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Im Sommer wieder auf den Ungerturm

Neustadt hat das Gelände samt Aussichtsturm und Gaststätte gekauft. Die Absperrungen sind bald passé.

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© Archiv/SZ

Von Nancy Riegel

Neustadt. Die Neustädter bekommen ein Stück Heimat zurück. So emotional umschreibt Bürgermeister Peter Mühle (NfN) die Neuigkeiten zum Gasthof und Aussichtsturm auf dem Ungerberg in Rugiswalde. Eine eigens dafür gegründete gemeinnützige Stiftungsgesellschaft, zu der die Stadt Neustadt und Privatpersonen gehören, hat das Gelände von den bisherigen Besitzern erworben. Der Kaufvertrag wurde vor wenigen Wochen unterschrieben, und somit ist das einst so beliebte Ausflugsziel bald wieder zugänglich für alle.

Eine gute Nachricht für die, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren sehnsüchtig oder verärgert einen Blick durch die Absperrung warfen. Der Ungerturm war wegen Rissen im Mauerwerk seit 2007 gesperrt. Die Besitzer Beatrix und Perry Schmidt riegelten im September 2015 das restliche Gelände mit einem Bauzaun ab. Was ihr gutes Recht ist, denn das Grundstück war nun einmal in ihrem Privatbesitz. Begehungen des Ungerturms gab es nur nach Absprache mit ihnen, die Zimmer in der Ausflugsgaststätte konnte man für Veranstaltungen oder für Urlaube mit Selbstversorgung mieten.

Die Situation auf dem Ungerberg betrübte vor allem Wanderer. Neustädter Einwohner und die Stadtverwaltung waren ebenso unglücklich darüber, dass der grandiose Ausblick vom Ungerturm nicht mehr für jeden möglich war. Zahlreiche Beschwerden darüber gingen im Rathaus ein. Das alles soll sich bis Sommer dieses Jahres ändern. Die umgeleiteten Wanderwege sollen wieder begangen werden und Ausflügler den Turm wieder besteigen können, ohne Eintrittsgeld. „Ein paar Schönheitsreparaturen sind bis dahin noch nötig“, so das Stadtoberhaupt. Der Turm weist mehrere Risse auf. Die Eigentümer flickten bereits einige von diesen in Eigenregie. Auch in der Baude gibt es noch einiges zu tun, beispielsweise muss die Küche hergerichtet werden.

Gebaut, abgebrannt, wieder aufgebaut, aufgestockt, gesperrt – die Geschichte des Ungerturms.

Der Rundblick vom Ungerturm ist spektakulär. In einer Höhe von 565 Metern schaut man auf den Valtenberg, zum Lausitzer Bergland, zum Isergebirge, bei guter Sicht sogar bis zum Riesengebirge und natürlich zur Burg Hohnstein und zur Burg Stolpen. Die erste Version des Aussichtsturms, 1846 errichtet und aus Holz, brannte nur zwei Jahre später ab – vermutlich durch Brandstiftung.

Es war Julius Mißbach, der schließlich den Anstoß für den heutigen massiven Ungerturm gab. Nachdem auf der Götzinger Höhe das Aussichtsgerüst erbaut worden war, ließ sich endlich der Schuster-Bauer aus Rugiswalde bewegen, die Unger-Bergkuppe zu verkaufen. Als anonymer Spender forcierte Mißbach mit 6000 Mark den Bau des damals 18 Meter hohen Ungerturms. 1885 wurde er fertiggestellt. Neben dem Turm aus Granit ließ er ein geräumiges Gasthaus, eine Vergnügungshalle und eine Sennhütte errichten sowie einen Turnplatz und Wanderwege anlegen. 25 Jahre später wird ihm zum Gedenken auf dem Unger ein Gedenkstein eingeweiht.

In den Jahren 1972/73 erfolgte ein Aufstocken des Ungerturms, um die hervorragende Aussicht weiter zu sichern. Genau 144 Stufen führten ab sofort auf die Aussichtsplattform.

Das Interesse an dem Turm war Anfang der 1990er-Jahre groß. Erst gehörte er als ehemaliges HO-Objekt der Treuhand. Ein Einheimischer bewarb sich als Käufer. Die Gemeinde Hohwald unterstützte das, weil man als Käufer jemanden aus der Region wollte. Im Gegenzug wollte die Gemeinde den Turm und den Weg kaufen. Doch der damalige Eigentümer kündigte der Gemeinde den Pachtvertrag für den Turm.

1999 erfolgte eine größere Sanierung.

Im Jahr 2005 verkaufte schließlich eine Erbengemeinschaft das Grundstück an Perry Schmidt. Bis Anfang dieses Jahres waren Turm und Gaststätte in seinem Besitz.

An Pfingsten 2007 musste der Ungerturm gesperrt werden. Die Risse im Sandstein wuchsen, Treppen und Turm bröckelten. Drei dicke Stahlseile hielten die Außenmauern des Turmes zusammen. Der Besitzer plante in den darauffolgenden Jahren immer wieder, den Turm zu sanieren, und beantragte dafür Fördermittel.

Im Jahr 2012 schließlich wurden die Pläne im Technischen Ausschuss konkretisiert. Passiert ist allerdings nichts.

Ende 2014 wurden die letzten Gäste in der Ungerbaude bewirtet. Wenige Monate darauf riegelte der Besitzer das komplette Gelände mit einem Bauzaun ab. Diesen wollte er sogar durch einen massiven Zaun ersetzen, was aber nicht umgesetzt wurde.

Zum Deutschen Wandertag 2016 waren letztmalig öffentliche Besteigungen möglich.

. Im Sommer 2018 soll der Turm wieder für alle zugänglich werden.

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Die Arbeiten zahlt laut Mühle die Stiftungsgesellschaft. Ebenso wie den Preis für das gesamte Gelände. Der Bürgermeister beschreibt, wie es zu dieser Form der Finanzierung gekommen ist: „Erwerber ist eine eigens gegründete Stiftungsgesellschaft, welche sich ausschließlich dem Wohl der Stadt Neustadt und der dortigen öffentlichen Projekte verschrieben hat. Vom zuständigen Finanzamt wurde die Gemeinnützigkeit bestätigt. Der Stadtrat hat dem Kauf zum Zwecke der Wiedereröffnung von Turm und Berggasthof zugestimmt.“ Dafür wurde eine nichtöffentliche Sondersitzung des Stadtrats einberufen. Über die Kaufsumme schweigt der Bürgermeister. Ebenso, welche Personen in der Stiftung vereint sind. Im Unklaren lässt er auch, ob und wie viel städtisches Geld Neustadt einbringt. Sollte etwas mit der Stiftung schieflaufen, gehe das Areal in den Besitz der Stadt über, sagt er nur. Neben der Finanzierung galt es auch zu klären, wer die Bewirtschaftung des Gasthofes künftig übernimmt. Mit Peggy Windler wurde bereits eine Betreiberin gefunden. Sie ist Geschäftsführerin des Gasthofs „Götzinger Höhe“ in Neustadt. Bürgermeister Mühle erklärt, dass der Standort auf dem Unger das zweite Haus der Gastronomin sein soll, das aber nicht in direkter Konkurrenz mit der Götzinger Höhe stehen soll. Die Konzepte sollen sich also ein wenig unterscheiden. „Der Baudencharakter soll aber erhalten bleiben“, so Mühle. Also keine außergewöhnlich moderne, sondern traditionelle Küche.

Eröffnung so schnell wie möglich

Im sozialen Netzwerk Facebook verbreitet sich seit dem Wochenende der Suchaufruf für Personal für die Ausflugsgaststätte. Gesucht werden Restaurantfachkräfte, Köche und Reinigungskräfte. Laut Flyer werden die Jobs in Vollzeit, ganzjährig und mit sehr guter Bezahlung angeboten. Zusätzlich wird mit vielen freien Wochenenden und Urlaub in der Saison geworben. Außerdem wird für die Einliegerwohnung eine Gastro- oder Hausmeisterfamilie gesucht, die sich günstig einmieten kann. Für jeden dauerhaften Mitarbeiter wird ein Begrüßungsgeld in Höhe von 1 000 Euro in Aussicht gestellt, ebenso für eine erfolgreiche Vermittlung. Den künftigen Betreibern ist es also ernst. Zurecht, ist der Bürgermeister überzeugt. „Ich glaube, der Gasthof auf dem Unger hat sehr gute Aussichten.“

Eine komplette Mannschaft für das wiedereröffnete Haus zu finden, ist sportlich. Denn schon Anfang Juni soll laut Aufruf der Betrieb starten. Auf ein genaues Datum will sich Mühle hingegen nicht festlegen, da zu diesem Zeitpunkt auch das 40. Neustadttreffen im polnischen Nowe Miasto nad Pilica stattfindet, zu dem wie immer eine Delegation aus dem hiesigen Neustadt reisen wird.

Feststeht für ihn nur, die Wiedereröffnung soll so schnell wie möglich stattfinden. Denn in den Sommerferien soll die Staatsstraße zwischen Ortsausgang Langburkersdorf und Ungerkurve saniert werden. Drei Wochen lang müssen Autofahrer dann von Neustadt aus die Umleitung über Sebnitz nehmen, um zum Unger zu kommen. Bis dahin sollen möglichst viele Menschen mitbekommen haben, dass sich der Aufstieg zum Unger wieder lohnt.

Bewerbungen für die Stellen im Gasthof postalisch an: Götzinger Höhe 1, 01844 Neustadt oder an [email protected]