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Im Einsatz zwischen zwei Autobahnen

Von der Wohnung bis zum Arbeitsplatz sind es bei Matthias Demmich nur ein paar Treppenstufen. Dann geht allerdings die Fahrerei los.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Man könnte meinen, Matthias Demmich hätte einen kurzen Arbeitsweg: Die Wohnung des katholischen Gemeindereferenten befindet sich an der Lessingstraße unter demselben Dach wie die katholische Kirche. Dennoch ist der 30-Jährige, der vor einem halben Jahr vom Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers nach Riesa entsendet worden war, nur selten in dem als Offizierskasino gebauten Gebäude anzutreffen: „Mein Einsatzgebiet reicht von der A 14 bis zur A 13“, sagt der gebürtige Werdauer.

Der studierte Theologe ist für drei katholische Kirchgemeinden zuständig – Riesa, Großenhain, Wermsdorf. Die sollen voraussichtlich ohnehin in den nächsten zwei Jahren fusionieren. „Die Gemeinden werden älter und schrumpfen, das ist bei uns nicht anders als bei den evangelischen Christen“, sagt Matthias Demmich, der mit den beiden katholischen Pfarrern in der Region quasi das Trio komplettiert.

Die Aufgaben des Gemeindereferenten sind trotzdem nicht zu knapp: Er hat als Seelsorge-Mitarbeiter mit Menschen vom Grundschul- bis zum Greisenalter zu tun. In Großenhain etwa hält er an Schulen und im Gemeindehaus Religionsunterricht, in Riesa betreut er Jugendgruppen oder hält Wortgottesdienste im Seniorenheim, in Wermsdorf hat er viel mit Behinderten zu tun. „Damit hatte ich anfangs gar nicht gerechnet“, sagt der 30-Jährige, der nach seinem Theologiestudium in Erfurt noch eine dreijährige praktische Ausbildung als Gemeindereferent absolvierte. In Wermsdorf unterhält das Christliche Sozialwerk zwei Behindertenwerkstätten, ein Wohnheim für Behinderte und eins für psychisch Kranke. Dort ist Demmich für die seelsorgerische Betreuung zuständig – bis hin zu Sterbefällen. „Das war anfangs eine Herausforderung für mich. Aber mittlerweile mache ich das sehr gern!“ Geistig Behinderte würden ganz ehrlich und unverstellt auf einen Menschen reagieren – ähnlich wie Kinder. „Das macht Freude!“

Persönlich zu schaffen machen Matthias Demmich dagegen Fälle, in denen es um zerbrechende Familien geht. „Das ist für alle leidvoll: die Kinder, die Ehepartner, selbst die Großeltern.“ Als Gemeindereferent müsse man sich in die verschiedensten Schicksale hineinversetzen können. Jeder, der sich an einen wende, solle auch Hilfe erhalten. „Dabei ist es zweitrangig, ob derjenige katholisch, evangelisch oder gar nicht gläubig ist“, sagt Demmich, der anders als ein katholischer Pfarrer in seinem Amt auch heiraten dürfte.

Als Abiturient hätte er sich auch gut vorstellen können, Pharmazie zu studieren oder Lehrer für Deutsch und Geschichte zu werden. Der Pfarrer seiner Heimatgemeinde Crimmitschau weckte aber das Interesse in ihm, Theologie zu studieren. Und warum ist er dann nicht selbst Priester geworden? „Dazu habe ich mich nicht berufen gefühlt“, sagt Demmich. Und den Beruf Gemeindereferent – der im Übrigen in Sachsen mehrheitlich von Frauen ausgeübt wird – habe er von Anfang an als spannend empfunden.

Da wusste er noch nicht mal, dass ihn jetzt eine Dienstreise bis auf die Philippinen führen würde: Dort sollten sich kirchliche Mitarbeiter informieren, wie die katholische Kirche anderswo auf sinkende Mitgliederzahlen reagiert. „Das war sehr lehrreich.“ Die nächste Reise führt nach Rom – dorthin werden im Sommer zahlreiche Ministranten auch aus Riesa zur gemeinsamen Wallfahrt pilgern. Und weil die katholische Kirche sich als Weltkirche versteht, gibt es alle paar Jahre auch ein großes Weltjugendtreffen. Das Nächste steht allerdings weit weg an, in Panama. „Ob wir uns in Riesa eine Reise dorthin leisten können, wissen wir noch nicht“, sagt Matthias Demmich. Denn dafür müsste jeder Teilnehmer auch einen ordentlichen Eigenbetrag aufbringen.

Tatsächlich aber bietet auch die Region vor der Haustür viele Aufgaben für den Gemeindereferenten, der pro Jahr 20 000 Kilometer dienstlich im Auto verbringt. Viel Zeit für seine Hobbys bleiben da nicht. Er liest gerne Krimis von Henning Mankell und baut Modellflugzeuge. „Ich bemühe mich, alle ein bis zwei Wochen in die Schwimmhalle zu gehen“, sagt Demmich. „Wer außer Riesa hat schon ein 50-Meter-Becken zu bieten?“ Das immerhin lässt sich vom Pfarrhaus zu Fuß erreichen.