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Im Klosterwald verschwand ein Ort

Vor 590 Jahren wurde Siegfriedsdorf bei Ostritz von den Hussiten vollständig zerstört.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Ostritz. Kennen Sie Siegfriedsdorf? Nicht wirklich? Stimmt, das geht ja auch nicht. Denn im Jahr 1427 erreichte ein Hussitenheer den kleinen Ort und verwüstete ihn völlig. Nur ein Kapellenfragment und ein Brunnen erinnern an diese Stätte. Im 12. Jahrhundert war die Ansiedlung oberhalb des Klosters Marienthal bei Ostritz entstanden. Siegfriedsdorf erstreckte sich längs eines kleinen Bächleins nahe der heutigen Bundesstraße 99. Vom Bergfrieden aus, einem holprigen Parkplatz, erreicht man die einstige Stelle nach nur fünf Minuten Fußweg.

Bis 1855 war hier noch Feld, dann wurde der Klosterwald darauf angelegt und ausgedehnt. Als urkundliche Erwähnung wird gern auf die böhmische Königin Kunigunde verwiesen, die 1234 das Kloster gründete und auf den damals „Sifridsdorf“ geschriebenen Ort Bezug nahm. 1241 bestätigte König Wenzeslaus die Schenkung an das Kloster. 1834, so kann man es in Schönfelders „Geschichte des Klosters“ lesen, waren von Siegfriedsdorf noch Grundmauerreste erkennbar. Heute wird der Wanderer mitten im Wald nur noch von einer verwachsenen Treppe überrascht, die zur Siegfriedskapelle führt. Das ist eine gotische Spitzsäule mit dem Bild des Bischofs Siegfried. Das war der Namenspatron des Dorfes. Das Monument stammt allerdings nicht aus der wahren Dorfgeschichte, sondern wurde 1859 im Auftrag des Klosters zur Erinnerung gestiftet.

Überhaupt hatte das Kloster viele Jahre die Intention, das alte Dorf wiederzubeleben. Als Johann Gottlieb Fischer, ein Ostritzer, 1764 ein Wirtshaus auf dem Berge einrichten wollte, wurde er von den frommen Frauen unterstützt. Äbtissin Anastasia Rösler schrieb an die Regierung: „Es ist unser Wunsch, durch Errichtung eines Jägerhauses und einer Schäferei eine Ansiedlung zu schaffen, um das alte Dorf wieder entstehen zu lassen.“ Viele Jahre gab es daraufhin das Wirtshaus „Bergfrieden“. Zur Erinnerung an das alte Dorf sollen auch die Lärchen dienen, die die klösterliche Forstverwaltung etwa hundert Meter nebenan in Form eines Kreuzes pflanzen ließ. Vermutlich befand sich an dieser Stelle einst der Friedhof. Vielleicht liegen dort auch noch viele der beim Hussitenüberfall 1427 gefallenen Siegfriedsdorfer? Viele indes suchten im Kloster Zuflucht, als die Horden das Dorf dem Erdboden gleichmachten.

Einige Brunnen jedoch überdauerten die Jahre. Da sie aber Gefahrenquellen darstellten, wurden sie zugeschüttet, der letzte wohl 1936. Schließlich gab es um 1960 nur noch einen Bürger, Paul Rudolf aus Marienthal, der eine Brunnenstelle wusste. Seinen Hinweisen gingen damals Heimatforscher nach und gruben bis in zwei Meter Tiefe, was bei dem nur 80 cm breiten Brunnenschacht nicht leicht war. Dann aber hatten sich Steinbrocken derart verkeilt, dass von weiteren Arbeiten abgesehen wurde. Die Untersuchungen ergaben, dass es sich um einen Ziehbrunnen gehandelt hat, auf Wasser wird man erst nach mindestens fünf Meter Tiefe gestoßen sein.

Der „Bergfrieden“ ist leider längst kein Lokal mehr. Wanderern wird empfohlen, nach einem Rundgang an die Neiße in der Klosterschänke einzukehren. Zurück geht es dann am einfachsten über den Stationsberg.