das Heim vor eineinhalb Jahrzehnten in der Stadt neu gebaut wurde. Die Vorgängereinrichtung in einem ehemaligen Bergwerksgebäude in Sadisdorf an der Pinge lag mitten im Wald. Von dort einen Wochenendausflug mit dem Bus zu starten, war nicht möglich. Ebenso wenig gab es Freizeiteinrichtungen oder Einkaufsmöglichkeiten in fußläufiger Entfernung. Das 15-jährige Bestehen des neuen Heims haben die Bewohner und Mitarbeiter vor Kurzem gefeiert, einen Baum gepflanzt und eine Feier mit Theateraufführung organisiert.

Das Ziel der Heimbetreuung ist, die Bewohner dahin zu bringen, dass sie selbstständig in einer Wohngemeinschaft oder einer eigenen Wohnung leben können, berichtet Daniela Neubert, die Wohnbereichsleiterin. Das ist schon gelungen, aber selten. Für dieses Ziel müssen die Bewohner auch im Heim Verantwortung übernehmen, ähnlich wie in einer Familie oder Wohngemeinschaft. Die 47 Bewohner sind in einzelne Gruppen aufgeteilt, die sich jeweils Küche und Aufenthaltsraum teilen. Dort hängt ein Plan, der das Saubermachen, das Wäschesortieren und andere Haushaltstätigkeiten regelt.

So selbstständig wie möglich

„Jeder soll so selbstständig wie möglich leben“, sagt Matthias Fischer. Der 49-Jährige leitet seit Juni 2017 die Behindertenwohnstätte. Die meisten Bewohner der Wohnstätte am Taubenberg pendeln regelmäßig zur Arbeit nach Reinholdshain, manche fahren direkt in Firmen, wo die Arbeiterwohlfahrt Außenarbeitsplätze eingerichtet hat. Ein Bewohner arbeitet beispielsweise in einem Baumarkt und bestückt Regale, ein anderer ist in einem Agrarbetrieb tätig.

Der jüngste Bewohner ist 19 Jahre alt, der älteste 78 Jahre. Um die 47 Bewohner kümmern sich 20 Mitarbeiter. Für die Heimplätze gibt es eine Warteliste. Selten verlässt jemand die Einrichtung. „Bei uns dürfen die Leute alt werden“, sagt Fischer. Wenn die Bewohner ins Rentenalter kommen, gehen sie nicht mehr in die Werkstatt. Aber es fordert auch niemand, dass sie ihre vertraute Umgebung aufgeben. Birgit und Peter werden dann noch mehr Zeit haben für Touren in die Umgebung.