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Im Reich der Männel

Die neue Ausstellung im Pirnaer Stadtmuseum zeigt alte Figuren aus dem Erzgebirge. Die sind wertvoller, als sie aussehen.

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© Kristin Richter

Von Nancy Riegel

Pirna. Warum hat der Türke eigentlich eine Krawatte? So genau kann das im Stadtmuseum keiner beantworten. Die Figur aus dem Erzgebirge hat gut einhundert Jahre auf dem Buckel und gehört zur Sammlung von Tom Letz. Er stellt eine Vermutung auf: Früher, bevor es Internet und Fernsehen gab, konnten sich die Drechsler nur vorstellen, wie sich Menschen in fremden Kulturen kleiden. „Und da wurde dem Mann aus dem Orient eben eine Krawatte verpasst“, sagt der Restaurator aus Rosenthal-Bielatal und muss lachen. Tom Letz ist einer der Leihgeber der neuen Weihnachtsausstellung im Stadtmuseum. Unter dem Titel „Reise zu den Männelmachern“ zeigt die Ausstellung Lichterfiguren, Räuchermänner, Pyramiden und Spielzeug aus dem Erzgebirge. Ab Sonntag ist sie für Besucher geöffnet. Fast alle Figuren sind 100 Jahre alt oder älter. Manche sind gut erhalten, anderen fehlt hier eine Hand, dort ein Stück vom Mantel. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir genug Exponate finden, um den ganzen Raum zu füllen“, gibt Kuratorin Marion Rasche zu, die selbst Männel-Sammlerin ist. Offenbar gibt es aber in der Region genug Liebhaber, denn die Vitrinen sind voll.

Eine Auswahl

Der schnieke gekleidete Türke gibt seinem Besitzer Rätsel auf.
Der schnieke gekleidete Türke gibt seinem Besitzer Rätsel auf.
Der Sage nach bringt der Moosmann Wanderern im Wald Glück.
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Auf dem Flohmarkt hat Volker Karp diese Burg entdeckt.
Auf dem Flohmarkt hat Volker Karp diese Burg entdeckt.
Statt der drei Weisen umrundet eine Militärparade diese Pyramide.
Statt der drei Weisen umrundet eine Militärparade diese Pyramide.

Ähnlich sieht es zu Hause bei Tom Letz aus, von dem der Großteil der Männel stammt. Er hat Hobby und Beruf vereint und ist immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Stücken, die er restaurieren kann. Engel, Moosmänner und Rübezahl gehören zu seinem Repertoire, gefunden hat er sie auf Flohmärkten oder im Internet. Sein Lieblingsstück? „Eine große Figur eines Bergmannes mit flachem Kinn. Der erinnert mich an jemanden aus meinem Dorf“, sagt er. Schwer vorzustellen, dass die Figuren mit den oftmals zu kurz geratenen Beinen teilweise begehrter und dementsprechend teurer sind als Meißner Porzellan. Tom Letz verrät, dass einige der Stücke rund 3 000 Euro wert sind.

Mit Absicht unschön

Dass der Preis echte Sammler nicht abhalten kann, beweist auch Volker Karp. Der ehemalige Musiker der Dresdner Philharmonie ist Haupt-Leihgeber der Spielzeug-Abteilung in der Ausstellung. Seine Leidenschaft begann mit einer Spielzeugstadt, die sein Vater in Kriegsgefangenschaft heimlich zusammenbaute und dem Junior überließ. Volker Karps Exponate schmückten schon viele Museen, nun eben auch das in Pirna. Hunderte Einzelteile, Häuser, Pferde, Männel, Bäume, sind hinter Glas zu sehen. Besonderes Schmuckstück: eine große Pyramide. Überraschenderweise ohne Jesus und die drei Weisen aus dem Morgenland, dafür mit Soldaten und einer Militärparade. Volker Karp erklärt, dass dies typisch für frühe Pyramiden sei. „Die Menschen gestalteten sie mit Dingen, die ihren Alltag bestimmten, also beispielsweise ihr Beruf oder eben der Krieg.“ Erst später kamen die christlichen Motive dazu.

Der Reiz dieser Ausstellung, da sind sich Museum und Leihgeber einig, liegt im Unperfekten. Keine Figur gleicht der anderen, einige wurden sogar absichtlich unschön gelassen. Denn früher wurden die Figuren schon mal übermalt, wenn dem Besitzer das Antlitz nicht passte. Jetzt blättert die Farbe ab, die alles andere als fachmännisch aufgetragen wurde. Nichts im Vergleich zu heutigen Figuren, die reihenweise aus einer Maschine laufen. Und alle ganz sicher korrekt gekleidet sind.

Weihnachtsausstellung vom 26.11. bis 19.2. im zweiten Obergeschoss; Mo. geschlossen, Di.–So. 10–17 Uhr