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Immer am Ball bleiben

Wohnsportgemeinschaften hat es schon in der DDR gegeben. In Löbau gibt es sie noch immer. Wer trainiert dort heute?

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© Matthias Weber

Von Susanne Sodan

Mit kurzen Schritten bewegt sich der Mann mit dem hellblauen T-Shirt und dem weißen Haar über das Sportfeld. Er rennt nie. Und trotzdem, irgendwie schafft er es fast immer, genau da zu sein, wo er gebraucht wird. „Vielleicht kommt es vom Tischtennis“, sagt Ewald Schapiewski. Seit seiner Kindheit spielt der Löbauer Tischtennis. „Das schult die Reaktionsfähigkeit“, sagt er. Scheint auch beim Volleyball zu helfen. Jeden Montagabend nimmt er seine Sporttasche mit dem hellblauen T-Shirt, den dunkelblauen Jogginghosen und den Turnschuhen, geht zur Pestalozzi-Turnhalle und spielt hier Volleyball, in der Wohnsportgemeinschaft Löbau-Nord. 15 Mitglieder hat sie. Die beiden ältesten Spieler, Ewald Schapiewski und Max Schiriot sind 77, der jüngste ist 42.

Die meisten der Wohnsportgemeinschaften gibt es bereits seit DDR-Zeiten. „Sie entstanden mit den neuen Wohngebieten in vielen Städten“, erzählt Heidi Schatterny. Sie arbeitete früher beim Deutschen Turn- und Sport-Bund. Ab 1959 wuchs in Löbau das Wohngebiet Süd, es folgten in den 1970er Jahren Löbau-Nord und in den 1980ern Löbau-Ost. „In den Wohngebieten taten sich damals viele sportbegeisterte Anwohner zusammen“, erzählt Heidi Schatterny. Um zu turnen oder für Mannschaftssport. Einige dieser Gemeinschaften jedenfalls hatten über die Wendezeit hinaus Bestand, alleine fünf in Löbau. „Für viele Mitglieder ging es vor allem um den Zusammenhalt“, sagt Heidi Schatterny. Gerade in einer Zeit, in der viele ihre Arbeit verloren, sei der Verein eine Stütze gewesen. Heute kommen die Mitglieder nicht mehr alle aus einem bestimmten Teil Löbaus. Manche Sporteinrichtungen in den Wohngebieten gibt es auch nicht mehr. Der Name aber blieb.

Für Ewald Schapiewski ist es ganz egal, wie der Verein heißt, in dem er spielt. Hauptsache Sport, sagt er. „Das hat für mich immer dazugehört.“ Ursprünglich stammt er aus Burg bei Magdeburg, hat dort mit Tischtennis begonnen. „Ich war gut“, sagt er. „Nicht sehr gut, aber gut.“ Später, nach dem Wechsel an eine Oberschule begann er, Volleyball zu spielen. „Ich musste immer mit dem Zug fahren. Am Nachmittag hatten ich und andere Schüler meistens eine Wartezeit zu überbrücken. Da haben wir Volleyball gespielt.“ Mit Lederbällen, erinnert sich Schapiewski. „Die sahen nicht aus wie heute, sondern wurden von Riemen zusammengehalten. Da musste man höllisch aufpassen, wie man einen Ball annahm.“ Auf die Oberschule folgte für ihn die Offiziersschule Plauen. „Es war ein Wunsch meines Vaters gewesen“. Schapiewski hätte auch mit einem Ingenieursstudium beginnen können. „Damit wäre ich aber vielleicht irgendwann am Schreibtisch gelandet. Ich wollte lieber mehr mit Menschen zu tun haben.“ Und mit Technik. Nach Plauen ging er nach Schwerin, 1967 nach Löbau, als Lehrer an die Offiziersschule, erzählt Schapiewski. In der Wohnsportgruppe war er damals noch nicht. „Wir hatten ja den Dienstsport.“ Mit Beginn der Rente fiel diese Möglichkeit weg. 1999 meldete sich Ewald Schapiewski bei der Wohnsportgruppe Nord an. Und bei der Wohnsportgruppe Ost. Dreimal pro Woche macht er Sport, zweimal Tischtennis, Montags Volleyball. „Ich würde meine Zeit sonst alleine verbringen, so bin ich immer unter Menschen“, sagt er. „Was sollte ich sonst machen? Warten, bis alles vorbei ist?“

Eine Besonderheit der Wohnsportgemeinschaft Nord: Mehrere der Mitglieder sind Ehemalige – und gehörten einst zur Offiziershochschule. Die befand sich in Löbau-Nord, viele Armeeangehörige wohnten in der Nähe. Auch noch, als die Offiziersschule 1990 geschlossen wurde. Max Schiriot zum Beispiel. „Ich bin direkt nach der Wende in die Wohnsportgemeinschaft eingetreten“, erzählt er. Klaus Dommaschke, heute der Leiter der Gruppe, ist seit 1999 dabei. Als er damals in Rente ging, habe etwas gefehlt, erzählt er. „Ich musste irgendwas tun.“ Der Garten habe ihm dafür nicht gereicht. „Ich wollte in Bewegung bleiben. Und mir macht es bis heute Spaß.“

Direkt neben den Mitgliedern der Wohnsportgemeinschaft Nord trainiert am Montagabend ein weiteres Volleyballteam. Das Bild ist ein anderes, vor allem der Altersdurchschnitt. Die meisten Spieler sind zwischen 20 und 40. Und trotzdem: Auch das ist eine Wohnsportgruppe. „Unser Verein wurde aber erst 2003 gegründet“, erzählt Robert Mürbe, der Leiter. Wie der Name „Wohnsportgemeinschaft Trommlerbusch“ zustande kam? Das kann niemand so recht sagen. „Von uns sind vielleicht zwei Leute aus dem Trommlerbusch“, sagt Mürbe und lacht. Er ist selber aus Kleindehsa. Auch die anderen kommen aus anderen Teilen von Löbau oder aus dem Umland. „Es hat sich einfach rumgesprochen“, sagt Aline Israel. Die 27-Jährige ist seit 2009 dabei. Sie hatte damals ganz gezielt nach einem Verein gesucht. „Ich wollte gerne Volleyball spielen“, erzählt sie. Als Ausgleich zur Arbeit. Die Trainingszeiten der Wohnsportgemeinschaft Trommlerbusch passten für sie am besten. Mittlerweile klappt es meistens auch, dass zwei Mannschaften zusammenkommen. So sah es nicht immer aus, erzählt Aline Israel. Zeitweise soll sogar überlegt worden sein, die Truppe aufzulösen. Aline Israel startete damals, etwa 2011 einen Facebook-Aufruf. „Dadurch sind mehrere Leute dazugekommen“, erzählt Robert Mürbe. Auch er selbst. Und wenn doch mal nicht ausreichend Leute für ein Spiel da sind: Es gibt ja noch eine andere Volleyballgruppe nebenan.

Ewald Schapiewski hat der Sport schon über vieles hinweggeholfen. So wie er da auf der Halle steht und Bälle annimmt, sieht man es ihm nicht an. Aber er hat schon mehrere schwere Krankheiten hinter sich, darunter einen Herzinfarkt, erzählt er. „Es war aber mein Wille wieder auf die Beine zu kommen“, erzählt er. „Und das habe ich geschafft.“ In der Reha stand er schon wieder in der Sporthalle – und spielte Tischtennis.