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Im Paradies der Blüten

Die Gärtnerei Seidel widmet sich seit Generationen den Rhododendren. Grüngräbchen ist dafür ideal.

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© René Plaul

Von Nicole Preuß

Das blühende Paradies beginnt hinter einer schmalen, neu gebauten Brücke zwischen Schwepnitz und Grüngräbchen. Prachtvolle Rhododendren in Violett und Rot säumen den Weg und machen den Besuchern schnell deutlich, worum es geht. Die Gärtnerei Seidel produziert seit 120 Jahren Rhododendren in Grüngräbchen. Die Gärtner sind Spezialisten und beliefern Gartenmärkte, Garten- und Landschaftsbaubetriebe und Privatleute. Viele Rhododendren der Region wurden ursprünglich einmal von den Seidels gesteckt.

Die Rhododendron-Pracht auf dem Hutberg lockt jedes Jahr viele Besucher nach Kamenz. Der Schöpfer des Parks Wilhelm Weiße hat sich mit dem Gründer der Grüngräbchener Gärtnerei offenbar auch ausgetauscht.
Die Rhododendron-Pracht auf dem Hutberg lockt jedes Jahr viele Besucher nach Kamenz. Der Schöpfer des Parks Wilhelm Weiße hat sich mit dem Gründer der Grüngräbchener Gärtnerei offenbar auch ausgetauscht. © René Plaul

Christian Schröder ist der Ur-Enkel des Betriebsgründers, seine Mutter ist eine geborene Seidel. Der Gärtnermeister leitet den Betrieb mit den sechs Mitarbeitern seit 30 Jahren und wird ihn in absehbarer Zeit an seinen Sohn Michael weitergeben. „Er hat seinen Gärtnermeister gemacht und hat studiert“, sagt Christian Schröder. Der junge Gärtnermeister ist zurückgekommen. Denn in Grüngräbchen wartet eine Familientradition der besonderen Art.

Freundschaft mit Goethe

Die Geschichte der Baumschule T. J. Rud. Seidel lässt sich nämlich bis ins 18. Jahrhundert zum Dresdener Hofgärtner Johann Heinrich Seidel zurückverfolgen. Der bekannte Experte, der sich unter anderem in Wien, Holland, England und Paris weiterbildete, war mit dem Dichterfürst und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe befreundet und wurde auch mehrere Male von ihm in der Hofgärtnerei besucht. Zwei seiner Söhne beschäftigten sich eingehend mit den damals außergewöhnlichen, aber sehr beliebten Arten der Kamelien und Rhododendren.

Rhododendren gab es damals eigentlich nur in den Alpen, weshalb die Sträucher auch Alpenrosen genannt wurden. Reisende brachten die Sträucher vermutlich aus dem Kaukasus, aus China und allgemein aus Asien mit. Die Seidels versuchten, ihre Züchtungen vor allem über die mitunter frostreichen deutschen Winter zu bekommen. Grüngräbchen bot optimale Voraussetzungen für dieses Vorhaben.

1897 kauften die Nachfahren der Seidels die Flächen des Ritterguts am Rand des Ortes. Der Boden war sauer, feucht und mit Sand durchsetzt. Ein weiterer Pluspunkt waren die Kiefern auf dem Gelände. Rhododendren lieben Kiefernwaldböden. „Da wachsen sie wie der Teufel drin“, sagt Christian Schröder. Ein großer Vorteil aber war die Kälte im Winter. „Grüngräbchen ist das Sibirien Deutschlands. Man konnte sagen, was hier wächst, ist in ganz Deutschland empfehlenswert.“ 1899, kurz nach dem Kauf der Flächen, erlebten die Seidels zum Beispiel einen Winter mit Temperaturen bis zu minus 25 Grad Celsius. Ein großer Teil der mitgebrachten Rhododendron-Arten ging damals ein. 17 erwiesen sich als winterhart und wurden zum Grundstock für die weitere Züchtung der immergrünen Sträucher. Der Gründer der Gärtnerei Rudolf Seidel unterhielt übrigens auch gute Beziehungen zu dem Kamenzer Gärtnermeister Wilhelm Weiße. Es ist daher vorstellbar, dass sie sich über die Anlage des Hutberg-Areals austauschten und die Grüngräbchener auch Pflanzen lieferten.

100 000 neue Stecklinge

Einige der alten Seidelschen Rhododendren wachsen noch heute in dem zehn Hektar großen Park der Gärtnerei in Grüngräbchen. Christian Schröder und seine Mitarbeiter haben Mini-Transporter, um schnell die verschiedenen Ecken zu erreichen. Die Rhododendren wandern selbst auch durch die Anlage. 100 000 Stecklinge werden jedes Jahr gesetzt. Sie wachsen zum Teil in Folienhäusern heran, werden mehrmals umgetopft und können dann mit fünf Jahren verkauft werden. „Es ist immer schwer zu sagen, welche Farben in einigen Jahren modern sind“, sagt Christian Schröder. Er setzt deshalb auf die Mischung. Weiß ist momentan beliebt und auch gesprenkelt blühende Rhododendren werden gern gekauft. Ein Teil der Sträucher bleibt darüber hinaus in Grüngräbchen und wird auch innerhalb des Parks immer wieder verpflanzt. „Das bringt schöne runde Wurzelballen“, sagt der Experte. Manche Sträucher verlassen erst mit mehr als 20 Jahren die Gärtnerei. „Besonders gefragt sind die 1,75 Meter hohen Sträucher als Sichtschutz“, sagt Christian Schröder. Die werden dann von den Gartenbaubetrieben für Parks oder Privatgärten gekauft. Grenzen gibt es dabei nur wenige. „Es können auch fünf Meter hohe Sträucher noch versetzt werden“, sagt der Gärtnermeister.

Der spezialisierte Betrieb züchtet inzwischen nicht mehr, hat aber trotzdem 250 Arten im Angebot. 20 Prozent der Pflanzen gehen an Privatkunden. Die Kunden suchen sich die Pflanzen dann direkt in der Baumschule aus oder bestellen übers Internet. Die Beratung nimmt eine zentrale Rolle ein. Denn Rhododendren unterscheiden sich nicht nur in der Farbe, sondern können auch unterschiedliche Wuchshöhen erreichen. Eines ist aber immer gleich. „Der Tod von Rhododendren ist stagnierende Nässe“, sagt Christian Schröder. Sie lieben strukturreiche Böden. Der Gärtnermeister selbst arbeitet deshalb mit Torf und seit zehn Jahren mit Rohbraunkohle. Das watteähnliche braune Material wird fünf Zentimeter dick auf den Boden verteilt und eine Spatenmaschine arbeitet die Fasern dann in die Erde ein. Der Gärtnermeister setzt zudem darauf, die welken Blütenstände abzubrechen. „Das fördert den Neutrieb, die Samenbildung kostet Kraft“, sagt er. Die Kunden der Gärtnerei kommen aus den ostdeutschen Ländern, aus Bayern, Polen, Tschechien und der Schweiz. Manche reisen mit Bussen an. Sie kommen vor allem in der Blütezeit im Mai. Doch auch noch im August lohnt ein Besuch. Die Gärtnerei hat es mit spätblühenden Exemplaren versucht. Die Entwicklung geht weiter.