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Im Schicksal verbunden

André Richter rettete eine Familie am Neujahrsmorgen aus ihrem brennenden Haus. Dafür wird der Bannewitzer geehrt.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Verena Schulenburg

Hänichen/Bannewitz. Er lächelt, bedankt sich bereitwillig. Ganz geheuer ist ihm die Aufregung um seine Person aber nicht. In diesem Moment auf der Bühne weiß er das zu überspielen. Anders ist es abseits des Rampenlichtes. „Ganz ehrlich, den Trubel brauche ich nicht“, sagt André Richter verschmitzt und etwas kleinlaut. Dennoch weiß der 49-Jährige, wie wichtig es war, was er tat.

Das Haus der Familie Naumann in Hänichen brannte völlig aus.
Das Haus der Familie Naumann in Hänichen brannte völlig aus. © Andreas Weihs

Dem Bannewitzer ist am Donnerstagabend während des Neujahrsempfanges der Gemeinde im Kompressorenbau Bannewitz offiziell gedankt worden. Bürgermeister Christoph Fröse (parteilos) wollte sogar noch einen Schritt weitergehen und André Richter die sächsische Lebensrettermedaille überreichen. Doch die Antragstellung beim Ministerium dauert noch. Die Ehrung wird nachgeholt. Nichtsdestotrotz lobte Christoph Fröse vorm Publikum André Richters Mut.

Am Neujahrstag, kurz vor sechs Uhr morgens, fing das Einfamilienhaus der fünfköpfigen Familie Naumann auf dem Käferberg in Hänichen Feuer, vermutlich von einer brennenden Mülltonne ausgelöst. Alle schliefen noch nach der Silvesternacht, auch André Richter. „Es brennt“, rief plötzlich seine Frau. Anett Wetterney-Richter wurde durch merkwürdige Geräusche munter. „Es klang wie Regen, aber irgendwie anders“, erinnert sich die 51-Jährige. Als sie aus dem Fenster schaute, sah sie, wie der Carport neben dem Einfamilienhaus schräg gegenüber brannte. Sie weckte ihren Mann und rief die Feuerwehr. André Richter überlegte nicht lange. Barfuß und in Nachtwäsche sprang er aus dem Bett, rannte aus seinem Haus und klingelte bei den Nachbarn Sturm.

Unaufhörlich schrie und hämmerte er gegen die Tür des Hauses, wo Jacqueline und Matthias Naumann mit ihren drei Kindern schliefen. Eine gefühlte Ewigkeit verging, bis sie sich öffnete. „Noch eine Minute länger und ich hätte die Tür eingetreten“, sagt Richter.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Feuer bereits den Giebel des Einfamilienhauses erfasst und war dabei, sich über die Dämmung an der Fassade entlang zu fressen. Es ist genau die Seite des Hauses, wo die zwei Jüngsten schliefen, die siebenjährigen Zwillingsmädchen. Zum Glück hatte die 14-jährige Tochter der Familie den Lärm im Haus bemerkt und ihre Geschwister geweckt. Die Familie schaffte es gerade noch rechtzeitig hinaus, bevor Feuer und beißender Qualm das Wohnhaus vereinnahmten. Matthias Naumann schloss als letzter die Haustür hinter sich.

„Er wollte dann unbedingt noch einmal rein, irgendetwas holen“, erinnert sich Retter André Richter. Doch der Familienvater hatte den Haustürschlüssel von innen im Schlüsselloch steckenlassen und kam nicht mehr hinein. „Gott sei Dank“, sagt Richter. Es wäre vielleicht sein letzter Gang gewesen. „Ich habe sogar noch versucht, mit einem Eimer Wasser zu löschen“, erinnert sich André Richter und schüttelt selbst den Kopf über diesen Versuch. Matthias Naumann gelang es noch, ein Auto aus dem Carport zu fahren. Mehr Zeit blieb nicht. Als die Feuerwehren aus Bannewitz und Umgebung eintrafen, brannte das Einfamilienhaus bereits lichterloh.

Was wäre, wenn André Richter die Familie nicht geweckt hätte? Jacqueline Naumann findet Worte: „Wir haben unzählige Kuscheltiere für unsere Kinder geschenkt bekommen“, erzählt sie. Als sich die drei dann in dem Plüschberg tummelten und daran erfreuten, habe sie daran gedacht, dass zwischen den Kuscheltieren auch Kerzen hätten stehen können. „Ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar wir Herrn Richter dafür sind, dass er uns gerettet hat und allen, die uns geholfen haben“, sagt die dreifache Mutter gerührt. Auch von Familie Uhlig, die gleich gegenüber wohnt, bekamen die Brandopfer Hilfe. Etliche Anwohner ringsum solidarisierten sich mit dem Schicksal der Naumanns und halfen seit der Stunde des Brandes, wo es ging.

Nachdem die fünfköpfige Familie zunächst in der Pension Otto in Hänichen unterkam, konnten sie kürzlich eine Wohnung im Ort beziehen, die binnen vier Tagen von den Anwohnern bezugsfertig gemacht wurde. Das Schicksal der Familie berührt auch weit über Bannewitz hinaus. Das Glückauf-Gymnasium in Dippoldiswalde hat mit einem Benefizkonzert Spenden für die Brandopfer gesammelt. Auch der Sportverein Bannewitz überreichte am Donnerstag Geld an die Familie. Binnen drei Wochen ist durch viele Spender ein mittlerer fünfstelliger Betrag zusammengekommen, sagt der Bürgermeister.

In den nächsten Wochen soll damit begonnen werden, die Brandruine bis auf den Keller abzureißen und anschließend neu zu bauen. Ziel der Familie ist es, bis Ende dieses Jahres ihr neu errichtetes Heim zu beziehen. Vor zwölf Jahren zogen die Naumanns von Dresden nach Bannewitz, bauten damals ihr Eigenheim auf dem Käferberg. Hier fühlen sie sich Zuhause. Seit dem Brand umso mehr. „Wir sind dankbar und froh darüber, dass es uns hier passiert ist“, sagt Jacqueline Naumann im Hinblick auf die große Hilfsbereitschaft. Aus netten Nachbarn sind Freunde geworden.