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Im Namen der Armut

Über 800 Menschen nutzen die Angebote der Kamenzer Tafel. Auch zu Weihnachten und zum Jahreswechsel.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Kamenz. Hungern sollte in diesem Land eigentlich keiner. Die sozialen Netze sollten stark sein. Sollten vor Kälte, Obdachlosigkeit und Hunger schützen. Und doch gibt es viele Menschen, bei denen das monatliche Einkommen nicht zum Leben reicht. Oder besser: Nicht für Sonderwünsche. Nicht für etwas Gutes zwischendurch. Normal einkaufen gehen, aus dem Vollen schöpfen, den Warenkorb füllen nach Herzenslust – das können etwa 800 Frauen, Männer und Kinder aus der Kamenzer Region auch dieses Weihnachten nicht.

Doris Gneuß ist im Sortier-Team. Vor allem Obst und Gemüse müssen genau geprüft werden, bevor es in den Laden kommt.
Doris Gneuß ist im Sortier-Team. Vor allem Obst und Gemüse müssen genau geprüft werden, bevor es in den Laden kommt. © René Plaul
Auch Regina Tas räumt die Regale an der Tafel-Ausgabe mit ein. Die Auswahl ist groß. Viele Hände werden gebraucht.
Auch Regina Tas räumt die Regale an der Tafel-Ausgabe mit ein. Die Auswahl ist groß. Viele Hände werden gebraucht. © René Plaul

Das sind konkret etwa 300 Bedarfsgemeinschaften. So nennt man im Fach-Jargon Familien oder Lebensgemeinschaften, die zur Kamenzer Tafel kommen. Sie sind berechtigt, hier für einen kleinen Obolus Waren einzukaufen, die andere im Regal der Supermärkte stehenlassen würden. „Diese Lebensmittel sind aber keineswegs verdorben oder schlecht, aber das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nah“, sagt Gabriele Tenne. Die 69-Jährige lenkt und leitet hier am Garnisonsplatz seit langer Zeit mit Kollegin Gerlinde Lorenz die Geschicke des Vereines. Sie haben das Erbe von Ideengeberin Annelies Grzonka übernommen. „Wir beide brauchen das. Es hält jung und fit im Kopf“, schmunzelt sie.

Es gab gute und magere Zeiten

Die beiden und ihre Mitstreiter haben einiges erlebt in den letzten Jahren. Auf und Ab, gute und magere Zeiten, einen verheerenden Brand im Januar 2015. Der Brand ist lange Geschichte. Die Brandnacht und die schweren Wochen danach bleiben sicherlich auf ewig in den Köpfen der Beteiligten. Aber auch die Welle der Hilfsbereitschaft, die danach anrollte, wie ein warmer Regen auf verbranntem Gras. Sie haben Mitarbeiter kommen und gehen gesehen. Haben sich eingesetzt für Projekte und die Menschen dahinter.

Aktuell arbeiten sie mit einem Team von 15 Frauen und Männern zusammen. Im Schichtsystem werden täglich Lebensmittel sortiert und für den Verkauf hergerichtet. Es sind Ein-Euro-Jobber und Ehrenamtliche. Die drei Ausgabestellen in Kamenz, Bernsdorf und Königsbrück sind gut frequentiert. Menschen aus allen Alters- und Sozialschichten finden den Weg her. Einige davon haben durchaus eine Arbeit, liegen damit aber immer noch unter der Einkommensgrenze. Sie dürfen deshalb preisgünstige Waren von der Tafel empfangen. „Es werden leider immer mehr Arbeitnehmer, die trotz eines Jobs nicht genügend zum Leben haben“, sagt Gabriele Tenne. Und viele von ihnen trauen sich letztendlich lange nicht her. Scham spielt eine große Rolle.

Rente reicht oft nicht fürs Nötigste


Die Zahlen sind in den letzten Jahren zwar unverändert geblieben. Vielleicht sind es aber ein paar mehr Senioren geworden. „Das ist leider ein trauriger Trend. Die Rente reicht vielen nicht fürs Nötigste“, sagt sie. Auch ein paar wenige Asylbewerber sind dazu gekommen, aber das sei nicht das Gros. Bezugsberechtigt sind nur Familien, die eigenständig in Wohnungen leben. Im Heim bekommen die Asylbewerber schon Unterstützung in dieser Hinsicht.

„Wir müssen trotzdem dran bleiben, müssen immer neue Wege auftun. Die Stadt unterstützt uns, hat uns beispielsweise eine große Kühlzelle für die Milchprodukte gespendet. Auch viele Firmen sind dabei, wie Frigolanda, bei denen wir seit Jahren kostenlos die Tiefkühlware unterstellen dürfen“, erzählt Gabriele Tenne. An Lebensmitteln fehlt es im Großen und Ganzen nicht, auch wenn es gern etwas mehr Wurstwaren sein dürften. Manchmal ist die Auswahl einfach nicht so groß. Spendenwillige Bäcker gibt es hingegen genug, auch die großen Lebenmittelmärkte geben gern. Aber unterschiedlich. Manch einer auch gar nichts. „Man muss uns ja auch ein bisschen als Lebensmittelretter sehen. Obwohl auch wir etwa ein Drittel wegwerfen müssen. Deshalb haben wir hohe Müllgebühren. Und brauchen hier finanzielle Unterstützung“, ist zu erfahren.

An den Wochenenden kochen zwei Ehrenamtliche übrigens noch etwa 35 Essen für die Bedürftigen. Und vor Kurzem gab es eine Weihnachtsfeier für 160 Leute in der Kabi. Viele Unbekannte packten im Vorfeld unzählige Wichtelgeschenke und brachten sie bei der Tafel vorbei. Einfach so. Ohne Gegenleistung. Auch das ist Kamenz.

Spenden willkommen: Es fehlt der Tafel vor allem auch an finanziellen Mitteln, um Müllgebühren, Betriebskosten, Miete und Benzin zu finanzieren. Wer spenden möchte, der kann das tun unter: Kamenzer Tafel e.V., Deutsche Bank AG, IBAN: DE39870700240637276700; BIC: DEUTDEDBCHE

Kontakt: [email protected]; Telefon 03578 783896