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Im Sturm geboren

Vor 90 Jahren wurde in Rauschwalde das St. Carolus-Krankenhaus eröffnet – in einem Rittergut. Sein guter Ruf gilt noch immer.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Die örtliche Presse sprach von einer sehr schlichten Feier, die am 23. November vor 90 Jahren in Rauschwalde der Einweihung des St.Carolus-Krankenhauses galt. Doch es waren alle erschienen, die mit Rang und Namen dem Ereignis Glanz verliehen. Immerhin war ein zweites großes Krankenhaus für die Görlitzer Bürger entstanden, denn das Dorf Rauschwalde war 1925 gerade erst eingemeindet worden. Das neue Krankenhaus fand sich daher überall mit der Ortsangabe „Görlitz-West“.

Begonnen hatte die Geschichte dieser Klinik im Dezember 1925. Damals machten sich eine Handvoll Kirchen- und Stadtvertreter auf, um in Rauschwalde das zum Kauf angebotene Katzsche Rittergut zu besichtigen. Es war ein Weg, auf dem sie viel Regen und heftiger Wind begleitete. Deshalb sprachen die Einheimischen noch lange Zeit davon, dass das „Krankenhaus Görlitz-West im Sturm geboren“ sei.

Mit Sturmschritten ging es dann in der Tat weiter. Zwei Jahre zwischen Entwurf und Einweihung sind für ein Projekt dieser Größe mehr als respektabel, zumal der Kaufvertrag erst am 19. März 1926 abgeschlossen wurde. Kurz darauf kamen die ersten vier Ordensschwestern in Görlitz an. Es waren Borromäerinnen, wie es einige bereits seit 1862 in der Pfarre Heilig Kreuz gab und die ambulante Krankenpflege vornahmen. Tatsächlich war es auch der Pfarrer von Heilig Kreuz, Erzpriester Brückner, der das Rauschwalder Krankenhaus anregte und der Generaloberin der Borromäerinnen den Kauf des Gutes empfahl. So wurde der Umbau des Rittergutes dann auch unter den Schutz des Heiligen Karl Borromäus gestellt, einen Mann, der als leuchtendes Beispiel der Betreuung von Pestkranken in die Geschichte eingegangen war.

Der Krankenhausbetrieb begann nach der Weihe am 21. November 1927 mit den Abteilungen Inneres, Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe und HNO. Am ersten Tag wurden 66 Patienten aufgenommen. Eine 1937 eröffnete Augenabteilung indes wurde zwei Jahre darauf bereits wieder geschlossen. Klar erteilte die Leitung des Hauses von Beginn an, jedermann ohne Ansehen der Konfession aufzunehmen: „Wir wollen kein Vordringen des Katholizismus in Görlitz, wir wollen nur die Liebe zur Menschheit, ohne Unterschied der Konfessionen und Parteien.“ So ist es bis heute, so war es im Zweiten Weltkrieg, und so galt es auch in der DDR, in der auch führende Funktionäre gern das St.Carolus-Krankenhaus in Anspruch nahmen.

Zur Einweihung verfügte das Haus über modernste Medizintechnik. Hervorragende Fachkräfte indes wurden schnell verloren, als Hitler an die Macht im Staate kam. Die Judenverfolgung zwang Spezialisten wie Dr. Niedermeyer oder Dr. Frankenstein zum Verlassen des Hauses. Der jüdische Ärztliche Leiter, Dr. Albert Blau, mit dem die Klinik begann, emigrierte nach Schweden. Im Krieg diente das Haus als Lazarett, erst für die Wehrmacht, dann für die Rote Armee. Nach dem Neuanfang wurde, auch mit Finanzhilfe der Caritas, kontinuierlich die Ausstattung angepasst. Mit der ab 1964 bestehenden Krankenpflegeschule gibt es eine eigene Nachwuchsförderung. Der Einbau einer Sterilisation (1966), des ersten Ultraschalls (1980) oder einer kardiologischen Überwachung (1982) waren zur jeweiligen Zeit Raritäten. Beim Ultraschall wurde das St. Carolus sogar Ausbildungszentrum für Ostsachsen.

Nach der politischen Wende 1990 bekräftigten die Borromäer ihre zu DDR-Zeiten stark beschränkten Kontakte. Sie erreichten eine Aufnahme in erste sächsische Förderprogramme, sodass schon 1991 Planungen für eine komplette Sanierung des Krankenhauses begannen, zu der auch Erweiterungsbauten gehörten und insgesamt 40 Millionen Euro Förderung floss. Auch neue medizinische Bereiche hielten Einzug, 1992 zum Beispiel die Urologie.

Heute werden jährlich bis zu 5 200 stationäre und 6 400 ambulante Patienten von 220 Mitarbeitern behandelt. Seit 2004 gehört das St. Carolus zur Malteser gGmbH Sachsen-Brandenburg mit Sitz in Kamenz. Die Trägerschaft wechselte, nicht aber die Ausstrahlung: Seit 90 Jahren schreibt St.Carolus in Rauschwalde Medizingeschichte.

www.malteser-krankenhaus-stcarolus.de