Merken

Im Fokus der Ermittlungen

Laut Medienberichten soll ein 20-jähriger Libyer einer der Rädelsführer auf dem Bautzener Kornmarkt gewesen sein.

Teilen
Folgen
NEU!
© xcitepress

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Im Internet nennt er sich „King Abode“. „Fuck Nazis“ hat der junge Mann vor ein paar Tagen gepostet: „Ich bin hier“. „King Abode“ ist im wahren Leben Mohamed Youssef T., 20 Jahre alt, Asylbewerber, den eigenen Angaben nach aus Libyen. Seit Ende 2014 lebt er in einem Asylbewerberheim in Bautzen. Sein Asylverfahren läuft.

Laut Medienberichten soll T. einer der Rädelsführer unter den jungen Flüchtlingen gewesen sein, die in die Auseinandersetzungen auf dem Bautzener Kornmarkt verwickelt waren. Die Polizei ermittelt gegen den jungen Mann – unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. T. war bereits am Rande von Demonstrationen linker und rechter Gruppen am 9. September aufgefallen. Ein Foto zeigt ihn bei seiner Festnahme. Mehrere Polzisten müssen ihn zu Boden drücken.

Bekannt ist der 20-Jährige den Ermittlern allerdings schon länger. So kursiert im Internet ein Foto, das angeblich ihn mit einer Maschinenpistole zeigt. Die Polizei hatte daraufhin sein Zimmer in der Asylunterkunft durchsucht, aber nichts gefunden. Laut einem Bericht der Bildzeitung stammt das Foto aus Libyen. T. habe sich inzwischen von dem Foto distanziert. Gegenüber der Zeitung gibt er sich harmlos. Mit Gewalt und kriminellen Machenschaften will er nichts zu tun haben. Im Gegenteil, er habe auf seine jungen Freunde aufgepasst, weil die immer nur Mist machen.

Tatsächlich könnte es aber auch ganz anders sein. Landratsamtssprecher Gernot Schweitzer bestätigt, dass gegen den 20-Jährigen zahlreiche Vorwürfe erhoben werden, er bezieht sich dabei auf die Polizei: Ermittelt wird gegen T. unter anderem wegen Diebstahls und dem unerlaubten Besitz und Handel mit Betäubungsmitteln. Es laufen bereits mehrere Strafverfahren, auch außerhalb des Landkreises Bautzen. Der Libyer steht im Verdacht, Drogen auch an Minderjährige verkauft zu haben. Möglicherweise auch auf dem Bautzener Kornmarkt. Eine Gruppe von Libyern sei dort bereits mehrfach in Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Ereignissen aufgefallen, so Schweitzer.

30 Ermittlungsverfahren

Inwieweit der „King“ zu dieser Gruppe gehört, und ob er tatsächlich an den Auseinandersetzungen auf dem Kornmarkt beteiligt war, auf diese Fragen gab es am Donnerstag aus der Polizeidirektion Görlitz keine Antworten. Der junge Libyer ist weiter auf freiem Fuß. Über Tage hatten sich Streitigkeiten und Provokationen zwischen jungen Flüchtlingen und rechten Deutschen in der vergangenen Woche aufgebauscht und waren schließlich in der Krawallnacht vom 14. auf den 15. September eskaliert.

Eine Woche danach herrscht auf dem Bautzener Kornmarkt und in der Innenstadt demonstrative Ruhe. Das liegt freilich vor allem an der auffälligen Polizei-Präsenz. Polizisten des örtlichen Reviers, des operativen Abwehrzentrums, der Bereitschaftspolizei und der Polizeidirektion Görlitz sind jeden Abend und jede Nacht in Größenordnungen im Einsatz. Gefragt waren sie vor allem noch am vergangenen Wochenende: Mit offensiven Personenkontrollen zerstreuten sie rechte und linke Kleingruppen. Außerdem gingen sie gegen eine Gruppe von 60 Rechten vor, die sich am Schützenplatz mit Knüppeln gesammelt hatten. Seither ist es deutlich ruhiger geworden, bestätigt Polizeisprecher Thomas Knaup. Der Kontrollbereich wird noch mindestens bis zum 3. Oktober bestehen bleiben. Danach sollen baldmöglichst auch zusätzliche Wachpolizisten eingesetzt werden, die das örtliche Revier unterstützen.

Bei Polizei und Staatsanwaltschaft laufen nach den Ereignissen auf dem Kornmarkt Ermittlungsverfahren gegen 30 Personen. Zu den Beschuldigten gehören junge Asylbewerber und Angehörige sowohl der links- als auch der rechtsextremen Szene, bestätigt Innen-Staatssekretär Michael Wilhelm. Es geht um Körperverletzung, Beleidigung und Landfriedensbruch.

Vier Jugendliche verlegt

Die Stimmung unter den Asylbewerbern sei nach den Vorfällen generell sehr gedrückt, sagt Peter Rausch, Betreiber des Asylheims im Spreehotel. „Die meisten Heimbewohner bei uns sind friedlich und vernünftig. Viele sind stinksauer auf ihre Landsleute, die in Bautzen Ärger machen.“

Unter diesen sind auch Minderjährige ohne Eltern, für die das Jugendamt des Landkreises verantwortlich ist. Kreissprecher Gernot Schweitzer bestätigt, dass vier Jugendliche aus der Unterkunft in Bautzen voneinander getrennt in andere Heime des Kreises verlegt worden sind. Das sei eine jugenderzieherische Maßnahme, so Schweitzer. Mit den vier Jugendlichen hätte es schon längere Zeit Probleme gegeben. Ob diese vier jungen Flüchtlinge tatsächlich auch Rädelsführer in den Auseinandersetzungen waren, sei bisher von der Polizei nicht bestätigt. Einer der Minderjährigen, der schwer traumatisiert sei, wurde in einer Einrichtung mit besonderer psychotherapeutischer Betreuung untergebracht.