Merken

Immer da, wo es brennt

Romy Stolze ist für den Löschzug Freital-Wurgwitz im Einsatz – wenn es sein muss, auch am Hochzeitstag.

Teilen
Folgen
© Karl-Ludwig Oberthür

Freital. An ihren ersten Einsatz erinnert sie sich noch ganz gut. „Es war spätabends, wir waren gerade von einem 50. Geburtstag nach Hause gekommen. Da ging der Pieper.“ Also wieder rein in die Schuhe und ab zum Gerätehaus gedüst. Wenig später rückte der Löschzug Freital-Wurgwitz aus. Mit an Bord: Romy Stolze, damals Anfang 20, Feuerwehrfrau. Viel gab es nicht zu löschen. „Es brannte ein Schuppen.“ Routine eher. Aber eben auch eine Aufgabe, die schließlich irgendwer erledigen muss. Und das nebenbei, in der Freizeit also. Denn nur in Dresden gibt es eine Berufsfeuerwehr. Die kleineren Städte im Umfeld der Landeshauptstadt, erst recht die Gemeinden auf dem Lande, haben alle Freiwillige Wehren. Wer hier Dienst tut, geht im weitesten Sinne einem Hobby nach. Aber eben einem, dass der Gesellschaft zugutekommt und Verantwortung sowie Einsatzbereitschaft verlangt, im Ernstfall unter Einsatz der eigenen Gesundheit, des eigenen Lebens.

Hier kontrolliert Romy Stolze die Atemschutzgeräte.
Hier kontrolliert Romy Stolze die Atemschutzgeräte. © Karl-Ludwig Oberthür
Ganz so selten sind Feuerwehrfrauen gar nicht. Neben Romy Stolze gehört auch Melanie Czekalla zum Löschzug Wurgwitz.
Ganz so selten sind Feuerwehrfrauen gar nicht. Neben Romy Stolze gehört auch Melanie Czekalla zum Löschzug Wurgwitz. © Karl-Ludwig Oberthür

Für Romy Stolze, heute 32 Jahre alt, war das nie ein großes Thema. Sie ist gern Feuerwehrfrau. „Für mich ist es das schönste Hobby und ein sehr guter Ausgleich zur Arbeit im Jobcenter Dresden.“ Als sie noch in ihrer alten Heimat Pirna lebte, liebäugelte sie schon mit der Feuerwehr. Zunächst aber galt es, die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten im Landratsamt zu absolvieren. Die Liebe verschlug sie dann nach Freital und hier schritt sie zur Tat: Sie meldete sich 2007 bei der hiesigen Feuerwehr. Das hieß zunächst einmal, 70 Stunden Grundausbildung zu absolvieren. Dazu kamen Sprechfunkerlehrgang und die Ausbildung zum Atemschutzgeräteträger. Und dann kam der Schuppenbrand.

Seitdem sind neun Jahre vergangenen. Romy Stolze und ihr Mann, der ebenfalls beim Löschzug Wurgwitz ist, wurden zu Wohnungsbränden rausgeklingelt, mussten bei Verkehrsunfällen mit ausrücken, Ölspuren beseitigen, umgeknickte Bäume wegräumen. Wie viele Einsätze sie schon erlebt hat, hat sie nicht gezählt. Es ist ihr auch egal. „Hauptsache, wir konnten helfen“, sagt sie. Für sie persönlich am schlimmsten war der Brand im Pflegeheim Freital-Wurgwitz. „Ein Sonntag, 1. Juli 2011, das weiß ich noch, weil es unser Hochzeitstag ist. Der Alarm kam morgens.“ Als sie am Heim ankam, ging es vor allem darum, das Gebäude zu räumen. Romy Stolze stand direkt bei der Einsatzleitung, hatte alles gut im Blick. „Die alten, hilflosen Menschen, ihre Blicke, ihre Gesichter, ihr Zustand – das hat mich lange nicht losgelassen.“ Ansonsten könne sie die Bilder eines Einsatzes ganz gut verkraften. „Wir reden hinterher auf der Wache, das hilft.“ Die Sache mit dem Pflegeheim jedoch musste sie erst mal verdauen.

Bei der Feuerwehr sein, das heißt aber vor allem: viel Routine lernen. Aller zwei Wochen dienstags ist zwei Stunden Dienst. Da wird geübt und trainiert, denn im Ernstfall muss jeder Griff sitzen. An diesem Abend steht gut ein Dutzend Kameraden um ihr Fahrzeug herum. Sie holen eine Pumpe heraus, der Motor wird angeworfen, Dieselschwaden verteilen sich. „Gerätekunde“ steht auf dem Lehrplan.

Beim Löschzug Wurgwitz muss jeder alles können. 16 aktive Feuerwehrleute gibt es hier, zwei davon sind Frauen. In der gesamten Stadtwehr Freital sind zehn Kameradinnen aktiv. Romy Stolze hat es mittlerweile zur Gruppenführerin geschafft. Das heißt, bei einem Einsatz muss sie acht Leute anleiten – alles Männer. Doch sie könne sich auf ihre Jungs verlassen, sagt sie. „Das ist für mich das Schönste an der Feuerwehr: dieser Zusammenhalt, diese Kameradschaftlichkeit. Ich weiß, dass jeder für jeden einsteht, jederzeit.“

Jederzeit kann auch ein Alarm kommen. Für Feuerwehrmänner und -frauen bedeutet das, tatsächlich bereit zu sein, wenn der Pieper geht – egal, ob Hochzeitstag oder Weihnachten ist. Sie erinnert sich noch recht gut an einen Einsatz in Pesterwitz, ein kleines Häuschen, älteres Ehepaar, einfache Verhältnisse, die Küche brannte, bald qualmte es im ganzen Haus. „Es war kurz vor Weihnachten und kalt. Meine Aufgabe war es, den Mann davon abzuhalten, zurück in sein Haus zu gehen, während meine Kameraden noch drin waren. Das war hart für ihn und mir tat es sehr leid.“ Wie geht man damit um? Romy Stolze überlegt einen Moment. „Natürlich beschäftigten einen solche Schicksale. Aber sie passieren eben, können jedem passieren.“ Bei ihr zu Hause, gibt sie zu, habe auch schon mal der Toaster gebrannt. Ganz schnell hätte da mehr passieren können. „Zum Glück wusste ich, wie ich reagieren muss.“

Zehn Jahre Feuerwehr, die prägen. Früher, sagt Romy Stolze, sei sie total schüchtern gewesen. Heute habe sie viel mehr Selbstbewusstsein, sei auch härter im Nehmen. „Ein Zuckerpüppchen kann man hier nicht sein“, bestätigt sie und empfiehlt, ruhig mal bei der Feuerwehr vorbeizuschauen. „Das ist doch ideal für alle, die sich für Technik interessieren und neben ihrem Beruf ein bisschen Ausarbeitung brauchen.“ Außerdem hat der Löschzug Wurgwitz auch eine Jugendwehr, Romy Stolzes Sohn wird im Dezember eintreten. Dann sind sie eine richtige Feuerwehrfamilie.