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In anderen Sphären

Karl Helbig und Benni Gerlach spielten vor 12 000 Leuten in Stuttgart. In ihrer Musik greifen sie nun auch das Schicksal der Flüchtlinge auf.

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© Christian Grochau

Von Ulrike Keller

Moritzburg. Das Saxophon ruht nicht immer so lässig auf seiner Schulter wie beim Foto-shooting zur neuen CD. Denn noch mindestens einmal die Woche steht Karl Helbig hinter der Theke und bedient im Moritzburger Café Strauss. Dass Cellist Benni Gerlach in der Radebeuler „Schmiede“ serviert, ist inzwischen seltener geworden. Etwa einmal im Monat gelingt es ihm zeitlich noch. Sich ganz von diesem Stück Betätigungsheimat zu trennen, kommt für beide Musiker nicht infrage. Denn dieses Standbein in Café und Kneipe war ihnen immer mehr als ein Nebenjob.

Dabei sind die zwei als Künstler mittlerweile enorm gefragt. Die Anhängerschaft der gemeinsamen Duo-Formation Land Über wächst zusehends, und zwar deutschlandweit und darüber hinaus. Als sie im Sommer vor 12 000 Zuschauern mit ihrem sphärischen Jazz-Pop beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart auftraten, fragte die Gattin von Podiumsgast Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan prompt nach einer CD. Außenminister Frank-Walter Steinmeier klopfte Benni Gerlach nach der Veranstaltung anerkennend auf die Schulter. Im kommenden Frühjahr macht sich Land Über erstmals nach Afrika auf. Über das Goethe-Institut ist das Duo ins westafrikanische Togo eingeladen. Dort wird es Workshops und Konzerte geben.

„Es läuft gut“, bestätigen Benni Gerlach und Karl Helbig. Die beiden äußerlich ganz verschiedenen Typen sind sich in einem sehr ähnlich, nämlich der Bescheidenheit, mit der sie über sich, die Musik und ihre Erfolge reden. Das betrifft auch ihr neues Album. Anderthalb Jahre haben sie daran gearbeitet und taten sich zeitweilig schwer mit dem Projekt. „Die dritte CD ist generell für Bands eine der Schwierigsten“, verrät Benni Gerlach. „Bei der ersten quillt man über vor Einfällen. Auf die zweite kommt, was man noch in petto hatte. Und dann ist das Repertoire erst einmal aufgebraucht.“ Allerdings macht sich das Gespann auch selbst nicht den Druck, jährlich eine neue Platte herauszubringen.

Überraschende künstlerische Mittel

Nun haben sie sich von dem großen Thema Stadt inspirieren lassen, dem Rauschen des Verkehrs, der Multi-Kulti-Entwicklung, dem Licht, wie sie das Album letztlich genannt haben. Dabei gingen ihnen im Laufe der Produktion der Zustrom und das Schicksal der Flüchtlinge sehr nahe. „Wir haben uns gefragt: Was spielt sich im Kopf bei jemandem ab, der alles aufgibt und alles verlässt“, erzählt Karl Helbig. Aus diesen Gedanken entstand der Titel „Abschied“. Er geriet schließlich so traurig, dass sie ihm eine optimistische Version entgegensetzten. Sie heißt „Willkommen“ und gehört zu den wenigen Stücken mit Gesang. Für diesen konnten sie die Dresdner Sängerin Katharina Johansson gewinnen. „Wir sind ganz happy, dass wir es endlich geschafft haben, kreativ miteinander zu arbeiten“, sagt Benni Gerlach. Denn Konzerte hätten sie schon oft zusammen gegeben.

Die künstlerischen Mittel auf dem Album sind überraschend und vielfältig. Im Titel „In der Stadt“ rezitiert Bennis Schwester Wiebke Gerlach ein Gedicht, das das Duo extra bei Bennis Vater Thomas Gerlach in Auftrag gab. Angesichts von Erscheinungen wie Pegida, Heimatschutz & Co. berührt die Idee, im Titel „Frieden“ einen Auszug aus einer historischen Rede zu verwenden. Der Antrittsrede Nelson Mandelas zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas im Jahre 1994 – nach Jahrzehnten der Unterdrückung Schwarzer in der Apartheid.

„Auf der Bühne sagen wir gerade in den alten Bundesländern schon seit vergangenem Herbst ausdrücklich: Dresden ist nicht Pegida“, erzählt Benni Gerlach. Erst vor wenigen Wochen trat das Duo in einem Dresdner Flüchtlingsheim auf und möchte es in jedem Fall wieder tun. „Wir haben echt gestaunt über das Interesse und die Aufmerksamkeit der Asylbewerber“, sagt Karl Helbig. „Selbst in den Stücken gab es Applaus, was sonst selten ist. Die Flüchtlinge waren einfach dankbar.“

So oft Land Über inzwischen in den Großstädten der Republik unterwegs ist, so gern kehren die beiden jungen Musiker immer wieder ins beschauliche Elbland zurück. Karl Helbig lebt mit seiner Familie in Moritzburg, Benni Gerlach mit Frau und Kindern in Radebeul. „Hier schätze ich die Ruhe“, sagt Benni Gerlach. Sein Kompagnon nickt.

Im kommenden Jahr feiern die beiden bereits zehn Jahre Bestehen als Land Über. Weil ihr allererstes Konzert in dieser Formation im Keller der Radebeuler Oberschänke stattfand, will das Duo zum Jubiläum nach Radebeul zurückkommen. Karl Helbig verrät: „Unsere Wunschidee wäre ein Kirchenkonzert, aber alles ist offen.“

Hier in der Nähe ist das Duo Land Über am 8. Januar wieder zu erleben. Es spielt zur Whisky-Night im Dresdner Club Passage. Die neue CD „Licht“ ist bei Auftritten und über die Homepage www.landuebermusic.com erhältlich. Sie kostet 15 Euro.