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Im Herbst kommen die AKW-Reste nach Grumbach

Bauschutt aus dem Atomkraftwerk Stade wird in der Sondermülldeponie entsorgt. Der Unmut darüber reißt nicht ab.

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© Archivbild: Egbert Kamprath

Von Annett Heyse

Die Nachricht kam im tiefsten Sommerloch und sie schlug ein wie eine Bombe: In der Sondermülldeponie Grumbach soll Bauschutt aus dem ehemaligen Atomkraftwerk Stade eingelagert werden. Sondermüll – Atomkraft – Deponie. Drei Worte, die eine Allianz bilden, welche vielen unheimlich vorkommen muss. Und die ganz viele im Wilsdruffer Ortsteil Grumbach nun verunsichert.

„Wir sind der Auffassung, der Müll, egal woher, gehört nicht unmittelbar neben eine Ortslage“, kommentiert Wilsdruffs Bürgermeister Ralf Rother (CDU). Er habe davon aus der Presse und von der Bürgerinitiative erfahren. „Diese Vorgehensweise halte ich in Anbetracht des langjährigen Verfahrens zur Deponieerweiterung für unsensibel und skandalös“, moniert der Stadt-Chef.

Immerhin ist die Einlagerung für 2.000 Tonnen bei den sächsischen Umweltbehörden geplant. Mit dem Deponiebetreiber, der Amand Umwelttechnik, ist zunächst die Lieferung für 700 Tonnen vereinbart. Die AKW-Reste sollen wohl im Herbst nach Grumbach gekarrt werden. „Ich rechne im September/Oktober damit, ein genauer Liefertermin steht noch nicht fest“, sagte Amand-Geschäftsführer Rainer Dietze. Beim Deponie-Betreiber kann man die Aufregung um den Bauschutt nicht verstehen. „Das ist Abbruch aus einem Betriebsgelände, wo jahrzehntelang täglich Menschen gearbeitet haben. Das Material ist, was eine Strahlenbelastung anbelangt, absolut ungefährlich“, versucht Dietze zu beschwichtigen.

Auch im sächsischen Umweltministerium hat man mit dem Abbruch aus dem Kernkraftwerk kein Problem. „Beim Rückbau kerntechnischer Anlagen fallen Stoffe an, die so geringfügig radioaktiv sind, dass sie der herkömmlichen Abfallbeseitigung zugeführt werden können“, erklärt SMUL-Sprecher Frank Meyer. Das niedersächsische Umweltministerium, das eine Anfrage an den Freistaat gestellt hatte, habe der Freigabe nur zustimmen können, wenn die Strahlung höchstens im Bereich von zehn Mikrosievert pro Jahr liegt. Zum Vergleich: Bereits die natürliche Strahlenbelastung liegt mit 2.100 Mikrosievert im Jahr mehr als 200-mal so hoch. Von welchen Gebäuden oder Gebäudeteilen der Bauschutt stammt, darüber ist in der Grumbacher Deponie jedoch niemand informiert.

Beim Energiekonzern E.on, der das Kernkraftwerk bis 2003 betrieb, kann man konkretere Angaben machen. In Stade läuft bereits die vierte von fünf Rückbauphasen. „Bei dem Material handelt es sich beispielsweise um Isoliermaterial, Kunststoffe, Kabelgranulat oder Bauschutt aus dem nuklearen und nicht-nuklearen Teil der Anlage“, teilte Unternehmenssprecherin Almut Zyweck mit. Es sei richtig, dass dieses Material Radioaktivität aufweise, aber eben in dem Maße, wie jeder Straßenbelag strahle! Zyweck: „Daher kann nicht oft genug wiederholt werden, dass von diesen Materialien keinerlei Gefahr ausgeht – weder für Mensch noch für Umwelt!“

Warum aber, fragen sich nun viele, muss es dann in eine Sondermülldeponie und ausgerechnet im über 600 Kilometer entfernten Sachsen eingelagert werden? Bisher wurde der Abbruch aus Stade im niedersächsischen Heidekreis deponiert. Einwohner und Politiker sorgten sich jedoch um das Image der Region. Ende 2011 war Schluss. E.on suchte daraufhin erst in Niedersachsen, dann deutschlandweit nach einer Alternative. Zyweck: „Wir sind auf sämtliche mögliche Deponiebetreiber zugegangen und tun dies nach wie vor.“ Warum etliche abwinkten, sagt E.on nicht. Amand jedenfalls war interessiert.

Das sächsische Umweltministerium hat nun eigene Kontrollen des Bauschutts angeboten. In einem Schreiben an die Interessengemeinschaft „Keine Deponie am Tharandter Wald“ lud Umweltminister Frank Kupfer (CDU) dazu ein, gemeinsam mit Fachleuten der Umweltverwaltung Messungen der Radioaktivität eines der ersten Transporte vorzunehmen. Bürgermeister Rother kann darüber nur den Kopf schütteln. „Da es sich um Bauschutt ohne Gesundheitsgefahren handeln soll, halte ich einen teuren Transport quer durch Deutschland für völlig unnötig.“