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Impfberatung wird zur Pflicht

Kitas sollen bald Verweigerer melden. Die meisten Einrichtungen finden das gut.

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© Symbolbild/dpa

Von Juliane Richter und Franz Werfel

Sächsische Schweiz. Wie stark dürfen sich Kindertagesstätten in private Entscheidungen der Eltern einmischen? Diese Frage treibt derzeit Kita-Mitarbeiter um. Denn nach einem neuen Gesetz müssen Kitas fortan dem Gesundheitsamt melden, wenn Eltern sich nicht über die empfohlenen Schutzimpfungen haben beraten lassen. Am 7. Juli soll der Bundesrat das Gesetz verabschieden. Es könnte noch im Sommer in Kraft treten. Laut Bundesgesundheitsministerium sind die kommunalen Kitas, die freien Träger und private Einrichtungen betroffen. Tageseltern bleiben hingegen außen vor.

Im Landkreis sind die meisten Kinder gut durchgeimpft, teilt das Gesundheitsamt mit. Aber es gibt bisher – im Gegensatz zu Einrichtungen in Dresden – keine einheitlichen Formblätter. In der Landeshauptstadt müssen Eltern die Kita-Tauglichkeit vom Kinderarzt bestätigen lassen.

Viele Kitas im Landkreis befürworten das neue Gesetz. So sagt etwa Katrin Fichtner, die stellvertretende Leiterin der Kita Storchenbrunnen in Freital: „Wir erfragen schon jetzt bei den Eltern den Impfstatus ihrer Kinder und ob sie eine ärztliche Impfberatung bekommen haben.“ Alle Kinder seien geimpft. Katrin Fichtner würde sogar eine gesetzliche Impfpflicht begrüßen. „Mit dem neuen Präventionsgesetz sind wir aber auf einem guten Weg“, sagt sie.

Ähnlich geht damit der Arbeiter-Samariter-Bund Königstein-Pirna um. Der Verein ist Träger von sieben Kitas in Pirna, Königstein und Heidenau. „Wir fragen die Eltern ab und verlangen eine Kopie des Impfausweises“, sagt ASB-Geschäftsführerin Alies Domaschke. Ist ein Kind nicht geimpft, würden die Kitas den Nachweis einer Impfberatung verlangen. Sind Kinder gar nicht geimpft, hätte das aber keine Auswirkungen auf den Kita-Platz. „Alle Kinder bekommen bei uns einen Platz“, so Domaschke.

Die kommunale Kita Spatzennest in Schmiedeberg würde das im Fall der Fälle anders handhaben. Zwar sei so ein Fall noch nicht eingetreten, sagt Leiterin Kerstin Barthel. „Aber unser Träger, die Stadt Dippoldiswalde, verlangt eine ärztliche Untersuchung und dass die Kinder ihrem Alter und ihren Krankheiten gemäß geimpft sind“, sagt sie. Für besonders wichtig hält sie die Tetanus-Impfung. „Das ist wichtig, wenn sich die Kinder mal verletzen – und das kommt ja oft vor.“ Tritt in ihrer Einrichtung aber beispielsweise ein Fall von Mumps, Masern oder Röteln auf, und seien Kinder dagegen nicht geimpft, dürfen diese in der Zeit die Kita nicht betreten. „Das neue Gesetz ist längst überfällig“, sagt Kerstin Barthel. „Wenn ein Kind in einer öffentlichen Einrichtung betreut wird, bringt das andere Maßgaben mit sich, als wenn es den ganzen Tag zu Hause ist“, sagt sie.

Auch Kitas drohen Bußgelder

Mutter Karin Rücker aus Dresden begrüßt den neuen Vorstoß zur Meldepflicht. Ihr einjähriger Sohn Fritz hat sämtliche Impfungen erhalten, die von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden. Die 30-jährige Medizinstudentin hat sich intensiv informiert. „Für mich überwiegen die Risiken einer möglichen Erkrankung deutlich die Risiken einer Impfung“, sagt sie. Sie vertraut den Experten und Studien, die zu den Impfempfehlungen beigetragen haben. „Ob es wieder eine Impfpflicht wie zu DDR-Zeiten geben sollte, kann man kontrovers diskutieren. Aber zumindest sollte jeder die Pflicht haben, sich zu informieren. Einfach aus der gesellschaftlichen Verantwortung heraus den anderen gegenüber.“

Schon jetzt sind Eltern verpflichtet, sich vom Kinderarzt über Impfungen informieren zu lassen, so steht es im Infektionsschutzgesetz. Und schon jetzt müssen sie diese Beratung schriftlich belegen können. Verweigern sie diese, kann das Gesundheitsamt sie zu einer Beratung vorladen. Kommen die Eltern dem nicht nach, gilt das als Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 2 500 Euro geahndet werden kann. Neu ist im Gesetzesentwurf lediglich die Meldepflicht der Kitas. Kommen sie dieser nicht nach, können auch sie mit einer Geldbuße bestraft werden.

Kathrin Dienst betreibt die Kita Regenbogen in Bannewitz. Auch ihr ist wichtig, dass Eltern gut über Impfungen informiert sind. „Die meisten Eltern, die gegen das Impfen sind, kennen sich gut aus“, sagt sie. Da helfe auch die Beratungspflicht des Kinderarztes nicht. „Der stellt im Zweifelsfall den Schein aus und das war’s.“ Kathrin Dienst sieht die Kitas in der Pflicht. „Ich nehme mir bei jedem Aufnahmegespräch dafür viel Zeit und komme so mit den Eltern vorsichtig ins Gespräch“, sagt sie. Für unverzichtbar hält sie die Hepatitis und die Tetanus-Impfung. Gegen Masern sollten Kinder spätestens nach dem dritten Geburtstag geimpft werden, so Dienst. In den vergangenen Jahren hatte sie nur mit einem Elternpaar Probleme. Ein gemeinsames Gespräch mit dem Gesundheitsamt konnte die Fragen gut klären. Auch mit dem neuen Gesetz seien nach wie vor vor allem die Erzieher gefragt, sagt Kathrin Dienst. „Wir sind ganz dicht an den Eltern dran. Das kann kein Arzt übernehmen.“